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Energiepolitik
Kabinett gibt Erdkabeln statt Stromtrassen den Vorzug

Große Stromleitungen sollen künftig vorrangig unter der Erde verlegt werden. Eigentlich eine gute Idee, wenn sie die ganze Sache nicht teuer machen würde.

Von Jenny Genzmer | 07.10.2015
    In Raesfeld (NRW) werden bei Bauarbeiten Erdkabel zum Stromtransport verlegt.
    In Raesfeld (NRW) werden bei Bauarbeiten Erdkabel zum Stromtransport verlegt. (picture alliance / dpa / Roland Weihrauch)
    1000 der knapp 2800 neu geplanten Leitungskilometer sollen unter die Erde. Darüber hatten sich die Koalitionsspitzen schon im Juli verständigt. Nun hat auch das Bundeskabinett beschlossen, in Nähe von Wohngebieten künftig auf Erdkabel zu setzen.
    Die Grünen befürworten den Bau der Erdverkabelung. Grundsätzlich. Oliver Krischer wirft dem Bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer von der CSU jedoch vor, den ursprünglichen Plänen der Trassenführung zugestimmt - aber dann durch seinen Protest zusätzliche Kosten verursacht zu haben. Krischer im Morgenmagazin
    "Wir werden in den Planungen drei Jahre lang zurückgeworfen. Das was die Bundesnetzagentur drei Jahre lang mit Millionenaufwand gemacht hat, ist quasi auf null jetzt zurückgestellt, das hat Seehofer verursacht und das sind jetzt Kosten, die wir uns in Zukunft eigentlich sparen können. Obwohl der Netzausbau auch volkswirtschaftlich selbst als Erdkabel immer noch die günstigste Variante."
    Und die mit der größten Akzeptanz in der Bevölkerung. Allerdings
    "Dadurch, dass die Bundesregierung jetzt für einige Projekte Kabel einführt, für einige aber nicht, glaube ich, dass wir in anderen Teil der Republik jetzt das Problem bekommen, dass Menschen sich ungerecht behandelt fühlen, warum in Bayern Erdverkabelung, warum für diese einzelnen Projekte."
    Niels Schnoor, Energieexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, sagt die Bundesregierung habe erkannt, wie wichtig das Thema Akzeptanz der Bevölkerung dafür ist, dass die Energiewende gelingt.
    "Auch bei Thema Netzausbau. Aber ob sich diese Akzeptanz tatsächlich erkaufen lässt durch eine Erdverkabelung, das darf doch stark bezweifelt werden."
    Der Ausbau der Stromleitungen sei gut und notwendig für die Energiewände, sagt Schnoor. Die Planung und der Bau der Erdkabel werden sich hingegen noch lange hinziehen und:
    "Für die Verbraucher vor Ort bedeutet das, dass sie die Leitung nicht mehr sehen. Aber trotzdem sind Eingriffe in die Natur damit verbunden und es gibt auch Gesundheitsrisiken, ähnlich wie bei der Freiluftverkabelung. Also insofern ist da der Vorrang für Erdverkabelung vielleicht nicht so positiv wie er immer gedacht wird."
    Dazu gehören vor allem auch die Mehrkosten, die über die Stromrechnung beglichen werden. Bundeswirtschaftsminister Gabriel rechnet mit bis zu acht Milliarden Euro. Für eine dreiköpfige Familie könnte das bis zu fast 10 Euro mehr im Jahr bedeuten. Unternehmen mit hohem Verbrauch hingegen müssten mit Mehrausgaben von über 100.000 Euro rechnen.
    Kostentreiber seien dabei die Tiefbauarbeiten, die mit dem Bau von Erdkabeln verbunden sind, sagt Thomas Wiede, Sprecher des Netzbetreibers Amprion.
    "Also muss ich jetzt durch felsiges Gestein, einen Ackerboden, den ich durchqueren muss, hab ich Infrastruktur, Eisenbahnen. All das sind Faktoren, die die Kosten signifikant auch nach oben treiben können."
    Wie sehr die Kosten steigen können, sei nicht vorhersehbar, sagt Wiede. Notwendig sei vielmehr, auf die örtlichen Begebenheiten zu achten und danach zu entscheiden - ob die Leitungen über oder unter der Erde verlegt werden.