Freitag, 29. März 2024

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Energy Drinks
"Kinder sollten sie eigentlich gar nicht trinken"

Vor allem Jugendliche lieben Energy Drinks: die süßen Getränke in kleinen Dosen mit der aufputschenden Wirkung von Koffein. Wer zu viel davon trinke, riskiere aber Nebenwirkungen, erklärt Oliver Huizinga von der Verbraucherorganisation "Foodwatch" im DLF. Dringend nötig seien ein Verkaufsverbot und Einschränkungen für Kinder und Jugendliche.

Oliver Huizinga im Gespräch mit Stefan Römermann | 20.01.2015
    Eine Reihe Dosen mit Energy-Getränken verschiedener Marken
    Eine Reihe Dosen mit Energy-Getränken verschiedener Marken (picture-alliance / dpa / Romain Fellens)
    Stefan Römermann: Ganz ehrlich: Ich persönlich finde ja diesen seltsamen Gummibärchen-Geschmack eher etwas eklig. Aber für viele Jugendliche und junge Menschen sind Energy Drinks offenbar eine total leckere Sache. Marktführer Red Bull und die vielen, vielen Nachahmerprodukte setzen vor allem auf die aufputschende Wirkung von Koffein. Davon ist reichlich in den kleinen Dosen und Flaschen und hat bei Konsumenten eine anregende und aufputschende Wirkung. Doch inzwischen kommen die Drinks genau deshalb zunehmend in die Kritik. Jetzt hat die europäische Lebensmittel-Sicherheitsbehörde eine Studie zu Energy Drinks veröffentlicht. Darüber möchte ich sprechen mit Oliver Huizinga von der Verbraucherschutzorganisation "Foodwatch". Herr Huizinga, was hat denn die EU-Behörde da genau festgestellt in diesem Gutachten?
    Oliver Huizinga: Die EU-Behörde hat festgestellt, dass gerade diese Hochverzehrer - das bedeutet diejenigen Jugendlichen, die besonders viel von diesen Getränken trinken -, dass die Gefahr laufen, Nebenwirkungen zu bekommen. Das kann Herzrhythmus-Störungen bedeuten, das kann auch Krampfanfälle bedeuten. Es gibt sogar auch Todesfälle, die mit Energy Drinks in Verbindung gebracht werden. Deshalb ist hier dringend nötig, dass das Ernährungsministerium die Jugendlichen und die Kinder schützt und ein Verkaufsverbot und eine Verkaufseinschränkung erlässt, dass nur noch Erwachsene diese Produkte kaufen können.
    "Es fehlt ein effektiver Gesundheitsschutz"
    Römermann: Warum ist denn das Koffein da so besonders problematisch? Ich meine, das ist im Kaffee drin, das ist in der Cola drin. Warum ist das jetzt in diesen Energy Drinks besonders problematisch?
    Huizinga: Mit Kaffee kann man das im Grunde gar nicht vergleichen, denn zum einen ist es so, dass die Getränke ja kalt und quietsch süß sind und aromatisiert sind. Das heißt, man kann sie schnell trinken, man kann schnell viel davon trinken und sie schmecken bereits Kindern, ganz anders als bei Kaffee, plus sie werden ganz gezielt auch von den großen Herstellern mit Extremsport und mit Athleten beworben, das heißt auch vor körperlicher Betätigung dann in großen Mengen getrunken. Genau das ist aber das, wovor die Wissenschaftler und Mediziner eigentlich auf der ganzen Welt warnen, denn gerade hier treten immer mehr Zwischenfälle auf. Hier fehlt es an einem wirklich effektiven Gesundheitsschutz.
    Römermann: Wie steht es denn um den Coffeingehalt in diesen Produkten, wenn man das mal mit einer Tasse Kaffee oder einer Cola vergleicht? Ist das so viel mehr?
    Jugendliche sind die Hauptkäuferschicht
    Huizinga: Der alleinige Vergleich des Koffeingehalts hinkt etwas, ganz einfach, weil die Konsumart eine ganz andere ist. Man kann viel größere Mengen trinken. Das schmeckt bereits Kindern. Das ist ganz anders als bei Kaffee. Deswegen ist jetzt nur ein Vergleich des Koffeingehalts gar nicht zielführend. Die Forscher bis hin zur Weltgesundheitsorganisation empfehlen, dass an Kinder und Jugendliche diese Produkte nicht mehr verkauft werden. Genau das fordern wir auch vom Bundesernährungsminister Christian Schmidt. In Litauen hat das die dortige Regierung bereits durchgesetzt. Hier werden die Kinder und Jugendlichen geschützt. In Deutschland bislang leider nicht.
    Römermann: Was wissen wir denn über die Käuferschichten von diesen Produkten? Sie haben gesagt, das schmeckt auch Kindern und Jugendlichen offenbar ganz gut. Aber ist das tatsächlich auch die Hauptkäuferschicht, oder ist das nur ein Teil?
    Huizinga: Die ganz zentrale Zielgruppe sind tatsächlich Jugendliche. Zwei Drittel der Jugendlichen in Europa konsumieren diese Produkte. Davon sind etwa zwölf Prozent der Jugendlichen sogar sogenannte High Chronic und High Acute Consumers. Das bedeutet, dass sie vier bis fünfmal wöchentlich und auch mehr als einen Liter pro Konsum von diesen Produkten konsumieren. Die sind besonders gefährdet, Nebenwirkungen zu bekommen. Aber nicht nur Jugendliche, sondern sogar schon fast jedes fünfte Kind in Deutschland konsumiert diese Produkte. Also genau die Zielgruppe ist besonders gefährdet. Aus Sicht von Red Bull, Coca-Cola und Pepsi, die diese Produkte vermarkten, die möchten natürlich sehr gerne noch mehr davon verkaufen. Aus Sicht der Verbraucher und des Gesundheitsschutzes ist das allerdings alles andere als gegeben.
    "Energy Shots sollten gar nicht mehr vermarktet werden"
    Römermann: Wie stellen Sie sich das konkret vor, dass das ähnlich wie Alkohol nur ab 18 freigegeben ist, oder wie soll das laufen?
    Huizinga: Der Bundesernährungsminister, Christian Schmidt, soll sich dafür einsetzen, dass diese Energy Drinks nicht mehr frei verkäuflich sind an Kinder, die im Moment ja wirklich ohne Begrenzung palettenweise davon kaufen können, obwohl sie es eigentlich gar nicht trinken sollten. Das heißt, man kann nach dem Vorbild Litauens einen Verkaufsstopp an Minderjährige erlassen, und die noch hochkonzentriertere Form, die sogenannten Energy Shots - das sind so kleine Getränke, wo noch mehr konzentriert ist an Koffein -, die sollten gar nicht mehr vermarktet werden. Das hat auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung eigentlich schon vor fünfeinhalb Jahren festgestellt.
    Römermann: Oliver Huizinga von der Verbraucherschutzorganisation „Foodwatch“. Vielen Dank für diese Informationen nach Berlin.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.