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Energiewende sollte "Leuchtturm-Thema unserer Außenbeziehungen" sein

Deutschland sollte das Thema Energiewende ins Zentrum seiner Außenbeziehungen stellen, rät Professor Dirk Messmer im Vorfeld der am Montag beginnenden UN-Klimaverhandlungen in Doha. Messmer leitet das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik und berät die deutsche und die chinesische Regierung in Umweltfragen.

Dirk Messmer im Gespräch mit Jule Reimer | 23.11.2012
    Jule Reimer: Bloß keine großen Erwartungen – so lauten im Augenblick die Vorgaben für die UN-Klimaverhandlungen, die am kommenden Montag in Doha beginnen. Beim Klimagipfel von Durban vergangenen Dezember wurde lediglich das Ziel bekräftigt, die Erderwärmung in diesem Jahrhundert auf zwei Grad zu begrenzen, aber immerhin einigte man sich darauf, bis 2015 ein weltumspannendes Abkommen für den Klimaschutz zu beschließen. Spätestens 2020 soll es in Kraft treten.

    Bundesumweltminister Peter Altmaier ist ein Neuling in den UN-Klimaverhandlungen, heute Morgen legte er in Berlin seine Erwartungen an die UN-Konferenz dar. Am Telefon, ebenfalls in Berlin, bin ich jetzt mit Professor Dirk Messmerverbunden. Er leitet das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik in Bonn, "DIE", und er berät die deutsche und die chinesische Regierung in Umwelt- und Klimafragen. Herr Messmer, waren das jetzt vielversprechende Ankündigungen des Bundesumweltministers?

    Dirk Messmer: Ich glaube, dass der Umweltminister die richtigen Punkte gemacht hat. Er hat darauf hingewiesen, dass es jetzt wirklich wichtig ist, dass man in Doha arbeitet und einen Fahrplan erstellt, wo man 2015 landen will, wenn ein internationales Klimaabkommen zu Stande kommen soll, also jetzt keine Zeit verschlafen.

    Er hat auch auf das 30-Prozent-Ziel der Europäischen Union hingewiesen; das ist sehr wichtig, denn wir haben die 20-Prozent-Reduktion der Treibhausgase in Europa so gut wie erreicht, und wir würden deswegen unterambitioniert auftreten in Doha, und das würde uns nicht besonders glaubwürdig machen.

    Reimer: Aber Polen sperrt sich bisher gegen das 30-Prozent-Ziel. Das ist ein Land, das sehr stark von Kohlekraftwerken abhängig ist. Wie schätzen Sie denn die Möglichkeiten ein, dass die Deutschen sich da durchsetzen?

    Messmer: Ja ich glaube, wir müssen Regelungen auf anderen Feldern der europäischen Kooperation finden, wo wir Polen entgegenkommen können, damit Polen dann im Bereich der Klimapolitik mit anderen europäischen Ländern eng zusammenarbeiten kann. Die polnische Ökonomie ist sehr stark auf Kohle ausgerichtet und basiert, der Umbau der Ökonomie in Richtung Klimaverträglichkeit in Polen ist objektiv deutlich schwieriger, als das zum Beispiel in Deutschland der Fall ist. Deswegen müssen wir da Entgegenkommen zeigen, um zu versuchen, da eine gemeinsame Linie zu erreichen.

    Reimer: Sie arbeiten ja als Berater nicht dem Bundesumweltminister, sondern dem Bundesentwicklungsminister zu. Gibt es aus Ihrer Sicht sozusagen noch wichtige Dinge, die Sie Peter Altmaier mit auf den Weg geben würden?

    Messmer: Ja, ich bin der stellvertretende Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen. Da arbeiten wir der gesamten Bundesregierung zu, auch dem Bundesumweltminister. Was mir wichtig zu sein scheint, ist, dass die Bundesregierung das gesamte Thema der Energiewende, der klimaverträglichen Transformation unserer Wirtschaft auch ins Zentrum unserer Außenbeziehungen stellt.

