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Entwicklungshilfe-Finanzierung
"Hier muss noch mehr Geld fließen"

Die Ergebnisse der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung seien zu unkonkret, kritisierte Bernd Bornhorst vom Dachverband der deutschen entwicklungspolitischen Organisationen im DLF. Um den nächsten Klimagipfel in Paris erfolgreich bestreiten zu können, brauche es dringend mehr Geld.

Bernd Bornhorst im Gespräch mit Jule Reimer | 17.07.2015
    Ausgetrockneter Boden
    Ausgetrockneter Boden: Um klima- und entwicklungspolitische Ziele realisieren zu können, brauche es drinend mehr Geld, fordert Bernd Bornhorst im DLF. (AFP PHOTO / Nelson Almeida)
    Jule Reimer: Gestern berichteten wir schon über die Schwierigkeiten ärmerer Entwicklungsländer, an Einnahmen heranzukommen, um nachhaltige Entwicklungspfade zu finanzieren. Das geschah anlässlich der zu Ende gegangenen UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung im äthiopischen Addis Abeba. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon lobte das Konferenzergebnis gestern als wichtigen Schritt vorwärts, eine nachhaltige Zukunft für alle zu bauen, sie schaffe einen globalen Rahmen zur Finanzierung nachhaltiger Entwicklung. Das sagt auch die deutsche Lobbyorganisation Germanwatch, die viel zum Thema Klimawandel arbeitet. Bernd Bornhorst ist Vorstandsvorsitzender von Venro, dem Dachverband der deutschen entwicklungspolitischen Organisation. Sie sehen das anders als Germanwatch und Ban Ki-moon – warum?
    Bernd Bornhorst: Wenn ich UNO-Generalsekretär wäre, würde ich natürlich auch mit Optimismus an die Sache rangehen, aber im Prinzip haben wir natürlich in den Abschlusserklärungen und den Aktionsplänen, die jetzt beschlossen worden sind, nur die Wiederholung der Versprechen, die wir bisher auch schon kannten, sprich mehr Geld für Entwicklungszusammenarbeit, mehr Geld für Klimaanpassungsmaßnahmen, ohne jegliche Untermauerung mit konkreten Finanz- oder Zeitplänen. Insofern kann man Zweckoptimist sein, aber ich denke, unsere Aufgabe ist auch, darauf hinzuweisen, dass es hier viel konkreter und klarer werden muss, um die nächsten Konferenzen, die anstehen, zum Erfolg zu führen.
    Reimer: Es geht unter anderem um 100 Milliarden Dollar, die ab 2020 pro Jahr bereitstehen sollen, um Klimafolgen abzuschwächen, Klimaerwärmungsfolgen abzuschwächen, die Anpassung zu erleichtern, aber auch die G7-Staaten haben ja angekündigt, sie würden also weiter Geld in diesen Topf einzahlen, und es ist ja noch ein bisschen Zeit bis 2020.
    Bornhorst: Bis 2020 ist es sicher Zeit, aber das Geld soll ja nicht 2020 zur Verfügung stehen, sondern wir müssen jetzt anfangen bei den Anpassungsmaßnahmen. Es ist bisher ungefähr 20 Milliarden eingezahlt worden. Man muss sagen, dass die Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangegangen ist, aber es ist ein Zeichen der Glaubwürdigkeit, dass hoffentlich in den nächsten Monaten dann auch einige konkrete Zusagen kommen, denn umgekehrt ist die internationale Gemeinschaft ja auch darauf angewiesen, auch von den sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern Zugeständnisse zu bekommen, wenn die Verhandlungen, insbesondere die Klimaverhandlungen in Paris, zum Erfolg werden sollen. Insofern muss hier noch mehr Geld fließen, weil wir es dringend brauchen, gerade auch als Perspektive der ärmsten Menschen, aber auch weil es eine Erfolgsvoraussetzung ist für Verhandlungen.
    Reimer: Eine andere Möglichkeit ist eben, die Entwicklungshilfe zu ergänzen durch Eigenmittel, die Staaten, die Entwicklungsländer zu stärken darin, Eigenmittel zu beschaffen. Ist das gelungen? Das war ja mit ein Ziel dieser Konferenz.
    Bornhorst: Aus der Perspektive der meisten Nicht-Regierungsorganisationen und der G77-Länder, also der Entwicklungsländer, ist dieses überhaupt nicht gelungen, sondern war die größte Enttäuschung, an der ja die Verhandlungen auch fast gescheitert wären, denn da wird ja seit Jahren aus unserer Perspektive zu Recht gefordert, dass wir auf UN-Ebene eine Steuerkommission brauchen, die vor allen Dingen verhindert, dass es weiterhin zu Steuerflucht und illegalen Abflüssen kommen kann, damit die Entwicklungsländer vor Ort tatsächlich durch eigene Wirtschaftsmittel in der Lage sind, ihre Entwicklung voranzutreiben, aber da haben sich ja die OECD-Länder letztendlich durchgesetzt und wollen das weiterhin in ihrem kleinen Club organisieren.
    Reimer: Die Rolle der Privatwirtschaft soll auch gestärkt werden – wie sehen Sie das?
    Bornhorst: Das ist so ein bisschen das Allheilmittel, was die Politik jetzt vor sich hertreibt, um die Mittel zu generieren, die sie selber nicht auf den Tisch gelegt haben. Natürlich ist Wirtschaft, sind privatwirtschaftliche Mittel wichtig, aber natürlich gehen diese auch zunächst mal mit einer gewissen Gewinnabsicht dann in ihre Investitionen. Und da ist halt das Problem, dass oft nichts in die Sektoren gelenkt wird, die die ärmsten der Armen sind, und das zweite Problem ist natürlich, dass wir verbindliche Standards brauchen, dass solche Privatinvestitionen Menschenrechte und sozial-ökologische Kriterien im Blick haben, und auch da scheut sich die Politik ja vor verbindlichen Regeln zurück. Insofern muss man da ein bisschen aufpassen, ehe das hohe Lied der Privatwirtschaft gesungen wird, ohne die strukturellen Dimensionen da mit zu bedenken.
    Reimer: Bernd Bornhorst war das, Vorstandsvorsitzender beim Verband entwicklungspolitische Organisationen zu UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba. Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.