Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Englisch in der Grundschule
Standards für den Spracherwerb

"Englisch ab Klasse 1 oder 3. Never mind" - so heißt eine Veranstaltung in Leipzig, bei der Anglisten über den Fremdsprachenunterricht in Grundschulen diskutieren. In welcher Klasse man beginne, sei weniger wichtig, sagt Initiator Norbert Schlüter im DLF, vielmehr gehe es darum, bundesweite Standards für den Fremdsprachenerwerb zu erarbeiten.

Norbert Schlüter im Gespräch mit Jörg Biesler | 02.10.2014
    Ein Grundschüler schreibt etwas aus einem Buch ab.
    Englisch in der Grundschule: Ab wann ist der Unterricht sinnvoll? (picture-alliance/ dpa/dpaweb)
    Jörg Biesler: Englischlernen, das wird immer wichtiger, auch wenn mancher sagt, wir sollten erst mal richtig Deutsch sprechen. International, und das gilt mittlerweile auch für deutsche Hochschulen, spricht die Welt Englisch, und damit auch Dozenten und Studenten, die Wirtschaft ohnehin. Grundschulen und sogar Kitas heben deshalb Englisch in den Lehrplan.
    Ob das sinnvoll ist, und wie es sinnvoll wäre, darüber machen sich am kommenden Wochenende Anglisten in Leipzig Gedanken. Eingeladen hat Professor Norbert Schlüter, Professor für die Didaktik des Englischen als Fremdsprache, wie es mit schönem deutschen Genitiv heißt. Guten Tag, Herr Schlüter!
    Norbert Schlüter: Schönen guten Tag, Herr Biesler!
    Biesler: Sie haben zum Kongress eingeladen, mit dem wiederum teil-englischen Titel: "Englisch ab Klasse 1 oder 3? Never mind!" Da wird die Frage gleich beantwortet, ob ab Klasse eins oder ab Klasse drei Englisch unterrichtet wird. Das scheint nicht so wichtig zu sein. Warum treffen Sie sich dennoch, um darüber zu reden?
    Schlüter: Das ist wirklich nur ein einziger Komplex. Natürlich geht es auf unserer Konferenz um sehr viele Dinge rund um das Fremdsprachenlernen in der Grundschule und im Kindertagesstättenbereich.
    Also, abgesehen von der Frage, ob man jetzt in Klasse eins beginnen soll oder in Klasse drei beginnen soll, gibt es natürlich auch weiterhin Untersuchungen dazu, mit welcher Methode man die Fremdsprache in der Grundschule vermitteln soll. Wir unterhalten uns auch oder wir vergleichen auch die unterschiedlichen Unterrichtsmaterialien und bewerten sie, die von den Verlagen vorgestellt werden. Und insofern ist diese Konferenz nicht von vornherein umsonst, nur, weil wir keine Unterschiede festgestellt haben, im Beginn des Englischlernens zwischen Klasse eins und Klasse drei.
    Biesler: Da sprechen Sie die Studie an, die Sie selber mit veranstaltet haben, wo Sie nämlich untersucht haben, wie wirksam der Englischunterricht eigentlich auch ist. Das ist ein Ergebnis, dass man eigentlich nicht sagen kann, es ist besser, in der Klasse eins anzufangen, oder es ist besser, in der Klasse drei anzufangen. Beides sind ja Praxen im Augenblick.
    Schlüter: Genau. Es gibt vier Bundesländer, die mit dem Englischunterricht in Klasse eins beginnen. Nordrhein-Westfalen etwas verzögert in der zweiten Hälfte der ersten Klasse, und die anderen Bundesländer beginnen in Klasse drei. Wir haben diese Studie auf den Weg gebracht, um eine Aussage machen zu können zum Lernstand der Grundschüler am Ende von Klasse vier.
