Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Energiewende
"Gabriel ist auf dem richtigen Weg"

Der Fraktionschef der Union im Bundestag, Volker Kauder, verteidigte im DLF das Eckpunktepapier des Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD)zur Energiewende als Projekt der gesamten Koalition. Man wolle das nationale Ziel erreichen, eine stabile Versorgung sowie akzeptable Preise sicherzustellen.

Volker Kauder im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 27.01.2014
    Tobias Armbrüster: SPD und Union haben in der vergangenen Woche gegenseitig den Arm um die Schultern gelegt: bei der Kabinettsklausur in Meseberg in Brandenburg. Aber diese neue Freundschaft, diese neue Einigkeit kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass beide Parteien in dieser Koalition einen eigenen Kurs fahren und dass sich vor allem die SPD in der Außendarstellung zurzeit sehr geschickt anstellt, um beim Wähler zu punkten. Beim Parteitag gestern in Berlin strotzte sie nur so vor Selbstbewusstsein. Wie kommt das an in der CDU? – Am Telefon ist Volker Kauder, der Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag. Schönen guten Morgen, Herr Kauder.
    Volker Kauder: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Kauder, der SPD-Vize, Ralf Stegner, bezeichnet seine Partei, die SPD, heute in einem Interview als die treibende Kraft in der Großen Koalition. Was schätzen Sie, wie kommt er zu dieser Einschätzung?
    "Treibende Kraft in dieser Koalition sind beide Koalitionspartner"
    Kauder: Die Einschätzung von Herrn Stegner ist nicht zutreffend. Treibende Kraft in dieser Koalition sind beide Koalitionspartner, vor allem die Koalitionsvereinbarung, um die es jetzt ja geht, die umgesetzt werden muss. Und natürlich kommt es in allen entscheidenden Punkten auf die Kanzlerin an, und deswegen halte ich die Äußerungen für jetzt nicht so interessant, die Herr Stegner da abgibt.
    Armbrüster: Aber wenn wir uns mal angucken, was derzeit diskutiert wird, wo es wirklich vorangehen muss, Mindestlohn, Rente, Energiewende, das sind alles Projekte, die derzeit von SPD-Ministern angeschoben werden, nicht etwa von CDU- oder CSU-Leuten.
    Kauder: Es geht jetzt darum, ein paar Punkte aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen. Das sind jetzt natürlich die Renten- und auch die Energiewende von Ministern der SPD. Sehr bald werden wir sehr viel und ausführlich über den Haushalt hören. Zweimal kommt der Haushalt: Einmal 2014 noch im April und dann kommt schon der Haushalt für 2015. Da werden wir sehr viel von Wolfgang Schäuble auch über Stabilität und über Null-Verschuldung hören. Es kommt demnächst auch das Thema Einsatz der Bundeswehr. Es wird heute ja schon Thomas de Maizière mit dem Integrationsgipfel kommen. Also das sehe ich überhaupt nicht so. Im Übrigen ist eins klar: Wir müssen dem Land eine gute Regierung stellen, gute Arbeit machen. Das ist der entscheidende Punkt.
    Armbrüster: Und steht Ralf Stegner mit seinen Einlassungen dem im Wege?
    Sigmar Gabriel sei bei der Energiewende "auf dem richtigen Weg"
    Kauder: Nein, überhaupt nicht. Er ist, soweit ich mich erinnern kann, auch nicht Mitglied der Bundesregierung.
    Armbrüster: Gut! – Herr Kauder, dann lassen Sie uns mal über einige Projekte reden, die in den kommenden Tagen und Wochen anstehen. Wir hören zum Beispiel in Sachen Energiewende derzeit fast täglich aus allen Parteien neue politische Forderungen. Hat die Koalition dieses Projekt noch im Griff?
    Kauder: Es ist doch jetzt zunächst einmal ein Eckpunktepapier vorgelegt worden, in dem Sigmar Gabriel das versucht umzusetzen, was wir auch in der Koalitionsvereinbarung miteinander besprochen haben.
    Armbrüster: Ein Eckpunktepapier, das aber direkt wieder in vielen Landesregierungen zerpflückt wird.
