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Erasmus schwächelt

Das Geld für das Austauschprogramm Erasmus wird knapp. Manche Studenten, die mit dem Programm ins Ausland gegangen sind, wissen nicht, ob sie weiterhin auf die finanzielle Unterstützung durch das Programm zählen können.

Von Axel Rahmlow | 12.10.2012
    Luise Arnold sitzt in einer Bar im Süden Brüssels, der Feierabendverkehr drängt sich durch die Straßen. Die 25 Jahre alte Lehramtstudentin lässt den Uni-Tag ausklingen. Der beginnt und endet mit einer Stunde in der Straßenbahn. Denn Brüssel ist um einiges teurer als Leipzig, wo sie eigentlich studiert. Ihr Zimmer ist zwar relativ günstig, aber dafür weit weg vom Campus. Das Geld von Erasmus hat sie fest eingeplant, mit 200 Euro im Monat kann sie rechnen.

    "Also ich leihe mir halt das Geld von meinem Vater und der würde natürlich auch über die Runden kommen, wenn ich es ihm nicht zahle. Aber es ist natürlich scheiße, wenn ich das Geld nicht bekomme. Es ist super wichtig, dass ich das kriege, ich gehe fest davon aus. Weil die meisten Studierenden schon BAFÖG-abhängig sind oder selber über die Runden kommen müssen, da stelle ich es mir total schwierig vor ohne diese Förderung."

    Von den Nachrichten über die finanziellen Probleme bei Erasmus war Luise dann auch verunsichert. Entwarnung kommt allerdings von Siegbert Wuttig. Er ist beim Deutschen Akademischen Austauschdienst DAAD in Bonn für Erasmus zuständig. Seine Abteilung verteilt die Gelder der EU an die deutschen Hochschulen.

    "Es ist ein bisschen überbetont, was man in der Presse auch gelesen hat. Aus deutscher Sicht ist das Wintersemester gesichert. Weil wir Verträge mit der Kommission haben, sind wir auch optimistisch, dass die Gelder bis Ende des akademischen Jahres 2013 sicher sind. Das kann in einigen kleineren Ländern anders sein, aber in Deutschland ist das nicht der Fall."

    Denn nicht alle deutschen Erasmus-Studenten sind jetzt schon im Ausland, viele gehen erst im nächsten Sommersemester. Und für das gesamte Studienjahr 2012/2013 hat die Kommission planmäßig schon 80 Prozent der Gelder an den DAAD überwiesen. Der Rest folgt im kommenden Frühjahr. Das akute Problem der EU ist ein anderes. Es fehlen Milliarden im jetzigen Haushalt, Geld das sofort für alle EU-Programme gebraucht wird. Es gehe um eine Prinzipienfrage sagt Patrizio Fiorilli, der Sprecher des Haushaltskommissars.


    "Erasmus ist nicht dem Untergang geweiht. So weit würde ich nicht gehen. Aber Erasmus ist die sichtbare Spitze des Eisberges. Es gibt ein grundlegendes Problem. Wir haben eine Krise. Überall muss gespart werden. Aber: Man kann sich nicht aus der Krise heraussparen. Sparen reicht nicht, wir brauchen Investitionen."

    Das 450 Millionen Budget für Erasmus macht nur einen relativ kleinen Teil des EU-Haushaltes aus, der insgesamt fast 130 Milliarden Euro beträgt. Trotzdem hat die EU-Kommission, die ihr Geld von den Mitgliedsstaaten bekommt, besonderes Interesse daran, bei den Finanzproblemen auf Erasmus hinzuweisen. Denn junge Menschen ohne Geld sorgen für leidenschaftliche Diskussionen. Bei den Studenten, deren Freunden, bei den Eltern, den Großeltern. Es ist ein Aufreger. Und in den nächsten Wochen wird es einige richtungweisende Entscheidungen geben, die auch Erasmus betreffen. Zum einen stehen die Verhandlungen über einen Nachtragshaushalt für dieses Jahr an, um die aktuellen Lücken zu schließen. Unabhängig davon geht es auch um das EU-Budget für das kommende Jahr. Und fast noch wichtiger: Die Rahmenplanung der EU für 2014 bis 2020 steht an. Hier wird sich mittelfristig zeigen, wie viel Geld die Mitgliedsstaaten in Erasmus stecken wollen.