    Das Bundesumweltministerium macht hier schon viel, es sucht strategische Partner, mit denen man im Bereich der Energiepolitik, der erneuerbaren Energien zusammenarbeitet. In der Entwicklungspolitik laufen ähnliche Ansätze, das Forschungsministerium bemüht sich in diesem Kontext. Es wäre sehr wichtig, wenn es der Bundesregierung insgesamt gelänge, dieses Thema zu einem Leuchtturm-Thema unserer Außenbeziehungen zu machen. Da könnte man Dinge besser bündeln und als Pakete anbieten, so dass Deutschland wirklich weltweit wahrgenommen wird als eines der Laboratorien für klimaverträgliches Wirtschaften in der Zukunft.

    Reimer: In den USA hat US-Präsident Barack Obama jetzt seine Wiederwahl erreicht. Sein Auftritt in Kopenhagen, bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen, wo die ganzen Staatschefs angereist waren und wo die Konferenz mit einem ja geradezu dramatischen Flop endete, sein Auftritt war damals sehr enttäuschend und auch gerade für die chinesische Seite. Erwarten Sie, dass die USA jetzt, sagen wir mal, konstruktiver in Doha dabei sind?

    Messmer: Präsident Obama ist und war innenpolitisch gefesselt. Präsident Obama selbst tritt ja ein in all seinen Präsentationen und in all seinen politischen Verortungen für eine anspruchsvolle, klimaorientierte Wirtschaftspolitik. Aber innenpolitisch ist er durch die Konstellation in den beiden Häusern eingebunden sozusagen. Er hat jetzt größere Chancen, sich flexibler zu orientieren in der zweiten Amtsperiode.

    Reimer: Aber die Widerstände bleiben ja zum Teil mit den fehlenden Mehrheiten bestehen.

    Messmer: Ja, aber er kann sich jetzt stärker konzentrieren auf dieses Thema. Er hat sich in der ersten Periode auf die Gesundheitsreform konzentriert als großes Thema der ersten Amtszeit. Das hat er durchsetzen können, das hat viel Kraft gekostet. Ich glaube, dass er jetzt im Bereich von Energie-Effizienz, Klimaverträglichkeit, zukunftsorientiertem Wirtschaften stärkere Akzente setzen will.

    In einer seiner Auseinandersetzungen mit seinem Gegenkandidaten in Bezug auf das Präsidentschaftsamt hat er darauf hingewiesen, dass man die Zukunftsmärkte im grünen Bereich nicht China und Deutschland überlassen dürfte. Und ich glaube, das ist ein wichtiges Signal, dass sich auch in den USA viele Dinge in die richtige Richtung bewegen, insbesondere auf Bundesstaatenebene.

    Reimer: Stichwort China. Gerade die Schwellenländer haben sich ja bisher gegen wirklich verbindliche Zusagen, verbindliche absolute Reduktionsziele im Bereich CO2-Emissionen gewehrt – mit dem Hinweis, dass die ganze Malaise, also der Großteil der Emissionen, bisher aus den Industriestaaten stammten. Wie viel können oder sollten wir jetzt auch bei den kommenden Konferenzen von den Schwellenländern an Zusagen, verbindlicheren Zusagen erwarten?

    Messmer: Ja die Schwellenländer haben zunächst mal Recht, denn die Emissionen der Vergangenheit sind im Wesentlichen von den Industrieländern getätigt worden. Sie haben aber nicht Recht in Bezug auf die Zukunft, denn die größten Emissionen der Zukunft werden in den Entwicklungsländern produziert. Insofern müssen die Entwicklungsländer jetzt mit ins Boot kommen.

    Die Chinesen haben sich hier in Doha flexibler gezeigt, in Durban, bei der letzten Klimaverhandlung im letzten Jahr flexibler gezeigt als in den Runden davor, denn sie haben darauf hingewiesen, dass sie durchaus verbindliche internationale Regime akzeptieren könnten, wenn auch andere wesentliche Spieler hierbei mitmachten. Sie haben darauf verwiesen, dass sie ja auch Mitglied der WTO sind, des Welthandelsregimes.

    Auch dort haben wir verbindliche Regelwerke, für die sogar Schiedsgerichte existieren. Also die Chinesen sind hier nicht grundsätzlich abgeneigt, aber sie brauchen starke Partner mit im Boot. Europa wäre sicher ein wichtiger starker Partner, aber weitere andere Industrieländer müssten in diesen Club mit hinein. Japan wäre ein wichtiger Spieler.

    Reimer: Vielen Dank! – Das war Professor Dirk Messmer, er berät die deutsche und die chinesische Regierung in Umweltfragen.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.