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Entwicklungsländer
Nicht nur private Schulen fördern

Kleine Projekte, die sich für Schulen in Entwicklungsländern einsetzen, sind ehrenwert. Allerdings könne das Engagement schnell in die falsche Richtung gehen, sagte Dorothea Schönfeld von der Kindernothilfe im Deutschlandfunk. Wichtig sei, dass eine Initiative "zum Bildungssystem insgesamt beiträgt."

Dorothea Schönfeld im Gespräch mit Sandra Pfister | 28.11.2014
    Sandra Pfister: Der Verein Schulbank aus Havixbeck, eine kleine Initiative, wie wir gerade gehört haben, die Geld auftreibt für Patenschaften, damit Kinder in Tansania Privatschulen besuchen können, das ist eine sehr ehrenwerte Sache, privates Engagement für Kinder, die sonst keine Schule oder vielleicht nur eine schlechte besuchen könnten. Wir in der Redaktion haben uns gefragt: Würde es in Entwicklungsländern helfen, wenn es mehr solcher Initiativen gäbe? Ist das dasselbe in klein, was die klassische Entwicklungshilfe im Bildungsbereich macht? Und danach fragen wir jetzt Dorothea Schönfeld von der Kindernothilfe, guten Tag, Frau Schönfeld!
    Dorothea Schönfeld: Ja, guten Tag!
    Pfister: Frau Schönfeld, Sie kennen sich ja aus in Bildungsprojekten in der Entwicklungszusammenarbeit. Bringen aus Ihrer Sicht solche kleinen Initiativen etwas?
    Schönfeld: Das kann man so pauschal nicht sagen. Ich denke, das ist viel davon abhängig, inwiefern die entsprechende Initiative auch in die Dorfgemeinschaft oder insgesamt in die Gesellschaft eingebettet ist. Das ist immer ein schönes Wort mit der Hilfe zur Selbsthilfe, aber ich denke, dass das nur funktioniert, wenn es wirklich eine Verantwortung dafür gibt in den Gemeinschaften, in denen das Projekt angesiedelt ist. Und was ich auch wichtig finde, ist, dass die Nachhaltigkeit eines Projekts immer im Blick behalten werden muss. Also, es geht darum, dass das Projekt auch dann überleben muss oder auch dann erfolgreich ist, wenn kein Geld mehr kommt aus dem Westen oder wenn sozusagen keiner mehr regelmäßig hinkommt und das Projekt überprüft. Und das ist, glaube ich, genau der Punkt, wo sich viele kleinere Initiativen unterscheiden von größeren Organisationen mit ihren Strukturen und Monitoring und dann Überprüfung, weil genau dort immer geschaut werden kann, dass auch diese Strukturen so weit in das staatliche System integriert sind. Letztendlich ist noch das letzte Kriterium, dass man sich immer fragen sollte: Profitiert letztendlich die gesamte Gesellschaft von dem Projekt oder ist das nur eine Elite, was dann im schlimmsten Fall noch Neidgefühle oder Abhängigkeiten hervorruft.
    Pfister: Jetzt im konkreten Fall dieses Projektes, was halten Sie davon, kann es da funktionieren?
    Schönfeld: Also, ich finde es erst mal richtig, dass überhaupt in Bildung investiert wird. Aber ich denke, dass in diesem konkreten Fall dann doch noch einige ... also aus meiner Perspektive einige kritische Punkte zu nennen sind. Der erste Punkt, den ich hier erwähnen möchte, ist, dass die Zusammenarbeit mit privaten Schulen oder ausschließlich privaten Schulen etwas kritisch zu bewerten ist. Denn so, wie das Projekt aussieht, werden noch nicht mal alle Gebühren von den Eltern weggenommen, sondern nur reduziert. Und das heißt, dass man dann doch indirekt wieder Kinder fördert von Eltern, die sich zumindest diese Minimalform leisten können. Das ist sozusagen der erste kritische Punkt, den ich sehe. Als Zweites finde ich auch schwierig, dass gesagt wurde, dass 100 Prozent der Mittel ankommen. Aber man muss doch sagen, dass sich zeigt bei vielen Entwicklungshilfeorganisationen, dass es doch einen gewissen Aufwand oder gewisse Gelder braucht, um die Verwaltung in Gang zu halten für solche Projekte, oder für das Monitoring, dass die Finanzen auch wirklich sinnvoll verwendet werden, um dann eben so Spendenskandale auch zu vermeiden.
