Freitag, 19. April 2024

Archiv

Energieversorgung
Simulation für Stromnetze

Fraunhofer-Forscher arbeiten an einer Software, die Stromnetzbetreibern Daten zur Einspeisewahrscheinlichkeit an bestimmten Tag- und Nachtzeiten liefern soll. Außerdem kann das hochkomplexe Programm relativ genau prognostizieren, welche Leistungen an welchen Stellen zur Verfügung stehen.

Von Pia Grund-Ludwig | 11.06.2016
    Strommasten bei Lohfelden in Hessen
    Damit das Stromnetz stabil läuft, sind die sogenannten Übertragungsnetzbetreiber auf präzise und aktuelle Leistungsprognosen angewiesen. (picture alliance / dpa)
    Die störungsfreie Einspeisung von Strom aus vielen unterschiedlichen Energiequellen ist eine enorme Herausforderung. Eine Voraussetzung dafür ist, dass die Netzbetreiber sehr exakt wissen, wann genau und an welchen Orten sie mit wie viel Strom rechnen können. Das wird von vielen Faktoren bestimmt. Einer sind die vorhandenen Anlagen, ein weiterer wesentlicher das Wetter. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik, des IWES in Kassel arbeiten daran, diese Faktoren zu berücksichtigen. Projektleiter Malte Siefert:
    "In dem Forschungsprojekt Eweline arbeiten wir mit dem Deutschen Wetterdienst zusammen mit dem Ziel, die Prognosen für die Stabilität des Stromnetzes zu verbessern."
    Diese Leistungsprognosen verwenden die Übertragungsnetzbetreiber. Es gibt in Deutschland vier davon: 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW. Sie verkaufen keinen Strom an Endkunden, sondern sind dafür zuständig, dass das Stromnetz stabil läuft. Dazu sind sie auf präzise und aktuelle Leistungsprognosen angewiesen. Sie arbeiten dazu bereits mit ausgefeilten Computermodellen. Um die Qualität der eingespeisten Daten zu verbessern, muss die komplette Wirkungskette betrachtet werden, die Einfluss auf die Einspeisung hat. Eine der Herausforderungen sind die Datenmengen:
    "Wir verarbeiten pro Tag etwa 100 Gigabyte an Daten aus verschiedenen Wettermodellen, Einspeisedaten und Stammdaten, also Standort der Anlagen und anderen Parametern."
    Eine weitere Herausforderung ist die Qualität der Daten und die Heterogenität der Informationen. Sie kommen nämlich aus vielen unterschiedlichen Quellen oder können teilweise nur geschätzt werden. Und es ist notwendig, sehr präzise zu erfassen, welche Wetterereignisse welchen Einfluss haben. So hat sich etwa gezeigt, dass Hochnebel für die Stromerzeugung mit Photovoltaik von großer Bedeutung ist. Auch die Windverhältnisse im Tag-Nacht-Übergang auf der Höhe der Rotoren der Windräder haben erheblichen Einfluss. Diese Schwachstellen im Wettermodell haben die Forscher identifiziert. Das hat für die Prognose der Stromproduktion bereits heute spürbare Verbesserungen gebracht:
    "Wir haben in dem Projekt noch nicht abschließend alle Komponenten zusammengeführt, weil das Projekt noch bis Ende des Jahres läuft. Aber in ersten Expertimenten haben wir gezeigt, dass wir im Kürzestfristbereich, also in Bezug auf zwei oder wenige Stunden, den Prognosefehler etwa um Drittel reduzieren konnten."
    "Wir rechnen auch parallel verschiedene Vorhersagen, die am Ende optimiert werden"
    Das Aufspüren einzelner Fehlerquellen ist ein wichtiger Schritt. Diese komplexe Vorhersage mit einem einzelnen Algorithmus zu optimieren ist kaum möglich.
    "Das Ziel ist es, nicht einen Algorithmus zu entwickeln, der alles optimiert, sondern wir arbeiten mit vielen Algorithmen, die wir in Reihe schalten. Ein Algorithmus gibt die optimierten Ergebnisse an den nächsten. Wir rechnen auch parallel verschiedene Vorhersagen, die am Ende optimiert werden zu einer optimalen Prognose."
    Die Kasseler Forscher haben jetzt eine Version fertig, auf der die Übertragungsnetzbetreiber mit Live-Daten sehen können, welche Vorteile die neuen Daten bieten. Sie wird derzeit getestet. Die Ergebnisse aus dem Test fließen bis Ende des Jahres in das Projekt ein, erste Erfahrungen liegen vor. Eine wichtige Neuerung: Die Übertragungsnetzbetreiber erhalten jetzt Informationen dazu, wie wahrscheinlich es ist, dass bestimmte Leistungen an bestimmten Stellen zur Verfügung stehen. Das kennt man aus der Wettervorhersage: Es wird nicht nur die Regenmenge genannt, sondern die Regenwahrscheinlichkeit für einzelne Stunden. Die Netzbetreiber erhalten Daten zur Einspeisewahrscheinlichkeit. Die brauchen sie, denn ihre Welt wird in Zukunft noch komplizierter. Immer mehr Haushalte verwenden selbst Energiemanagementsysteme zur Steuerung der Haustechnik, die ebenfalls von Wettervorhersagen abhängen. Sie planen das Waschen von Wäsche dann, wenn sie davon ausgehen, dass sie in den nächsten zwei Stunden solide Strom vom Dach bekommen. Das macht die Leistungsprognose schwieriger: Die Sonne scheint, und trotzdem kommt nur ein Teil des möglichen Stroms im Netz an:
    "In der Zukunft werden auch Windkraftanlagen und PV-Anlagen abgestellt, um zum Beispiel Regelenergie bereitzustellen. Das andere Stichwort ist Eigenverbrauch der Anlagen und andere Systemdienstleistungen wie die Steuerung von Windkraftanlagen, um das Netz stabil zu halten. Diese Einflüsse auf die Prognose nehmen in Zukunft noch stärker zu und sind ein Forschungsthema, das uns in der Zukunft beschäftigt."