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"Er war ein wunderbarer Partner"

Der Pianist Hartmut Höll erinnert sich an den verstorbenen Sänger Dietrich Fischer-Dieskau als neugierigen und wissbegierigen Menschen, der auch gemalt und geschrieben habe. Als Künstler habe ihn sein "Respekt vor dem Werk" ausgezeichnet.

Hartmut Höll im Gespräch mit Michael Köhler | 18.05.2012
    Michael Köhler: Zehn Jahre lang war der Pianist und Professor für Liedgestaltung, Hartmut Höll, Liedbegleiter von Dietrich Fischer-Dieskau, und ihn habe ich gefragt: Erinnern Sie sich an die erste Begegnung mit ihm?

    Hartmut Höll: Ja, ja, das war 1982. Es war ein reines Strauss-Programm, von daher pianistisch fordernd und schwer genug – ja, und dann kam die Probe. Wir hatten, glaube ich … Das erste Konzert war im Salle Pleyel in Paris, und wir hatten ein oder zwei Proben davor, dann musste das funktionieren, und er war ein wunderbarer Partner.

    Köhler: Diese musikalische Partnerschaft und Freundschaft hat zehn Jahre lang gehalten. Wie war er …

    Höll: Elf Jahre bis zu dem Zeitpunkt, wo er dann am Neujahrstag '93 nach der Benefizgala für die Marianne-Strauß-Stiftung in München dann alles weitere absagte, und ja, vor zwei Tagen habe ich ihn noch besucht.

    Köhler: Wie haben Sie ihn erlebt, als strengen Interpreten, als großherzigen Deuter, als unerbittlichen Künstler oder – beschreiben Sie es!

    Höll: Ich empfand ihn immer in einer wunderbaren Art partnerschaftlich. Wenn wir Werke zusammen musizierten, die er mit anderen Pianisten früher gemacht hatte, dann hat er natürlich den Weg gezeigt. Aber ich hatte das Glück, einige Schallplattenaufnahmen mit ihm machen zu dürfen, auch Programme zu erarbeiten, die er vorher nicht gemacht hatte, wo es ein gemeinsames Suchen war – wirklich partnerschaftlich auch auf dem Podium, in einer wunderbaren Weise verlässlich, hilfreich, kann ich nicht anders sagen.

    Und wir waren viel zusammen in Museen und haben gesprochen und sind spazieren gegangen und haben diskutiert, also es war für mich eine ganz, ganz große, wunderbar bereichernde Zeit. Dominant überhaupt nicht, selbstverständlich war er immer tief im Werk drin und von daher auch fordernd in den Dingen, die er haben wollte, aber das liegt im Wesen der Kunst, dass man sich über solche Sachen verständigt und das dann gemeinsam auch verwirklicht.

    Köhler: Haben Sie und Fischer-Dieskau gemeinsam vielleicht das Kunstlied, wie soll ich sagen, vom Staub befreit, es breiteren Kreisen zugänglich gemacht?

    Höll: Das weiß ich nicht, das müssen andere sagen. Ich kann nur sagen, seine Karriere begann ja 1947, also am Ende des Zweiten Weltkriegs, nach diesem Desaster, und ich denke, dass da ein ganz junger Sänger, erstaunlich junger Sänger einfach sehr, sehr vielen Mut gemacht hat.

    Und das ist eine Art der Kunstauffassung oder der Kunstausübung, von der ich nur hoffen kann, dass dieser Maßstab nicht gänzlich verloren geht, denn das Event bestimmt doch heute weithin sehr viel. Aber wenn wir an ihn zurückdenken, würde ich mir wünschen, dass man sich in seiner Art in den Respekt vor dem Werk und vor den Komponisten stellt und wirklich auch mit dem Publikum in Dialog treten will.

    Köhler: Die Moderne war ihm nicht fremd.

    Höll: Oh nein, überhaupt nicht – die Künstlerfreundschaft zu Aribert Reimann, er hat unglaublich viele Uraufführungen gemacht, absolut nicht, er hat sich in wunderbarer Weise für (O-ton an dieser Stelle unverständlich), für Reimann, für andere eingesetzt, das war ein ganz wichtiger Teil. Lieder, wenn Sie dran denken, in der Oper, war ja eine ganz, ganz große Sache. Was ihn auszeichnete, war einfach das Interesse an allen Erscheinungen. Er hat ja auch gemalt, er hat geschrieben, er wollte alles wissen, er wollte alles ausprobieren, er wollte dabei sein, er wollte es erleben. Und diese Neugier, ich glaube, die hat seine Kraft ausgemacht.

    Köhler: Der Pianist, der Lied- und Wegbegleiter Hartmut Höll zum Tod des deutschen Baritons Dietrich Fischer-Dieskau war das.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.