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Entscheidung zur Erbschaftssteuer
"Für viele ändert sich gar nicht so viel"

4,5 Milliarden Euro pro Jahr nimmt der Staat durch die Erbschaftssteuer ein. Dass der Betrag nicht höher liegt, dass liegt an einer bestimmten Praxis: Wenn Unternehmer ihren Kindern Firmen vererben, dann genießen sie großzügige Ausnahmen. Heute hat das Bundesverfassungsgericht eine Grundsatzentscheidung gefällt.

Von Michael Braun | 17.12.2014
    Symbolbild Erbschaftsteuer.
    Bundesverfassungsgericht: Die Erbschaftsteuer ist in zentralen Punkten verfassungswidrig. (picture alliance/dpa/Jens Büttner)
    Es hätte schlimmer kommen können. Jedenfalls hat die Wirtschaft eine Passage aus dem Karlsruher Urteil mit Erleichterung aufgenommen. Darin heißt es, der Gesetzgeber dürfe durchaus kleine und mittlere, in personaler Verantwortung geführte Unternehmen steuerlich begünstigen, um ihren Bestand und damit die Arbeitsplätze zu erhalten. Mehr als 90 Prozent aller Betriebe in Deutschland haben nicht mehr als 20 Beschäftigte, die Erbschaftssteuer war für sei bislang kein Thema. Und das könnte auch so bleiben:
    "Für die Mehrzahl der Unternehmen, die sich als kleine und mittlere Unternehmen, zumeist als Familienunternehmen darstellen, könnte es jedenfalls so sein, dass sich gar nicht so viel ändert," sagt Ralph Beckmann, Leiter des Bereichs Unternehmensnachfolge bei der stark im Mittelstand engagierten Commerzbank.
    Die bisherigen Regelungen seien zunächst weiter anwendbar, erlaubte das Verfassungsgericht. Bis 30. Juni 2016 müsse dennoch eine Neuregelung her. Denn das Gericht hatte gleichwohl Verfassungsverstöße im aktuellen Recht moniert. Und aus dem Bundesfinanzministerium war schon zu hören, bis Mitte nächsten Jahres jeden Erbschaftssteuerbescheid bei Unternehmen nur vorläufig zu erteilen. Das schaffe Unsicherheit, sagt etwa der Maschinenbauverband, der eine überwiegend mittelständische Mitgliedschaft vertritt. Ralph Wiechers, der Chefvolkswirt des Branchenverbandes:
    "Das Problem ist: Es ist nun schon die dritte Reform seit 1995, die hier auf uns zukommt. Das heißt: Die Unternehmen, die ohnehin schon in den letzten Jahren ohne jede Rechtsklarheit ihre Erbfälle regeln mussten, werden weiterhin vor der Situation stehen, das heißt, sie haben keine Planungssicherheit."
    Unterscheidung zwischen kleineren und mittleren Unternehmen schwierig
    Hinzu kommt, dass jetzt schon Zweifel wachsen, ob auch das auf das heutige Urteil hin reformierte Recht verfassungsfest sein wird. Denn die Richter haben heute gesagt: Ja, kleine und mittlere Unternehmen dürften bei der Erbschaftssteuer privilegiert werden, größere aber in der Regel nicht. Das sei unverhältnismäßig. Aber wo endet der Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen, wo beginnt groß? Und misst man das am Umsatz, an den Arbeitsplätzen, am Gewinn? Hier könnten neue Ungleichheiten entstehen und damit neue Fragen nach der Verfassungsmäßigkeit.
    Außerdem verlangte das Bundesverfassungsgericht heute, dass größere Unternehmen zwar weiterhin von der Erbschaftssteuer befreit werden könnten, diese "Verschonungsbedürftigkeit" aber nachweisen müssten. Auch das kann man sich in der Wirtschaft in der Praxis nur schwer vorstellen. Zumal auch Banken gerne sehen, wenn ihre Unternehmenskunden ihr Geld im Unternehmen belassen können. Commerzbanker Beckmann über die Erbschaftssteuer:
    "Das gefährdet leider Gottes sehr viele Unternehmen, nicht in ihrer kompletten Existenz. So weit würde ich gar nicht gehen, aber doch in der Innovationskraft. Denn es geht dadurch Geld verloren, das die Unternehmen sonst für Produkte, für Innovationen, für Wachstum können und was sie jetzt reservieren müssen sozusagen für die Zahlung von Steuern. Da wird die Finanzierungskraft möglicherweise einschränken."
    Die Steuerabteilungen der Unternehmen fragen sich auch, wie viel Verwaltungsaufwand auf sie zukommt bei einem zumindest bisher doch sehr übersichtlichen Steueraufkommen.