    Kauder: Ja, der Hinweis ist völlig richtig, Herr Armbrüster, und da muss man jetzt mal sagen, es kommt doch jetzt darauf an, dass wir die nationalen Ziele erreichen: stabile Energieversorgung, akzeptabler Preis. Das sind doch die entscheidenden Punkte. Und wenn jetzt aus dem einen oder anderen Land gesagt wird, wir wollen mehr Windkraft, oder wir wollen dies oder jenes, dann muss man auch sagen, es dürfen Interessen der Länder doch nur dann wirklich eine Rolle spielen, wenn sie sich auch in das Gesamtkonzept für Deutschland einbinden lassen. Wir müssen jetzt gerade wegkommen – und da ist doch Sigmar Gabriel auf dem richtigen Weg -, diese überdimensionierte Subvention abzubauen, und da haben wir sicher noch manche Diskussion miteinander zu führen. Der Bundesrat muss auch beteiligt werden. Die Länder haben hier eine große Verantwortung, denn auch die Länder tragen Verantwortung dafür, dass Arbeitsplätze in ihren Ländern erhalten werden. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass dies gelingt.
    Armbrüster: Was ist denn nun, wenn Bundesländer so wie beispielsweise die im Norden, wenn die sich Sorgen machen um ihre Subventionen und deshalb nicht mitstimmen wollen? Wie wollen Sie das Gesetz dann noch rechtzeitig vor dem Sommer durchbringen?
    Kauder: Wir haben jetzt sicher eine große Aufgabe, alle einzubinden. Völlig richtig: Der Bundesrat muss mitmachen. Und da wird es darum gehen, berechtigte Anliegen aufzunehmen. Aber es muss die Subvention herunter, sonst wird das Ziel, das ja auch in SPD-regierten Bundesländern formuliert wird, dass nämlich die Energiekosten akzeptabel bezahlbar bleiben müssen, nicht erreicht.
    Armbrüster: Das heißt, Sie, Herr Kauder, Sie sagen den Bundesländern, ihr müsst möglicherweise im Zuge der Energiewende auf einiges Geld verzichten, im Zuge dieser EEG-Neuordnung?
    Kauder: Die Bundesländer müssen auf gar nichts verzichten, das ist kein Haushaltsproblem, sondern es geht schlicht und ergreifend darum, dass der Verbraucher, der die Kosten zahlen muss, dass der nicht überfordert wird, und das gilt sowohl für die privaten Haushalte als auch für viele Firmen und Handwerksbetriebe. Denn es ist nur eine kleine Zahl von Unternehmen von der EEG-Umlage befreit, die allermeisten müssen es zahlen. Also da haben wir gemeinsame Interessen. Ich bin da zuversichtlich. Und eins ist auch klar: Das ist nicht das Projekt eines SPD-Energieministers, sondern das ist das Projekt der gesamten Koalition.
    Die Koalition als handelnde Einheit
    Armbrüster: Aber genau das ist doch der Eindruck, der in der Öffentlichkeit entsteht, das ist eigentlich eine SPD-Angelegenheit. Sigmar Gabriel hat das Papier vorgelegt und er muss dafür sorgen, dass das alles klappt, und wenn es ein Erfolg wird, dann ist das sein Erfolg.
    Kauder: Es ist ein Erfolg der Bundesregierung und ein Erfolg der Koalition und vor allem ein Erfolg für Deutschland. Ich rate dringend dazu, dass wir, die Bundesregierung und auch die Koalition, dass wir uns als eine handelnde Einheit darstellen und nicht in parteipolitische Interessen auseinanderfallen. Bei der Energiewende haben wir in den letzten Jahren gesehen, dass wir nichts hinkriegen, wenn wir nicht alle in Deutschland zusammenhalten und zusammenstehen. Das gilt in der Koalition und das gilt natürlich auch für die Bundesländer.
    Rentenpolitik
    Armbrüster: Herr Kauder, es gibt noch ein anderes Streitthema, das diese Große Koalition nicht los wird. Das ist die Rentenpolitik. Die wird in dieser Woche aktuell. Da soll das Rentenpaket von Andrea Nahles durchs Kabinett. Eins steht für die meisten, die das genau verfolgen, schon jetzt fest: Die Rentenversicherung wird durch dieses Paket teurer und zahlen müssen natürlich die Jüngeren. Ist das gerecht?
