Im deutsch-jüdischen Themen - respektive Minenfeld herrscht meist eine Bauweise aus Stahlbeton vor: Wuchtig und schwer stehen die Texte auf dem ehernen Fundament der Zeitgeschichte. Binnie Kirshenbaum errichtet dagegen einen Roman in Ständerholzbauweise: Ein luftiges Gerüst, das genügend Leerstellen für ironisches und historisches Material bietet, vielleicht nicht bis in alle Ewigkeiten hält, dafür aber die Rezeptionsbereitschaft des Publikums nicht überstrapaziert. Man spaziert in eine leicht überdrehte Liebesgeschichte über einen Pascha und seine Bewunderin hinein, um dann doch beim Unausweichlichen anzukommen: Obwohl Hester Rosenfeld sich nie als Opfer des Holocaust begriff - ihre Eltern stammen aus Deutschland -, beginnt sie unwillkürlich, in der Biographie des Geliebten nach Verdachtsmomenten zu suchen. Unverstrickte Deutsche, so das Paradigma, kann es in der Generation seiner Eltern nicht gegeben haben. Auch wenn sie nichts findet, genügt die Perspektive ihrer Notizen schon, den großen Krach heraufzubeschwören. Als Heinrich Falk eines Nachts die Aufzeichnungen über sich selbst liest, fühlt er sich missverstanden, fehlinterpretiert, grotesk überzeichnet. Statt das auf den Doppelstatus der Protokollantin als Geliebte und Beobachterin zu schieben - ein Spagat, der nicht glücken kann -, geht das Wortgefecht innerhalb weniger Sätze in einen stereotypen, deutsch-jüdischen Schlagabtausch über: er der Geschichtsleugner, sie die geltungssüchtige Jüdin. Danach ist nichts mehr wie zuvor, und man kann sich das Finale des Buches ausmalen. Dass beim Leser dennoch keine Enttäuschung übrigbleibt, liegt an der warmen Herzlichkeit, mit der Binnie Kirshenbaum ihren Figuren Gerechtigkeit widerfahren lässt: Sie sind, wie sie sind, unperfekt und mit Macken behaftet - Intellektuelle eben bei ihrer Arbeit am Beziehungschaos.
Entscheidungen in einem Fall von Liebe
Zwischen Deutschen und Amerikanern herrscht eine special relationsship , zwischen Männern und Frauen ebenfalls. Taucht dann noch ein jüdisches Element auf, sind Irrungen und Wirrungen unausweichlich. So bei Hester Rosenfeld, New Yorker Historikerin mit Interesse am europäischen Mittelalter. Ihre eigene, amerikanische Geschichte erscheint ihr nach mehreren Studienprojekten zu eindimensional - nur die Jahrtausende umfassende Vergangenheit des alten Europas vermag sie noch zu locken. Auf Anraten eines Kollegen wendet sie sich an einen Münchner Mediävisten, der ihr bei der Auswahl des Themas behilflich sein könne. In Bayern angekommen, trifft sie der Blitz - nicht der Erkenntnis, sondern der Liebe. Dieser blonde Womanizer namens Heinrich Falk, der nur Assistentinnen um sich schart, viermal verheiratet war mit drei Frauen - woraus sich nach Adam Riese ergibt, dass er eine Frau zweimal ehelichte -, dieser höchst attraktive Mittfünfziger sucht nämlich gerade eine Geliebte. Die letzte kam ihm zwischen Euphorie und Gewöhnung abhanden, was sein seelisch-erotisches Gleichgewicht empfindlich störte.
Im deutsch-jüdischen Themen - respektive Minenfeld herrscht meist eine Bauweise aus Stahlbeton vor: Wuchtig und schwer stehen die Texte auf dem ehernen Fundament der Zeitgeschichte. Binnie Kirshenbaum errichtet dagegen einen Roman in Ständerholzbauweise: Ein luftiges Gerüst, das genügend Leerstellen für ironisches und historisches Material bietet, vielleicht nicht bis in alle Ewigkeiten hält, dafür aber die Rezeptionsbereitschaft des Publikums nicht überstrapaziert. Man spaziert in eine leicht überdrehte Liebesgeschichte über einen Pascha und seine Bewunderin hinein, um dann doch beim Unausweichlichen anzukommen: Obwohl Hester Rosenfeld sich nie als Opfer des Holocaust begriff - ihre Eltern stammen aus Deutschland -, beginnt sie unwillkürlich, in der Biographie des Geliebten nach Verdachtsmomenten zu suchen. Unverstrickte Deutsche, so das Paradigma, kann es in der Generation seiner Eltern nicht gegeben haben. Auch wenn sie nichts findet, genügt die Perspektive ihrer Notizen schon, den großen Krach heraufzubeschwören. Als Heinrich Falk eines Nachts die Aufzeichnungen über sich selbst liest, fühlt er sich missverstanden, fehlinterpretiert, grotesk überzeichnet. Statt das auf den Doppelstatus der Protokollantin als Geliebte und Beobachterin zu schieben - ein Spagat, der nicht glücken kann -, geht das Wortgefecht innerhalb weniger Sätze in einen stereotypen, deutsch-jüdischen Schlagabtausch über: er der Geschichtsleugner, sie die geltungssüchtige Jüdin. Danach ist nichts mehr wie zuvor, und man kann sich das Finale des Buches ausmalen. Dass beim Leser dennoch keine Enttäuschung übrigbleibt, liegt an der warmen Herzlichkeit, mit der Binnie Kirshenbaum ihren Figuren Gerechtigkeit widerfahren lässt: Sie sind, wie sie sind, unperfekt und mit Macken behaftet - Intellektuelle eben bei ihrer Arbeit am Beziehungschaos.