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Energiepolitik und Klimaschutz
In Polen hat Kohle weiter eine Zukunft

Weil in vielen Wohnungen noch mit Kohle geheizt wird, kam es im vergangenen Winter in etlichen polnischen Städten zu Smog. Als Reaktion darauf beschloss die Regierung lediglich, dass jetzt nur noch moderne Kohleheizungen verkauft werden dürfen. An der Kohle als Energieträger will sie noch lange festhalten.

Von Florian Kellermann | 20.09.2017
    Braunkohle-Kraftwerk Turow in Polen
    Braunkohle-Kraftwerk Turow in Polen (picture alliance / CTK / Radek Petrasek)
    Marcin Repaszawski geht an einem meterhohen Berg von Kohle vorbei, wenn er sein Firmengelände betritt. Seit rund 25 Jahren handelt er mit dem schwarzen Gold. Er ist überzeugt davon, dass er ein hochwertiges Produkt anzubieten hat:
    "Ich heize selber zu Hause mit Kohle, aber bei uns kein Rauch aus dem Schornstein. Schon gar kein Gestank, das kann ich garantieren. Denn wir haben einen modernen Ofen."
    Das sagt der Händler, weil der vergangene Winter eine für ihn unangenehme Diskussion entfacht hat. Plötzlich sprach ganz Polen wochenlang über Smog. Einzelne Messdaten wurden auf einmal zu Schlagzeilen.
    "Wir dürfen doch nicht die Kohle zum Sündenbock machen. Bei unseren Nachbarn stinkt es den ganzen Winter aus dem Schornstein. Aber die heizen mit etwas anderem, das weiß ich."
    Im Winter Smog in vielen Städten
    Immer wieder tauchte in den Berichten die Stadt Otwock auf, an deren Rand Marcin Repaszewski sein Geschäft betreibt. Die Menschen hier, 30 Kilometer südöstlich von Warschau, sind im Sommer stolz auf ihre gute Luft.
    Ganz anders in der kalten Jahreszeit, sagt Sabina, eine Neu-Otwockerin. Die 36-Jährige bedient in einem Literaturcafe in der Innenstadt und hat gerade ihren ersten Winter hier hinter sich:
    "Meine Mutter hat mich angerufen und gesagt, dass ich lieber zu Hause bleiben soll, sie hat vom Smog hier in den Nachrichten gehört. Man konnte wirklich tagelang das Fenster nicht öffnen, so hat es gestunken. Dabei komme ich aus Oberschlesien, aus dem Kohlerevier. Aber dort war die Luft besser als hier."
    "Schlechtere Luft als in Peking", lauteten die Schlagzeilen. Die Feinstaubbelastung lag zeitweise über 1000 Prozent über dem unbedenklichen Wert. Ähnliche Meldungen kamen auch aus anderen Teilen von Polen, und das Image der Kohle nahm Schaden. Jakub Grzywacz vom Umweltamt der Stadt Otwock:
    "Der Stadtrat hat schon vor zwei Jahren ein Programm beschlossen: Wer auf eine ökologischere Heizmethode umsteigt, bekommt einen Zuschuss. In diesem Jahr hatten wir schon 200 Anträge von Hauseigentümern. Die meisten wollen sich an die städtische Gasversorgung anschließen."
    Noch keine Qualitätsnorm für die Kohle
    Auch die polnische Regierung reagierte. Sie versprach, dass die Polen künftig mit besseren Öfen und mit besserer Kohle heizen sollen. Bisher scheint sie aber nur den ersten Punkt umzusetzen: Vom nächsten Sommer an dürfen in Polen nur noch moderne Kohleheizungen verkauft werden.
    Qualitätsnormen für Kohle sind dagegen bisher nicht in Sicht. Beobachter machen dafür die Kohlelobby verantwortlich. Die meisten Bergwerke sind staatlich - die Regierung will deren Einnahmen nicht schmälern. Zumal sie weiter auf Kohle setzt. Erst am Wochenende nahm Ministerpräsidentin Beata Szydlo an einer Feier in Jaworzno in Oberschlesien teil, bei der ein neues Gelände zum Bau eines weiteren Bergwerks freigegeben wurde. Sie sagte:
    "Ich erinnere mich an die Zeiten, als es hieß, im Bergbau gehen die Lichter aus. Aber hier sehen Sie, dass wir ein neues Bergwerk bauen. Das ist ein sehr guter Tag für die polnische Wirtschaft."
    Denn, so das Argument, die Kohleförderung bedeute Arbeitsplätze. Und sie mache Polen unabhängiger bei der Energieversorgung.
    Ebenfalls in Jaworzno entsteht deshalb innerhalb von zwei Jahren ein neuer Block des örtlichen Kohlekraftwerks - eine Investition von über 200 Millionen Euro. Die Pläne reichen weit in die Zukunft. Im August stellte die Regierung einen Entwicklungsplan bis 2050 vor. Kohle soll auch dann noch bei der Stromerzeugung dominieren.
    Sonderabgabe für die Kohle geplant
    Im Parlament liegt sogar ein Gesetz, wonach die Verbraucher Investitionen in die Kohle künftig unterstützen müssen - durch eine Sonderabgabe, gemeinsam mit ihrer Stromrechnung. Die Förderung von erneuerbaren Energien begrenzt die Regierung dagegen, ein entsprechendes Gesetz hat der Präsident bereits unterschrieben. Pawel Sito von einer Stiftung, die Windkraft unterstützt:
    "Das Gesetz wird viele Besitzer von Windkraftanlagen in den Ruin treiben. Das sind häufig Bauern, die darauf vertraut haben, dass der Staat diese Energiequelle fördert. Mir scheint, die Regierung hat Angst, es stellt sich heraus, dass Strom aus Windkraft am billigsten ist."
    Die polnische Regierung beruhigt: Die Klimaziele der EU werde Polen trotzdem erreichen. Bei neuen Kohlekraftwerken sei der Ausstoß von Treibhausgasen deutlich geringer.
    Otwock will sich trotzdem nach und nach von der Kohle verabschieden. Jakub Grzywacz vom Umweltamt:
    "Otwock ist eine Stadt mitten im Wald. Auch innerhalb der Stadt haben wir kleine Waldgebiete. Langlaufen, Radfahren - wir haben Potenzial, um hier Tourismus zu entwickeln. Unter anderem deshalb haben wir auch ein Programm aufgelegt, um Radwege zu bauen."
    Bisher allerdings kann Kohlehändler Marcin Repaszewski ruhig schlafen: Der Verkauf für den Winter laufe zurzeit so gut wie in den Jahren zuvor, sagt er.