    Kauder: Zunächst einmal ist es gerecht, dass wir eine Gerechtigkeitslücke verringern, dass Frauen, die vor 92 Kinder geboren haben, etwas bessergestellt werden und die Benachteiligung gegenüber Frauen, die Kinder nach 92 geboren haben, reduziert wird. Es gibt überhaupt keine Begründung für ein solches Datum. Und für etwa neun Millionen Frauen bedeutet dies, dass ihre Arbeit, die sie mit der Erziehung von Kindern geleistet haben, anerkannt wird. Das ist ein ganz zentraler Punkt.
    Armbrüster: Noch mal, Herr Kauder. Da sagen jetzt viele, das ist ein Geschenk an diese Frauen, das einzig und allein zu Lasten der jüngeren Generation geht.
    Kauder: Ich kann mich nur wundern, dass die Diskussion jetzt kommt. Wir haben es doch im Wahlkampf alle miteinander gesagt. Auch die jüngeren Kolleginnen und Kollegen sind für die Mütterrente eingetreten. Das ist eine Diskussion, die haben wir auf Parteitagen geführt, die haben wir bei der Verabschiedung unseres Regierungsprogramms geführt. Dann haben wir uns entschieden, das zu machen, in Abwägung von all den Dingen, und jetzt wird es umgesetzt. Und man kann nicht jedes Mal – wir haben es im Koalitionsvertrag vereinbart -, jedes Mal, wenn der Koalitionsvertrag umgesetzt wird, beginnt die Diskussion, die wir vorher schon beendet haben, von Neuem. Also das kann ich nicht akzeptieren.
    Kauder: Wenn die Wirtschaft gut funktioniere, dann sei die Finanzierung der Mütterrente zu schultern
    Armbrüster: Das heißt, die Debatte muss sozusagen beendet werden? Wenn die einmal beschlossen wurde im Vertrag, dann ist das gelaufen?
    Kauder: Ja klar! Wenn man doch einen Vertrag miteinander gebildet hat und hat dann entschieden, das machen wir jetzt so, und dann wird es umgesetzt, kann ich nicht wieder von ganz vorne anfangen. Im Übrigen glaube ich schon auch, dass wir das alles schultern können - das ist ein großes Paket, stimmt -, wenn die wirtschaftliche Entwicklung weiter gut läuft, und dafür auch die Energiewende. Wir müssen dafür sorgen, dass die Wirtschaft gut funktioniert, dass wir keine Arbeitslosigkeit bekommen. Wenn dies alles klappt, ist das überhaupt finanziell zu schultern.
    "Die Rente mit 67 wird kommen"
    Armbrüster: Das, wie gesagt, zweifeln viele an. Kommen wir neben der Mütterrente auf ein weiteres Rententhema: die volle Rente nach 45 Beitragsjahren. Weshalb brauchen Arbeitnehmer, die so etwas erreicht haben, 45 Beitragsjahre, warum brauchen die so ein Privileg, dass sie schon mit 63 in Rente gehen können?
    Kauder: Das war eine lange Diskussion auch innerhalb der Union, dass man gesagt hat, wer 45 Jahre gearbeitet hat, Beiträge bezahlt hat, damit ein reiches Arbeitsleben hat, was viele gerade der Jüngeren gar nicht mehr erreichen, weil sie keine 45 Beitragsjahre haben, dass die auch etwas früher in Rente gehen können. Das ist im Übrigen ein Beschluss, ein Gesetz, das jetzt schon gilt. In der Rente mit 67 heißt es, wenn die 67 Jahre erreicht sind als Renteneintrittsalter, kann jemand, der 45 Beitragsjahre hat, mit 65 abschlagsfrei in die Rente. Das wird nun etwas vorgezogen, weil das Renteneintrittsalter ist noch nicht 67, sondern es geht auf 65 plus ein Monat, zwei Monate, und das kann nun jetzt auch schon erreicht werden. Dies ist sicher auch eine Belastung der Rentenversicherung, aber sie ist zu schultern. Die Botschaft bleibt nach wie vor: Die Rente mit 67 wird kommen. Deswegen ist das jetzt ein Vorziehen der bereits bestehenden gesetzlichen Regelung.
    Armbrüster: Volker Kauder war das, der Vorsitzende der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag, live hier heute Morgen bei uns in den "Informationen am Morgen". Besten Dank, Herr Kauder, für das Gespräch.
    Kauder: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Mehr zum Thema