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Enttäuschte Hoffnungen

Mehr als 3000 illegale Einwanderer aus Westafrika sind in den vergangen drei Wochen via Mauretanien auf die Kanarischen Inseln gekommen. Vor diesem Hintergrund verschärft sich die innenpolitische Debatte in Spanien: Die Opposition wirft der Regierung vor, mit der Legalisierung Tausender von Zuwanderern falsche Hoffnungen geweckt zu haben. Hans-Günter Kellner berichtet aus Madrid.

21.03.2006
    Einmal angekommen wird der Traum Europa für viele Afrikaner zum Alptraum. Spanien hat die Kontrollen gegen Schwarzarbeit erheblich verstärkt, saftige Geldstrafen drohen Unternehmern, die Ausländer ohne Arbeitsgenehmigung beschäftigten. Diese Erfahrung hat auch Maurcie Dziyo aus Kamerun gemacht, der schon vor zwei Jahren nach Fuerteventura kam. Er schläft in Herbergen oder Parks und sucht unter Tarif bezahlte Gelegenheitsjobs auf dem Bau:

    "Ich kann wirklich niemandem raten, in diesen Booten hierher zu kommen, zum einen, weil es wirklich sehr gefährlich ist. Aber es ist auch sehr schwer, hier Arbeit zu finden. Damit rechnen die Leute nicht, wenn sie kommen."

    Unterdessen besuchte eine spanische Regierungsdelegation am Wochenende die Kanarischen Inseln. Jeder, der illegal auf die Inseln komme, werde wieder nach Mauretanien abgeschoben, bemühte sich Vizeregierungschefin Maria Teresa Fernández de la Vega um verbale Abschreckung. Der spanischen Regierung weht wegen ihrer Einwanderungspolitik ein rauer Wind ins Gesicht. Oppositionssprecherin Ana Pastor wirft ihr vor, die Schwarzafrikaner regelrecht ins Land gerufen zu haben:

    "Die sozialistische Regierung mit ihrer katastrophalen Einwanderungspolitik ist politisch verantwortlich. Die massive Legalisierung hat die Schlepperbanden auf Spanien aufmerksam gemacht. Sie hat die Probleme nicht gelöst, sondern geschaffen."

    Es geht um eine im Sommer abgeschlossene Legalisierungskampagne, mit der rund 600.000 zuvor illegal in Spanien lebende Einwanderer Papiere bekommen hatten, und die bereits damals von zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten kritisiert wurde. Hilfsorganisationen, die bereits seit Jahren Einwanderern betreuen, bezweifeln jedoch den so genannten "efecto llamada", den Anziehungseffekt der spanischen Einwanderungspolitik. Antonio Freire kennt als Ordensmitglied der Barmherzigen Brüder die Flucht vor der Armut aus erster Quelle. Er hat jahrzehntelang in Afrika gearbeitet und leitet die Organisation Karibu, eine der Anlaufstellen für Schwarzafrikaner in Madrid.

    "Die, die jetzt aus Mali oder Guinea-Conakry kommen, können zu Hause einfach nicht mehr leben. Es sind Landarbeiter, die auf Grund der Dürre dort weg mussten. Früher haben sie ihr Glück in Nachbarländern wie der Elfenbeinküste gesucht, aber dort kann man heute ja auch nicht mehr leben. Sie wissen nicht wohin. Ihr Ziel ist oft gar nicht Spanien, sondern zunächst die nächste Stadt. Dann bietet sich die Möglichkeit zur Überfahrt. Dass sie nicht in Dänemark ankommen liegt nur daran, dass dort keine Flüchtlingsboote hin fahren."

    Ursprünglich wollte Karibu die Schwarzafrikaner juristisch beraten, doch im Grunde kann auch der Mönch mit den hochgekrempelten Ärmeln nicht viel mehr tun, als Kleidung zu verteilen und Herbergen zu organisieren. Es gibt seit der Legalisierungskampagne für Schwarzafrikaner keine Möglichkeit mehr, ihren Aufenthalt in Spanien zu legalisieren, und somit gibt es auch keine legale Arbeit. Die meisten leben auf der Straße. Freire sieht nur eine einzige Lösung:

    "Das alles passiert nur, weil es für Schwarzafrikaner keinen einzigen legalen Weg gibt, einzuwandern. Es gibt in den meisten Staaten ja nicht mal Botschaften. Die spanischen Kontingente für Einwanderer richten sich fast ausschließlich an Lateinamerikaner. Die Leute in Afrika wenden sich an die Schlepper, weil sie keinen Ausweg sehen. Die 23.000 Einwanderer, die Spanien in diesem Jahr mit seinem Kontingent ins Land holen möchte, sollten aus Afrika kommen. Und Europa muss ähnlich verfahren."

    Und Freijo fordert auch Investitionspläne für Afrika, auch wenn davon eigentlich schon seit 30 Jahren die Rede ist. Die spanische Regierung sorgt sich unterdessen, bald könnten ganz andere Flüchtlingsschiffe vor den Stränden der Kanarischen Inseln auftauchen. Ein Vertreter der spanischen Zentralregierung erklärte gestern im spanischen Fernsehen:

    "Die Einwanderer kommen zur Zeit in kleinen Fischerbooten von der 1000 Kilometer langen Küste Mauretaniens. Wir haben aber Informationen, dass Schlepperbanden weiter südlich inzwischen ehemalige Fischerboote der sowjetischen Hochseeflotte aufkaufen. Man muss davon ausgehen, dass diese Schiffe künftig im Menschenschmuggel eingesetzt werden."