Donnerstag, 28. März 2024

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"Er ist wirklich ein stiller König gewesen"

Peter Fitz habe eine Schülervorstellung mit einem Satz in eine feierliche Stille versetzen können, sagt Claus Peymann, Intendant des Berliner Ensembles, über den im Alter von 81 Jahren verstorbenen Schauspieler. "Er konnte mit seiner Stimme tief in die Stücke und in die Figuren hineingehen."

Claus Peymann im Gespräch mit Katja Lückert | 10.01.2013
    Katja Lückert: Peter Fitz absolvierte seine Ausbildung in Hamburg, Erwin Piscator holte ihn 1960 nach Frankfurt am Main, Peter Stein brachte ihn später nach Berlin - Peter Fitz spielte an allen bedeutenden deutschsprachigen Bühnen. Bis vor etwa einem Jahr stand er am Berliner Ensemble als "Nathan der Weise" auf der Bühne. Claus Peymann, war er ein wenig prädestiniert für das ernste Fach?

    Claus Peymann: Ja, das ist klar. Er war halt ein wahnsinnig guter Sprecher. Er konnte mit seiner Stimme tief in die Stücke und in die Figuren hineingehen. Aber ich kenne ihn auch als einen wirklichen Komödianten und ich würde ihn da nicht festlegen. Aber es ist ihm wirklich gelungen als Nathan - das war ja die wichtigste Arbeit der letzten Jahre für ihn hier am BE -, dass er wirklich eine Schülervorstellung mit einem Satz in eine feierliche Stille versetzen konnte, und wenn dann die Ringparabel von ihm gespielt, gesprochen wurde, herrschte halt diese atemlose Faszination, die er ausstrahlen konnte. Ich habe, wenn man so zurückschaut, gedacht: Er ist wirklich ein stiller König gewesen. Jemand, der nichts aus sich gemacht hat, scheinbar ein kleiner Mann mit großer Stimme und enormer Intelligenz. Bescheiden. Ich kenne ihn ja wirklich von dieser Frankfurter Zeit an, ich habe ihn da in 'Tango' gesehen zusammen mit Kirsten Dähne, und über die vielen Jahrzehnte sind wir uns immer nahe gewesen und die letzten Jahre war er ja festes Ensemble-Mitglied bei uns hat mit Stein, Tabori, Bondi und mir und vielen anderen gearbeitet.

    Lückert: Bei Piscator sei er zu einem bewussten Schauspieler geworden, hat Peter Fitz einmal gesagt. Wie verstehen Sie das? War das der große Umbruch von Frankfurt nach Berlin?

    Peymann: Na ja, der Peter ist ein ganz besonders intelligenter Mensch gewesen, total sensibel, und war natürlich in der Schaubühne, in dieser ersten großen Zeit der Schaubühne, wo der Bruno Ganz und der Peter Fitz auch in einer gewissen Rivalität standen, da stand er scheinbar zurück. Aber er war doch dann wiederum auch der Sieger und mit ihm ist auch etwas von dieser Intelligenz und der Sprachmeisterschaft wieder verloren gegangen. Also wieder eine Stimme weniger, die sich auch gegen ein bestimmtes oberflächliches und veräußerlichtes Theater gewendet haben. Da hat er schon auch in einem guten Sinne Kunst und auch konservative Kunst gezeigt, und die hat mit Kopf und Vermögen zu tun und Können.

    Lückert: Was war er für ein Mensch? War er ein Perfektionist, oder wird ihm dieses Attribut unzulässigerweise zugesprochen?

    Peymann: Perfektionist, das streben wir ja alle an. Aber Peter war dann auch ein sehr - wie soll ich mal sagen? Er nahm sich selber nie ernst, er nahm sich selber nicht in die Mitte. Er hat das eigentlich immer wieder relativiert und gebrochen, wie das halt intelligente Menschen tun. Er ist kein Blender gewesen. Ich meine, in den letzten Jahren wurde es dunkel um ihn, als er mich dann bat, Du, Claus, Du weißt, der Nathan ist meine Herzensrolle, meine Lebensrolle, aber ich kann und will sie nicht weiter spielen. Ich habe ihn dann immer versucht aufzumuntern und er hat dann oft vom Tod gesprochen. Das haben wir alten Menschen so an sich, dass das vor uns steht. Aber er war jemand, der auch dann darüber wieder seine Witze riss. "Du siehst mich heute zum letzten Mal und so." Aber wenn dann wirklich der Tod jäh zum Abschied zwingt, dann breitet sich natürlich doch Trauer und Betroffenheit aus. Als ich das jetzt auf den verschiedenen Proben heute erzählt habe, eben in einer Bauprobe und vorher in meiner Probe zu "Kabale", dann ist immer Stille, wenn so ein Kollege, mit dem man so manche Schlacht geschlagen hat, wenn der weggeht. Und die Lücken werden größer: Jetzt ist vorige Woche Thomas Holtzmann gestorben in München, auch so ein Bruder im Geiste des Peter Fitz. Großartige Sprecher, die auch die Klassiker leuchten lassen und sie eben nicht mit blödsinnigen Verstärkern und Pop zusetzen, sondern er hat den ganzen Ernst und die ganze Feierlichkeit auch der großen Literatur verkörpern können wie kein zweiter.

    Lückert: Eine Traumrolle gäbe es für ihn nicht, hat Peter Fitz einmal gesagt, denn für ihn war es die gemeinsame gelungene Konstellation auf der Bühne, die zu Qualität führte. Haben Sie ihn als Regisseur in einer spezifischen Rolle, abgesehen jetzt vom Nathan, besonders gern gesehen?

    Peymann: Na ja, bei mir geht das ganz weit zurück. Es war sicher ein Augenblick großer Berliner Theatergeschichte, als Klaus Michael Grüber mit Bernhard Minetti und Peter Fitz den "Faust" gemacht hat in der alten Volksbühne Schaperstraße. Das sind halt so die Markierungspunkte der Nachkriegsgeschichte des Berliner Theaters. Dann die Gründung der Schaubühne. Das sind alles Stationen, die markieren dieses große Westberliner, jetzt dann Gesamtberliner Theater. Da ist der Peter Fitz einer wirklich der Protagonisten dieser großartigen Zeit und jetzt müssen wir Abschied nehmen. Jetzt ist das erloschen und jetzt ist es vorbei und wir denken an ihn.

    Lückert: Claus Peymann erinnerte an den Schauspieler Peter Fitz - vielen Dank.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Der Intendant des Berliner Ensemble, Claus Peymann
    Der Intendant des Berliner Ensemble, Claus Peymann. (AP)