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Energiepolitik
Streit um Kohle und Netzausbau beigelegt

Die umstrittene Klima-Abgabe für ältere Kohlekraftwerke ist vom Tisch, dafür sollen einige Braunkohle-Kraftwerke stillgelegt werden. Beim Netzausbau sollen Erdkabel Vorrang haben. Darauf einigten sich die Spitzen der Großen Koalition bei einem Treffen im Kanzleramt. Umweltschützer sind enttäuscht.

02.07.2015
    Wasserdampfschwaden steigen aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes der Vattenfall AG in Jänschwalde (Brandenburg). (Aufnahme von 2015)
    Wasserdampfschwaden steigen aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes der Vattenfall AG in Jänschwalde (Brandenburg). (Aufnahme von 2015) (picture alliance / dpa/ Patrick Pleul)
    Die CDU-Chefin Angela Merkel, der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer verständigten sich in der Nacht auf eine Paketlösung zur Energiepolitik. Demnach sollen Braunkohle-Kraftwerke vom Netz genommen und als Reserve vorgehalten werden. Bis 2020 sollen dann Kraftwerksblöcke mit einer Gesamtleistung von 2,7 Gigawatt endgültig stillgelegt werden. Damit will Deutschland sein Klimaschutz-Ziel erreichen, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Bezugsjahr 1990 zu reduzieren. Die Stromkonzerne erhalten dafür Prämien. "Die Kohlelobby hat sich durchgesetzt", erklärt Deutschlandfunk-Korrespondentin Barbara Schmidt-Mattern.
    Die Klimaabgabe, eine Strafabgabe für Energiekonzerne auf ältere Kohlekraftwerke, die SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ursprünglich vorgeschlagen hatte, ist damit endgültig vom Tisch. Sie war auf den Widerstand der Energiewirtschaft sowie der Gewerkschaften gestoßen, die den Verlust von Arbeitsplätzen in den Braunkohle-Ländern vorausgesagt hatten. "Die Unternehmen und die Gewerkschaften haben uns gesagt, das wird nicht funktionieren, wir produzieren Tausende von Arbeitslosen", erklärte Gabriel am Donnerstag in der ARD. Er als Wirtschaftsminister könne nicht sagen, dass ihm die Arbeitsplätze in der Lausitz völlig egal seien. Der neue Vorschlag laufe auf etwas hinaus, "das wir sowieso brauchen, nämlich eine Kapazitätsreserve am Strommarkt für die Möglichkeit, dass mal nicht genug Strom zur Verfügung steht im Rahmen der Energiewende", sagte der SPD-Chef. Dafür wäre die Sonderabgabe deutlich kostengünstiger für die Steuerzahler gewesen, wie der SPD-Politiker Hubertus Heil im Interview mit dem Deutschlandfunk betonte.
    Kritik von Greenpeace
    Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte den Verzicht auf die Kohle-Abgabe scharf. "Angela Merkel hat ihr Klimaversprechen von Elmau gebrochen", sagte Experte Tobias Münchmeyer der Nachrichtenagentur dpa. Statt wie beim G7-Gipfel angekündigt den Ausstieg aus der Kohle einzuleiten, lasse die Kanzlerin alle Träume der Kraftwerksbetreiber wahr werden: "Sie müssen weniger CO2 sparen und bekommen dafür auch noch Millionen zugesteckt." Greenpeace, der BUND sowie weitere Naturschutzorganisationen hatten vor dem Treffen im Kanzleramt mit einer Menschenkette für den Kohleausstieg demonstriert und nach eigenen Angaben Unterschriften von mehr als 300.000 Kohlegegnern übergeben.
    300.000 gegen Kohle heute vor dem Kanzleramt #EndCoal #Klimaabgabe pic.twitter.com/P6dFhFXFTg— campact (@campact) July 1, 2015
    Entgegenkommen für Seehofer beim Netzausbau
    Auch beim heftig umstrittenen Thema Netzausbau soll bei dem mehr als fünfstündigen Treffen ein Durchbruch erzielt worden sein. Noch stärker als bisher sollen bestehende Trassen beim Bau der geplanten Stromleitungen von Nord- nach Süddeutschland genutzt werden. Das kommt insbesondere CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer entgegen, der sich dagegen gewehrt hatte, dass geplante Trassen durch bestimmte Teile Bayerns verlaufen. Zudem sollen teure Erdkabel Vorrang vor Freileitungen erhalten. "Das wird viele Bürgerinitiativen freuen", sagte Gabriel. Netzbetreiber fürchten durch mehr Erdkabel allerdings erhebliche Verzögerungen und Milliarden-Mehrkosten.
    Kosten des Atomausstiegs
    Bei den langfristigen Kosten des Atomausstiegs will die Bundesregierung die Energiekonzerne in die Pflicht nehmen. Für den Rückbau von Atomkraftwerken und für die Lagerung des Atommülls haben die Atomkonzerne rund 36 Milliarden Euro an Rückstellungen in ihren Bilanzen stehen. Dennoch gibt es Zweifel, ob die Konzerne dauerhaft für die Atom-Altlasten geradestehen können. Die Regierung betont nun aber, es werde dafür gesorgt werden, dass sich das Haftungsvermögen nicht verkleinere.
    Förderung von KWK
    Für mehr Energieeffizienz sollen Fördermittel für Verbraucher und Kommunen bis 2020 um bis zu 1,2 Milliarden Euro pro Jahr aufgestockt werden. Damit will die Koalition unter anderem den Anteil umweltfreundlicher Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) erhöhen.
    (nin/jan)