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Englisch
Privatschulen wollen angebliche Defizite auffangen

In deutschen Großstädten – speziell in Berlin – wird Englisch immer mehr zur Alltagssprache. In bestimmten Kneipen werden die Gäste nur noch auf Englisch bedient und auch in den Internet-Start-ups ist Englisch oft die einzige gemeinsame Sprache. Das öffentliche Schulsystem muss darauf viel besser reagieren, fordert eine Initiative.

Von Claudia van Laak | 09.03.2015
    Bildung, Bildung, Bildung. Für Emre Kiraz ist die Schule seiner Töchter das Allerwichtigste. Der türkischstämmige Unternehmensberater schickt die beiden auf eine international ausgerichtete Privatschule in der Hauptstadt. Sie lernen also drei Sprachen – Türkisch, Deutsch, Englisch, und werden zwei Schulabschlüsse haben – das deutsche Abitur und das internationale Abitur IB. Die Schule kostet den Unternehmensberater eine Menge Geld, er ärgert sich, dass er als Steuerzahler das öffentliche Schulsystem mitfinanziert und zusätzlich Schulgeld für die Privatschule zahlen muss.
    "Ich finanziere ja sowieso meine Kinder. Das finde ich als Vater absurd. Weil wir doppelt bezahlen eigentlich. "
    Seine Forderung – und die des türkischen Unternehmerverbands ATIYAB: Berliner Schulen müssen internationaler werden, auch Fächer wie Mathematik oder Kunst sollten auf Englisch unterrichtet werden.
    "Wir reden von Europa, wir reden von einer globalen Welt. Aber das, was wir an Angeboten haben, alles soll auf Deutsch sein, das ist doch nicht mehr realitätsnah. Das, was wir hier in der Verwaltung erleben oder die Vorgaben, die da gemacht werden, das ist wirklich noch Nachkriegsdeutschland, habe ich das Gefühl."
    SPD spricht von ausreichendem Angebot
    Das SPD-geführte Bildungsressort weist diese Kritik natürlich zurück. Sprecherin Beate Stoffers nennt die bi-lingualen Europaschulen und die staatliche Nelson-Mandela-Schule, an der auch der internationale Abschluss IB angeboten wird.
    "Da ist Berlin sehr gut aufgestellt und kann allen Interessen und Nachfragen, die es gibt, auch Angebote unterbreiten. Das was es hier gibt, ist für die Menschen, die hier sind, definitiv ausreichend."
    Wir wollen und müssen eine Schule für alle anbieten, sagt Beate Stoffers – sprich, in der Bildungsverwaltung hält man die aufgeworfenen Fragen für ein Luxusproblem.
    Widerspruch kommt von der landeseigenen Wirtschaftsfördergesellschaft "Berlin Partner". Hier ist man der Meinung, dass die Schulen in der Hauptstadt zu wenig international aufgestellt sind. Burkhard Vollbracht von "Berlin Partner":
    "Wir haben dieses wunderbare Thema Start ups in der Stadt. Die wachsen vielleicht alle mal, vielleicht werden sie alle zu Zalandos. Und die haben dann die Führungspositionen und dann kommen die Führungskräfte dazu, die aus dem Silicon Valley kommen, nach Berlin und danach vielleicht nach Warschau gehen. Die kriegen wir nicht, wenn das Schulsystem nicht in der Gänze diesen Ansprüchen genüge tut."
    Die zur "Bildungsinitiative Berlin" zusammengeschlossenen Verbände sehen sogar einen Rückschritt in punkto Internationalität. So hat die Bildungsverwaltung derzeit einige Privatschulen im Visier, die vom Senat mitfinanziert werden, sich aber offensichtlich nicht an die Vorgaben zum Deutschunterricht halten. Die Richtlinie besagt, so Sprecherin Stoffers,
    "Dass das bi-linguale Unterrichten hälftig sein muss. Damit eben auch die deutsche Sprache vermittelt wird, damit eben auch deutsche Abschlüsse erlangt werden können. "
    Dies sei auch im Sinne der Schülerinnen und Schüler, die ja möglicherweise eine Ausbildung oder ein Studium in Deutschland beginnen würden.
    "Eine englischsprachige Schulbildung ist politisch nicht gewollt"
    Sollten sich diese internationalen Privatschulen nicht an die Vorgaben zum Deutschunterricht halten, könnte ihnen im schlimmsten Fall die Finanzierung durch den Senat entzogen werden.
    Der Privatschulverband läuft Sturm dagegen – geht es doch um sehr viel Geld. In anderen Bundesländern würden rein englischsprachige Privatschulen sehr wohl vom Staat finanziert, argumentiert Andreas Wegener, Vorsitzender des Berlin-Brandenburger Verbands.
    "Die Bremer haben eine englischsprachige Ersatzschule, die Bayern haben das, die Sachsen haben das, die Thüringer, die Brandenburger, die Berliner haben das nicht. "
    "Eine rein englischsprachige Schulbildung, das ist politisch nicht gewollt. Ich sehe das ein bisschen anders, wenn der Bedarf da ist, wenn der Wunsch da ist, warum soll das nicht möglich sein. Aber dafür gibt es politisch keine Mehrheit und auch keine Umsetzung", sagt die SPD-Bildungspolitikerin Renate Harant, die damit von der Politik des SPD geführten Bildungsressorts abweicht.
    Vielleicht kommt durch den Koalitionspartner CDU jetzt noch Bewegung in die Sache. "Schulen mit internationalem Profil sind auszubauen", heißt es in einem Leitantrag, der morgen vom Landesparteitag beschlossen werden soll.