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Enttäuschte Zuneigungen

Niedersachens Ministerpräsident David McAllister galt lange Zeit als heimlicher Grünen-Fan. Mit Grünen-Chef Wenzel traf sich der CDU-Mann hie und da auf ein Bier. Doch im Schatten der Wulff-Affäre ist das Verhältnis merklich abgekühlt. Ein schwarz-grünes Bündnis scheint inzwischen unmöglich. Beinahe.

Von Susanne Schrammar | 10.01.2013
    Wenzel: "Wir machen keinen Wahlkampf, um den amtierenden Ministerpräsidenten an der Macht zu halten, sondern wir machen Wahlkampf um ihn abzulösen, und wir stehen auch nicht zur Verfügung als Steigbügelhalter für den amtierenden Ministerpräsidenten."

    McALLISTER: "Die sind ja so am Ende, die Grünen. Also, ich bin mal gespannt, ob in der nach unten offenen Skala wir in den nächsten Tagen noch weitere Tiefschläge erwarten – die haben Sie doch nicht mehr alle!"

    Man könnte es als Wahlkampfgetöse abtun, wenn sich Stefan Wenzel, grüner Spitzenkandidat in Niedersachsen und CDU-Ministerpräsident David McAllister in diesen Tagen öffentlich anfeinden. Zum größten Teil ist es das sicher auch, denn die politische Marschrichtung, die dem Wähler vermittelt werden soll, ist klar: Rot-Grün will Schwarz-Gelb am 20. Januar stürzen. Da sind Nettigkeiten fehl am Platz. Doch ein kleines bisschen könnte beim öffentlichen Schlagabtausch hier auch enttäuschte Zuneigung eine Rolle spielen. Zumindest bei David McAllister. Der schien lange Zeit als klammheimlicher Grünen-Fan. Obwohl die Koalition mit der FDP in Niedersachsen reibungslos lief, schien der Regierungschef einem Flirt mit den Grünen nicht abgeneigt.

    "Wir wollen klar stärkste Kraft werden, und wir möchten am liebsten mit der FDP unsere gute und bewährte Arbeit in Niedersachsen fortsetzen. Die Grünen haben in Niedersachsen entschieden, dass sie von vorne herein mit der CDU nicht sprechen würden, nicht sprechen wollen, haben das auf ihrem Landesparteitag beschlossen. Dann ist das so. Ich laufe den Grünen nicht hinterher."

    Rückblick 2009: Zum Abschiedsfest für den scheidenden Grünen-Landesvorsitzenden ist auch David McAllister eingeladen, damals noch CDU-Fraktionschef im Landtag und Landesparteivorsitzender. Seine launige Rede an diesem Abend lässt einige aufhorchen, denn darin lobt er die Grünen als "Premium-Opposition". Dort, wo CDU und Grüne in Kommunen zusammenarbeiteten, höre er "nur Gutes", lässt McAllister die Zuhörer wissen. Anderthalb Jahre später wird Christian Wulff Bundespräsident und sein Schützling folgt ihm als Ministerpräsident. Nach und nach überrascht der mit grünen Positionen: So gehört McAllister nach Fukushima zu den emsigsten Verfechtern der Energiewende. In der Asylpolitik weicht er den bislang harten niedersächsischen Flüchtlingskurs der CDU auf und selbst beim jahrzehntelangen Streitthema Gorleben macht der Ministerpräsident einen Riesenschritt auf die Grünen zu, indem er den Salzstock indirekt für nicht-geeignet erklärt.

    "Die deutsche Politik hält bisher am Prinzip fest, der Atommüll müsse nicht-rückholbar endgelagert werden. Wir bitten als Niedersachsen, dieses Kriterium kritisch zu überprüfen, ob nicht die Rückholbarkeit doch eine Option sein könnte. Wenn die Rückholbarkeit ein ganz entscheidendes Kriterium wird, dann scheidet Salz als Endlagermedium wohl aus. Und damit eben auch Gorleben."

    Und die Grünen? Die greifen den Ministerpräsidenten während seiner bislang zweieinhalbjährigen Amtszeit zwar pflichtschuldig immer wieder im Parlament an - Oppositionsgeschäft. Doch rund die Hälfte der bisherigen grünen Fraktionsmitglieder gilt als pragmatisch und schwarz-grünen Bündnissen grundsätzlich nicht abgeneigt. Vor allem Fraktionschef Stefan Wenzel pflegt über lange Zeit ein erstaunlich gutes Verhältnis zu McAllister. Die beiden Männer duzen sich, treffen sich ab und an auf ein Bier. CDU und Grüne wandeln auf Freiersfüßen. Doch dann kommt die Wulff-Affäre. Wenzel schlüpft in die Rolle des Chefaufklärers und nimmt dabei auch die Regierung McAllister scharf ins Visier.

    "Sie haben allenfalls ein Drittel unserer Fragen formal beantwortet, im Kern verweigern Sie die Aufklärung."

    Als Wenzel McAllister dann im Landtag sogar einen Lügner nennt, kühlt das Verhältnis merklich ab. Als der grüne Fraktionschef später fordert, ausgerechnet den an Alzheimer erkrankten ehemaligen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht im Gorleben-Untersuchungsausschuss vorzuladen, schlagen bei der CDU in Niedersachsen Wellen der Empörung hoch. Endgültig zerstört wird die zarte schwarz-grüne Bande dann im Frühjahr vergangenen Jahres. Bei der Listenaufstellung für die jetzt anstehende Landtagswahl setzen sich überwiegend Grüne durch, die dem linken Lager zuzuordnen sind, die gemäßigten Pragmatiker haben das Nachsehen. Jetzt geben bei den niedersächsischen Grünen Politiker wie der Holzmindener Christian Meyer den Ton an. Mit seinem lautstarken Feldzug gegen Massentierhaltung und Agrarindustrie ist der landwirtschaftliche Fraktionssprecher für viele Konservative im ländlich geprägten Flächenland ein rotes Tuch.

    "Weil wir ihnen natürlich auch Stimmen wegnehmen, weil sie merken, gerade im bürgerlichen Bereich dringen wir ein mit den Themen Landschaftsschutz, Naturschutz, etwas Wertkonservatives, eine Bewahrung von bäuerlicher Landwirtschaft, da dringen wir in ihr Segment ein, und deshalb sind wir natürlich – und ich als Person – verhasst bei der CDU, und deshalb versuchen sie diese alte Kampagne: Wenn die Grünen drankommen, geht das Agrarland Niedersachsen unter."

    Nach dem Linksruck der Partei scheint ein schwarz-grünes Bündnis in Niedersachsen unmöglich. Vor allem die von den Grünen geplante Wiedereinführung der Vermögensteuer und die Verdopplung der Erbschaftssteuer lehnt die CDU kategorisch ab. Die Grünen interessiert das nicht, der Landesverband hat sich klar für Rot-Grün entschieden. Doch am Ende könnte die bundespolitische Großwetterlage noch eine Rolle spielen. Nach Steinbrücks erneuten Patzern denken manche Grüne über einen Plan B für den Bund nach. Und der könnte am Ende dann doch auf Schwarz-Grün hinauslaufen. Vielleicht auch schon in Niedersachsen?