    "Das Bildungssystem insgesamt stärken"
    Pfister: Wichtige Punkte, die Sie da angesprochen haben. Ich komme gerade noch mal auf die Privatschule zurück. Welchen Effekt hat es denn auf die allgemeinen Schulen, die öffentlichen, wenn da die Privatschulen gepusht werden? Wäre es sinnvoller - aus Ihrer Perspektive - zu sagen, wir fördern die staatlichen Schulen?
    Schönfeld: Ich denke, das ist genau die Richtung, die viele Organisationen, auch die staatliche Entwicklungszusammenarbeit geht, dass man sagt, man muss das Bildungssystem insgesamt stärken. Denn die reichen Gruppen oder die, sagen wir mal, bildungsbürgerlichen Gruppen eines Landes haben oft selbst die Mittel, die Bildung auch zu finanzieren oder unterstützen das sowieso noch. Und wenn dann nur die privaten Schulen gefördert werden, kann es oft passieren, dass die staatlichen Schulen zu sogenannten Auffangbecken für die Armen werden und dass der Staat sich dann im schlimmsten Fall auch noch der Pflicht entbunden fühlt, dann auch für das staatliche Schulsystem mehr zu tun.
    Pfister: Wie sieht denn moderne Entwicklungshilfe im Bildungsbereich heute überhaupt aus optimalerweise?
    Schönfeld: Da kann man sagen, dass in den letzten Jahren insgesamt der Fokus abgerückt ist von so reinen Zugangsraten – also, wie viele Leute sind in welchem Land in welcher Schule – hin zu mehr Qualität, zu dem, was eigentlich in der Schule passiert oder um die Schule rings herum. Ich kann da mal ein Beispiel nennen: Was wichtig ist in vielen Ländern des Südens, gerade in Afrika, dass dort einfach eine wahnsinnig hohe HIV-/AIDS-Ansteckungsrate immer noch vorherrscht und dass auch viele Kinder in Haushalten wohnen, die teilweise von den Geschwistern geführt werden. Das heißt, Bildung in diesen Ländern muss dann eben auch diese spezielle Lebenssituation in den Blick nehmen. Da geht es darum, Gesundheit aufzuklären, Hygienevorschriften beizubringen, auch die Kinder zu stärken in ihrer Persönlichkeit.
    Große Organisationen mit größerem Einfluss
    Pfister: Das ist so ein Plädoyer für einen etwas ganzheitlicheren Blick, statt nur auf Beschulung zu gucken?
    Schönfeld: Ja, genau.
    Pfister: Wir sind gestartet von dem Ausgangspunkt aus, dass wir hier eine Privatinitiative hatten, die sich für Schüler einsetzt in Tansania, die eine Privatschule dann besuchen können. Nun gibt es ja viele Leute, die engagiert sind, die gerne was tun würden. Was würden Sie denen raten, wie sie sich für die Bildung von Kindern in Entwicklungsländern am besten einsetzen können?
    Schönfeld: Ich würde als Erstes genau überprüfen, ob diese jeweilige Initiative insgesamt nur punktuell fördert oder ob sie zum Bildungssystem insgesamt beiträgt. Und das kann man, glaube ich, oft über die Webseiten der verschiedenen Organisationen, die es da gibt, auch sehen. Und da denke ich, dass große Organisationen wie die Kindernothilfe und andere sicher besser aufgestellt sind, weil sie einfach mehr Kinder erreichen und auch größeren politischen Einfluss nehmen können.
    Pfister: Danke für diese Einschätzung! Dorothea Schönfeld war das von der Kindernothilfe über Entwicklungshilfe im Bildungsbereich und welchen Platz kleine, ehrenwerte Privatengagements darin haben. Danke Ihnen, Frau Schönfeld!
    Schönfeld: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.