    Es geht uns im Wesentlichen darum, die Grundlagen zu schaffen für ein vernünftiges, ein realistisches Abschlussprofil am Ende von Klasse vier, was dann zum Eingangsprofil für die weiterführenden Schulen wird. Und dabei haben wir einmal verglichen, die Leistungen im Leseverstehen und im Hörverstehen zwischen den Schülern, die in Klasse eins beginnen, und den Schülern, die in Klasse drei beginnen, und dort gab es, in unserer Studie zumindest, keinen Unterschied.
    Standards erstellen für das Fremdsprachenlernen
    Biesler: Sie haben gerade angesprochen, dass es Ihnen darum geht, dass es ein Abschlussprofil gibt, also was sollen die Kinder am Ende der Grundschule eigentlich können. Was sollen sie denn können?
    Schlüter: Was sollen sie können? Wir wollen gerne in den vier Fertigkeitsbereichen, die für das Sprachenlernen so wichtig sind, Standards erstellen, die es im Moment leider noch nicht gibt. Wir haben auf der Ebene der Kultusministerkonferenz Standards für die Lernbereiche Deutsch und Mathematik für den Abschluss der Grundschule, also am Ende von Klasse vier, aber für den Bereich Englisch oder erste Fremdsprache, Englisch, Französisch, gibt es diese Bildungsstandards nicht.
    Und wir wollen eigentlich die KMK dazu bringen, dass sie auch diese Standards jetzt, nach zehn Jahren Verzögerung für den Bereich Englisch erstellt. Wir versprechen uns davon, dass die Bundesländer und die Verlage sich dann an so einem Abschlussprofil orientieren können und auch langfristig dafür Unterrichtsmaterialien erstellen. Denn da geht es ja zunächst mal um das Hörverstehen. Sie sollen sprechen können, aber in einem bestimmten Aspekt sollen sie auch lesen können, aber es ist eben wichtig, dass man sich zunächst mal ein realistisches Bild davon macht, welche Leistung können Schüler am Ende von Klasse vier überhaupt erreichen.
    Das wissen wir bisher nicht, es gibt darüber keine bundesweiten Studien, nur Studien in einzelnen Bundesländern, zum Beispiel Nordrhein-Westfalen hat so eine Studie durchgeführt, aber bundesweit wissen wir einfach nicht, wie sind da die sozusagen Bereiche, also was sind die besten Ergebnisse, die erreicht werden können, was sind die schlechtesten Ergebnisse.
    Grundsätzlich befürworten wir den Fremdsprachenunterricht
    Biesler: Das ist ja, von außen betrachtet, halbwegs originell, dass ein Englischunterricht an der Grundschule eingeführt wird in den Bundesländern, ohne dass man tatsächlich sagen könnte, ob das sinnvoll ist. Wie ist das denn aus Ihrer Sicht: Kann man grundsätzlich sagen, an der Grundschule Englischunterricht hat einen Sinn, weil wir stärker Englisch lernen müssen, und das ist die beste Zeit dafür? Und wie sieht es an der Kita aus?
    Schlüter: Also grundsätzlich befürworten wir den Fremdsprachenunterricht an der Grundschule. Vor ungefähr zehn Jahren hat man damit begonnen, den Fremdsprachenunterricht vorzuverlegen. Es ist nur eine Frage natürlich der Kontinuität und der Intensität.
    Es macht sicherlich auch Sinn, in den Kindertagesstätten mit Englisch zu beginnen, wenn dort zum Beispiel Muttersprachler solche Gruppen betreuen. Und man erhofft sich eigentlich dadurch, dass die kognitive Entwicklung der Kinder gestärkt wird dadurch, dass sie schon in einem sehr frühen Alter mit einer Fremdsprache in Kontakt kommen.
    Biesler: Von heute Abend an treffen sich Anglisten in Leipzig, um darüber nachzudenken, wie und wann der Unterricht im Englischen an Grundschulen sinnvoll ist. Norbert Schlüter war das, der Veranstalter des Kongresses. Vielen Dank!
    Schlüter: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.