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"Entscheidend ist, dass wir das nicht zu einem Blockadeinstrument im Bundesrat umwandeln"

Eine künftige Koalition mit der CDU in Hessen bedeutet mehr Einfluss der Liberalen im Bundesrat. Philipp Rösler, designierter FDP-Wirtschaftsminister Niedersachsens, kündigt Verhandlungen "für das Land" über das Konjunkturpaket II an. Rösler hebt hierbei die geplante Schuldenbremse des Bundes hervor: diese sei eine Mogelpackung, man müsse "da noch mal rangehen".

Philipp Rösler im Gespräch mit Christian Schütte | 19.01.2009
    Christian Schütte: Die Hessen-Wahl, eine Abstimmung mit bundespolitischen Auswirkungen, auch weil sich die Kräfteverhältnisse im Bundesrat zu Gunsten der FDP verschieben. Insofern hat die Berliner Politik den Ausgang der Hessen-Wahl gestern sehr genau verfolgt.
    Die Liberalen gehen also als eigentliche Sieger der Hessen-Wahl vom Platz. Sie haben in mehrfacher Hinsicht gewonnen: an Prozentpunkten, dann werden sie vermutlich, oder nicht nur vermutlich, sondern sie werden Koalitionspartner in Wiesbaden werden, und nicht zuletzt der Einfluss der FDP im Bund wächst. – Am Telefon begrüße ich Philipp Rösler, Landes- und Fraktionschef der FDP in Niedersachsen und dort designierter Wirtschaftsminister. Guten Morgen, Herr Rösler!

    Philipp Rösler: Moin und hallo!

    Schütte: Sie reisen heute nach Berlin. Trägt Ihr Parteichef dann wieder Schuhe mit einer 18 unter den Sohlen?

    Rösler: Das glaube ich nicht. Wir haben gelernt aus dem Programm 18 und wir haben jetzt gezeigt, dass die Solidität und Seriosität, vor allem die Glaubwürdigkeit sich auszahlt, und das wollen wir auch vortragen für das gesamte Wahljahr 2009.

    Schütte: Trotzdem herrscht natürlich Freude und Euphorie über das Wahlergebnis. Allerdings: Koch ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben und die Stärke der FDP erklärt sich auch aus der Schwäche der SPD. Am Ende doch gar kein starkes Signal für schwarz-gelb im Bund?

    Rösler: Doch, ein sehr starkes Signal. Wir haben jetzt 55 Millionen Einwohner, die in Bundesländern leben, die von schwarz-gelben Landesregierungen regiert werden. Ich glaube, das ist ein gutes Signal für die Bundestagswahl 2009. Vor allem aber hat sich gezeigt, dass sich Ehrlichkeit auszahlt.

    Schütte: Machtverschiebung im Bundesrat, das haben wir jetzt schon mehrfach gehört. Sie sind im Gespräch als derjenige, der künftig die Ländergruppe der Liberalen im Bundesrat leiten könnte. Wie wollen Sie Ihr neues Machtpotenzial dort ausnutzen?

    Rösler: Entscheidend ist, dass wir das nicht zu einem Blockadeinstrument im Bundesrat umwandeln. Im Gegenteil! Der Bundesrat ist anders als der Bundestag kein Partei- oder Fraktionengremium, sondern ein Ländergremium und für uns gilt als Liberale bundesweit: erst das Land und dann erst die Partei. Deswegen werden wir immer im Interesse der Länder entscheiden, im Interesse der Menschen, die dort leben, und das gilt auch schon für das Konjunkturpaket II.

    Schütte: Sie sagen, Sie wollen nicht blockieren. Nun hat beispielsweise der FDP-Schatzmeister Hermann Otto Solms in der "Leipziger Volkszeitung" gefordert, die Große Koalition muss die Abwrackprämie zurücknehmen, damit die FDP zustimmt. Da wird doch schon eine Drohkulisse aufgebaut?

    Rösler: Wir werden jetzt heute im Präsidium natürlich über unsere Verhandlungspositionen diskutieren. Die werden wir festlegen und mit den dann festgelegten Verhandlungspositionen wird, denke ich, Guido Westerwelle auch in Gespräche mit der Bundeskanzlerin gehen, um deutlich zu machen, dass es Sinn macht, sich frühzeitig mit der FDP zusammenzusetzen, schon bei den Beratungen im Bundestag, damit man im Bundesrat es dem Paket nicht unnötig schwer macht.

    Schütte: Das heißt, Herr Rösler, wir müssen uns jetzt darauf einstellen, dass die FDP in den kommenden Monaten schon im Bundestag mitregiert?

    Rösler: Sie können sich darauf verlassen, dass wir dafür kämpfen werden, dass die Menschen wirklich entlastet werden durch Steuersenkungen und Entbürokratisierung. Das kommt in dem Paket fast überhaupt nicht vor und dafür stehen wir ein.

    Schütte: Wenn jetzt die Große Koalition nicht bereit ist, das Konjunkturpaket II noch einmal aufzuschnüren, wie wird die FDP reagieren?

    Rösler: Ich bin fest davon überzeugt, dass sich die Große Koalition auch von dem Satz überzeugen lassen wird, dass erst das Land und dann erst die Partei gilt. Wie gesagt, das gilt für uns und wer wirklich ein Interesse an dem eigenen Land hat – und das sollte eine Bundesregierung haben -, wird sich mit uns an einen Tisch setzen, um die Menschen wirklich zu entlasten, um noch mehr Entlastungen auch in dieses Konjunkturpaket II hineinzubekommen.

