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ePrivacy-Verordnung
Vertraulichkeit vs. Wirtschaftsinteressen

Europa setze globale Standards, jetzt beginne eine neue Ära des Datenschutzes, freuen sich Befürworter der neuen europäischen Datenschutzgrundverordnung. Ja und nein. Denn eigentlich sollte auch die ePrivacy-Verordnung neu geregelt werden - doch einige Mitgliedsländer bremsen.

Von Thomas Otto | 25.05.2018
    Geschäftsmann klickt auf einem Bildschirm den DGSVO-Button (Datenschutzgrundverordnung)
    Die Datenschutzgrundverordnung tritt in Kraft. Die EU-Staaten müssen die ePrivacy-Verordnung allerdings noch neu regeln (imago stock&people)
    Es geht um die Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation. Darum, dass wie und was wir kommunizieren ein besonders zu schützender Bereich unseres Lebens ist. Diese ePrivacy-Regeln sind 16 Jahre alt und müssen dringend dem Heute angepasst werden. Einer Welt mit Smartphones und Messenger-Diensten und personalisierter Werbung. Alles Dinge, die es so 2002 noch nicht gab. Das Problem: Die EU-Staaten können sich nicht einigen. Auch der Kommission reicht es nun langsam, erinnert Sprecherin Nathalie Vandystadt:
    "Vor zwei Wochen haben wir beim Gipfel in Sofia die Staats- und Regierungschefs ermahnt, hier Fortschritte zu erzielen. Wir haben sie aufgefordert, sich bis Ende des Jahres zu Einigen."
    Die Mitgliedsstaaten können sich nicht einigen
    Ende 2017 verständigte sich bereits das Parlament auf seine Version und wartet seitdem auf die EU-Staaten, um mit ihnen zusammen ein endgültiges Regelwerk abzustimmen. Die hingegen streiten immer noch, bemängelt Birgit Sippel von der SPD, die zuständige Berichterstatterin des Parlaments:
    "Es sind angeblich technische Fragen, wo man sich nicht klar ist, wie das Ganze ausgelegt werden soll. Mein Eindruck ist allerdings, dass diese technischen Fragen eher ein Vorwand sind, weil man generell diese Verordnung nicht umsetzen will. Aus welchen Gründen auch immer."
    Ein Grund könnte der aus Datenschutzsicht sehr ambitionierte Entwurf des EU-Parlaments sein. Danach soll das Tracking, also die Verfolgung und das Aufzeichnen des Nutzerverhaltens, nur noch unter expliziter Zustimmung erlaubt sein.
    Tracking wird verwendet, um Nutzern zielgenaue Werbung anzuzeigen. Wer schon mal im Netz nach einem Produkt gesucht hat, kennt den Effekt, plötzlich überall entsprechende Werbung angezeigt zu bekommen.
    Deutschland und Frankreich sollen zu den Bremsern gehören
    In Zukunft soll jeder in seinem Browser selbst einstellen können, ob Tracking erlaubt wird oder nicht - so die Idee des Parlaments. Julia Reda, Abgeordnete der Piraten im EU-Parlament, verteidigt den Vorschlag:
    "Gerade angesichts von den Skandalen um Facebook sollte es klar sein, dass die Regulierung von gezielter Werbung eigentlich ganz oben auf der Tagesordnung stehen müsste. Genau dieses Instrument brauchen wir, um für das Thema Tracking, für das Thema personalisierte Werbung höhere Standards und Hürden anzulegen als für Datenschutz im Allgemeinen."
    Aus dem EU-Parlament, aber auch von mit den Verhandlungen direkt betrauten Personen hört man: Frankreich und Deutschland seien die großen Bremser, die eine Einigung bisher verhinderten. Nachprüfen lässt sich das kaum, finden die Gespräche doch - anders als im Parlament - im Geheimen statt und geben Vertreter der Mitgliedsstaaten zu laufenden Verhandlungen vorm Mikrofon nur selten Auskunft.
    Und außerdem, erklärt die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff:
    "Ich habe es ja schon häufig genug erlebt, dass bei Gesetzgebungsvorhaben natürlich auch sehr stark Interessenverbände ihre Rechte geltend machen. Bei der ePrivacy-Verordnung ist das in extremster Weise erkennbar."
    Der Widerstand in der Wirtschaft ist groß
    Es tobt eine regelrechte Lobbyschlacht in Brüssel: Die Werbewirtschaft fürchtet Milliardenverluste, wenn Nutzer auf einmal selbst über Tracking entscheiden können. Das hat auch zahlreiche Verlage auf die Barrikaden gerufen, die ihrerseits Einnahmeverluste fürchten. Und auch manche Tageszeitung fühlt sich mittlerweile berufen, in dieses Horn zu stoßen. Droht also das Ende des Geschäftsmodells personalisierter Online-Werbung?
    "Wir sollten doch nicht mit Geschäftsmodellen, die den Datenschutz in eine Grauzone stellen, die Zukunft gestalten wollen in der digitalen Welt."
    …entgegnet die Datenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff.
    Sollte es tatsächlich bis Jahresende gelingen, eine Einigung bei der ePrivacy-Verordnung zu erzielen, dann könnte sie innerhalb von wenigen Wochen in Kraft treten. Solange gelten neue Datenschutzgrundverordnung und die uralten ePrivacy-Regeln parallel. SPD-Frau Birgit Sippel fürchtet:
    "Das kann in bestimmten Bereichen zu Verunsicherung führen, auch zu Rechtsunsicherheit."
    Heute treffen sich in Brüssel die Mitgliedsstaaten erneut zum Thema ePrivacy. Dann soll ein weiterer Versuch unternommen werden, wenigstens in Teilbereichen eine Einigung zu erzielen.