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Enttäuscht von der Supermacht

Die USA galten in Polen lange als Ort der Verheißung - und als verlässlicher politischer Partner. Besonders in den 1980er-Jahren verließen viele Polen das Land Richtung Westen. Doch mittlerweile haben Menschen und Politik das Vertrauen in den einstigen Verbündeten verloren.

Von Florian Kellermann | 08.02.2013
    Tomasz Kaplinski sitzt entspannt im Cafe eines Einkaufszentrums und nippt an seiner Tasse. Neben ihm läuft ein künstlicher Wasserfall, über ihm prangt eine gläserne Kuppel. Hier fühlt sich der 54-jährige polnische Beamte wohl.

    "Für mich ist das nichts Neues. Ich habe in den USA gearbeitet, wo diese Shopping Malls herkommen. Ich war dort Stock-Man, so eine Mischung aus Lagerverwalter und Verkäufer. Eine schöne Zeit, ich erinnere mich gerne. Gut, dass es solche Zentren jetzt auch bei uns gibt."

    Tomasz Kaplinski war in den 1980er-Jahren in den USA, damals zog es viele Polen über den Atlantik. Wer zurückkehrte, brachte ein kleines Vermögen mit - gemessen an den damaligen polnischen Preisen - und ein bisschen amerikanischen Lebensstil. So gibt es in Warschau heute nicht nur an allen Ecken und Enden Shopping Malls - die Stadt hat auch die meisten bewachten Wohnsiedlungen in Europa.

    Aber die Zeiten, als die Polen kritiklos zum großen Partner USA aufblickten und ihm nacheiferten, sind inzwischen vorbei. Nur noch jeder dritte Pole wünscht sich eine weltweite Führungsrolle für die Supermacht - deutlich weniger als im EU-weiten Durchschnitt. Die Polen haben das Vertrauen verloren, sagt Tomasz Kaplinski.

    "Das hat mit dem zweiten Irak-Krieg vor zehn Jahren begonnen. Polen hat sich beteiligt und ist dafür von Washington gelobt worden. Aber gebracht hat es uns nichts. Die Rüstungsaufträge gingen alle an US-Firmen, unsere Hoffnungen waren letztendlich nur Illusionen."

    Die Polen schmerzen dabei nicht so sehr die entgangenen Einnahmen. Sie fühlen sich einfach nicht ernst genommen. Wichtigstes Indiz dafür ist, dass sie immer noch ein Visum brauchen, um in die USA zu reisen. Seit vielen Jahren bemühen sich polnische Politiker um eine Geste aus Washington - zuletzt Präsident Bronislaw Komorowski im vergangenen Herbst bei seinem Besuch dort. Sein Berater Roman Kuzniar erklärte:

    "Das belastet unsere Beziehungen. Es ist für uns nicht akzeptabel, dass die USA völlig willkürlich entscheiden, wer einreisen darf. Schließlich sind wir einer der engsten Verbündeten! Schon beim ersten Treffen der Präsidenten hatte Obama Komorowski versprochen, sich um die Sache zu kümmern. Daran müssen wir ihn immer wieder taktvoll erinnern."

    Das Image der USA litt auch darunter, dass sie für polnische Arbeitsemigranten nicht mehr so attraktiv sind. Wer ein paar Jahre lang im Ausland Geld verdienen möchte, der geht heute eher nach Großbritannien, Holland oder Deutschland. Die meisten Polen fühlen sich wohl in der Europäischen Union. Der Beitritt liegt nun neun Jahren zurück. Viele junge Menschen interessieren sich deshalb gar nicht mehr für die USA.

    Auch die polnischen Politiker verlassen sich immer weniger auf den großen NATO-Partner. Unter dem Präsidenten George W. Bush wollten die USA in Polen einen Raketenschild installieren. Er sollte Nordamerika abschirmen, und dabei gleichzeitig Polen schützen. Obama hat diese Pläne ad acta gelegt und ein neues Konzept angekündigt. Auch in Obamas Raketen-System soll Polen eingebunden werden - ab 2018, aber darauf könne sich Warschau nicht verlassen, so der ehemalige Vize-Außenminister Witold Waszczykowski.

    "2018 ist Obama gar nicht mehr im Amt. Wer weiß, vielleicht wird auch der nächste Präsident das Projekt seines Vorgängers aufgeben, um sich in irgendeinem globalen Konflikt mit Russland zu verständigen."

    Deshalb holte das polnische Verteidigungsministerium nun wieder alte Pläne hervor und denkt über ein eigenes Abwehrsystem nach.

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    Der Wandel im polnisch-amerikanischen Verhältnis - Teil 1: Die transatlantischen Beziehungen nach 9/11