    Schütte: Bleiben wir noch einmal bei der möglichen Blockade im Bundesrat. Da hat Ihr Parteichef Herr Westerwelle gesagt, wir blockieren das nicht. War das taktisch klug, so früh Zustimmung zu geben?

    Rösler: Ich glaube, das zeigt, wie verantwortungsvoll wir mit den neu gewonnenen Einflussmöglichkeiten umgehen wollen. Ganz im Gegenteil wollen wir nicht blockieren, sondern wir wollen mit verhandeln. Wir stellen umgekehrt allerdings auch keinen Blankoscheck aus. Ich glaube, es ist das richtige Signal, was zur richtigen Zeit gesendet wurde.

    Schütte: Herr Rösler, Sie haben jetzt mehrfach das Wort "Verantwortung" benutzt. Nun bleibt infolge der Staatsverschuldung durch das Konjunkturpaket II kaum noch Luft im Haushalt und trotzdem fordern die Liberalen weiterhin massive Steuersenkungen. Wie verantwortungsvoll ist die FDP tatsächlich?

    Rösler: Zunächst einmal ist es spannend festzuhalten, dass die Große Koalition immer behauptet hat, für Steuersenkungen wäre kein Geld da. Eine Steuerreform mit niedrigen, einfachen und gerechten Steuersätzen, so wie wir sie vorgeschlagen haben, hätte 30 Milliarden Euro gekostet. Nun ist man bereit, das doppelte auszugeben. Also da scheint nicht sehr viel mehr von der Wahrheit übrig geblieben zu sein.

    Schütte: Geld ist aber nach wie vor nicht da, denn die Schulden tragen kommende Generationen.

    Rösler: Deswegen wollen wir auch eine echte Schuldenbremse mit in das Grundgesetz einführen, denn das, was jetzt im Rahmen des Konjunkturpaketes II vorgeschlagen wird, ist wahrlich ein Witz. Erstens wird die Verschuldung jetzt für 2009 geplant. Die Schuldenbremse soll erst 2015 wirken. Und was besonders bemerkenswert ist: man kann diese mit 51 Prozent der Stimmen im Deutschen Bundestag wieder aufheben, also mit Kanzlermehrheit. Das hat also mit Schuldenbremse in Wahrheit nichts zu tun. Das ist wirklich eine Mogelpackung und da müssen wir noch mal rangehen.

    Schütte: Das klingt gut. Nun erklären Sie uns aber, wie das gehen soll, den Haushalt zu sanieren und gleichzeitig eine Steuerreform mit starken Entlastungen für die Bürger?

    Rösler: Wir haben ja gerade bei den alten Diskussionen über die letzte Steuerreform klare Gegenfinanzierungsvorschläge für die 30 Milliarden Euro gebracht. Das heißt, wenn man wirklich Sparwillen gezeigt hätte, dann wäre das möglich gewesen. Die Große Koalition hat in guten Zeiten es versäumt, die Haushalte zu konsolidieren. Das rächt sich jetzt in schlechten Zeiten. Trotzdem ist eine Steuerreform nach wie vor möglich, denn die Sparvorschläge, die wir haben, gelten zum großen Teil auch noch. Insofern darf man von diesen Zielen nicht leichtfertig abweichen und schon gar nicht darf man eine drohende Finanzkrise dafür nutzen, um überhaupt von dem Ziel Haushaltskonsolidierung wegzugehen.

    Schütte: Bei der Bundestagswahl 2005, da hatte die FDP dazugewonnen und es lag dann an der Union, dass es am Ende bei der Wahl dann doch nicht gereicht hat. Ist es klug, sich zu früh auf eine Koalition mit der Union festzulegen?

    Rösler: Die Kollegen in Hessen haben das, glaube ich, sehr schön gezeigt, dass es nicht nur klug ist, sich festzulegen, sondern vor allem bei seinem Wort zu bleiben. Genau das werden wir auch tun. Der richtige Zeitpunkt für eine Koalitionsaussage, denke ich, wird kurz vor der tatsächlichen Bundestagswahl dann sein. Wir stellen jetzt allerdings fest, dass es in den Bundesländern, die schwarz-gelb regiert werden, gut funktioniert. Warum soll das nicht auch ein gutes Beispiel für Deutschland sein? Und ich glaube, die Menschen wollen vor der Wahl wissen, worauf sie sich nach der Wahl einstellen müssen, wenn dann entsprechend gewählt wird, und genau das wollen wir tun. Wie gesagt: Wahrheit heißt eben auch, wir sagen vor der Wahl, was wir vor haben, und halten es nach der Wahl eins zu eins wie versprochen ein.

    Schütte: Und wenn es dann doch nicht reicht, die Union beispielsweise bei 40 Prozent bleibt oder darunter geht, was wäre eine Alternative? Die Ampel im Bund?

    Rösler: Die Ampel auf gar keinen Fall. Ich glaube, wir sehen da keine inhaltlichen Übereinstimmungen bei den großen Themen Steuerreform, Gesundheitsreform. Da haben wir total gegensätzliche Auffassungen, SPD und FDP. Insofern sehe ich da keine Chance für eine Koalition und Sie dürfen auch nicht vergessen: Wenn es dann an das Regieren geht, braucht man ja auch den Bundesrat und hier gibt es ja eine deutliche schwarz-gelbe Mehrheit dann. Also insofern glaube ich, dass das zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt keine Frage für uns ist.

    Schütte: Philipp Rösler, Landes- und Fraktionschef der FDP in Niedersachsen und dort künftiger Wirtschaftsminister. Vielen Dank für das Gespräch.

    Rösler: Ich danke Ihnen. Tschüß!