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Erbschaftssteuer
"Unternehmen würden nicht direkt pleite gehen"

Allein 2012 sollen Unternehmen per Schenkung Vermögen für 36 Milliarden Euro an die nächste Generation weitergereicht haben. So günstig, wie man jetzt vererben könne - komplett steuerfrei und in unbegrenzter Höhe - könnte es nach einer möglichen Gesetzesänderung nicht mehr sein, sagte der Ökonom Stefan Bach im DLF.

Stefan Bach im Gespräch mit Benjamin Hammer | 08.07.2014
    ILLUSTRATION - Ein Eurozeichen spiegelt sich am 08.01.2014 in Frankfurt am Main (Hessen) im Auge einer Frau (Aufnahme gespiegelt). Foto: Daniel Reinhardt/dpa
    Wie könnte ein vernünftiger Kompromiss bei der Erbschaftssteuer aussehen? (dpa/Daniel Reinhardt)
    Benjamin Hammer: Auf den ersten Blick scheint das, was da heute vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe geprüft wird, eine Sache der Ungleichheit zu sein, vielleicht sogar eine Ungerechtigkeit. Wenn Privatpersonen erben, dann müssen sie darauf - über bestimmten Freibeträgen - Erbschaftssteuer zahlen. Wenn Unternehmer erben, dann ist das meistens anders. Da kann die Bäckerstochter Firmensitz, Filialen und Vermögen vom Vater erben und muss darauf keine Erbschaftssteuer bezahlen, wenn es um die Firma geht. Der Gesetzgeber will das so und damit den Mittelstand zum Wohle des ganzen Volkes stärken. Der Bundesfinanzhof hingegen findet, dass die Vergünstigungen ungerecht sind.
    Was aber sagt das Bundesverfassungsgericht? Ja was ist sie denn nun – die aktuelle Erbschaftssteuer – gerecht? Oder ungerecht? Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Stefan Bach, er ist Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin und spezialisiert sich dort auf die Steuerpolitik. Schönen guten Tag, Herr Bach!
    Stefan Bach: Guten Tag, Herr Hammer.
    Hammer: Allein 2012 sollen Unternehmen per Schenkung Vermögen für 36 Milliarden Euro an die nächste Generation weitergereicht haben. Wird da jetzt noch schnell umgeschichtet, bevor es zu spät ist?
    Bach: Ja, absolut. Die Steuerberater, die empfehlen schon seit längerem, dass man die jetzige Lage nutzt, denn so günstig, wie man jetzt vererben kann, nämlich komplett steuerfrei, und zwar auch in unbegrenzter Höhe – da geht es um dreistellige Millionenbeträge, Unternehmen im Wert von 400, 500 Millionen Euro; die gibt es ja, das sind sehr gut verdienende größere Mittelständler, die werden jetzt komplett steuerfrei vererbt -, das ist natürlich schon eine weitgehende Sache, mit der sich dann wahrscheinlich demnächst der Gesetzgeber befassen wird, wenn das Bundesverfassungsgericht hier eine Grenze einziehen könnte.
    Hammer: Die Befürworter der Ausnahme, die sagen, da geht es um Familien, um Unternehmen, die geschützt werden sollen, Familien, die teilweise über mehrere Generationen laufen, und eine schärfere Regelung könnte bei denen zur Pleite führen. Wie sehen Sie das?
    Bach: Na ja, zur Pleite nicht, denn es wird ja nur das besteuert, was tatsächlich an Eigenkapital oder Unternehmenswert vorhanden ist. Ein Problem besteht aber natürlich darin, wenn dann tatsächlich die volle Steuerlast – und die beträgt ja bei Betrieben auch bis zu 30 Prozent und bei diesen hohen Vermögen ist das dann erreicht -, wenn das dann aus dem Betrieb natürlich genommen wird, weil auch sonst kein so großes Vermögen vorhanden ist, jetzt im Privatvermögen, dann ist natürlich das Problem, dass die Leute das aus dem Betrieb nehmen müssen, und dann muss gegebenenfalls der Betrieb verkauft werden, oder es müssen viele Ressourcen rausgenommen werden, was dem Betrieb nicht unbedingt gut tut, und da gibt es natürlich schon ein gewisses Problem, dass der Betrieb dann verkauft wird und dann ein anderer den weiterführen muss, was bei kleinen Betrieben nicht so ohne weiteres möglich ist.
    "Ein vernünftiger Kompromiss wäre möglich"
    Hammer: Wie sieht denn Ihr Vorschlag aus? Wie könnte man das Problem lösen?
    Bach: Man muss natürlich diesen Mittelständlern, zumindest den kleineren von ihnen und selbst auch den größeren, helfen. Da muss man dann sagen, man kann diese Steuer jedenfalls nicht auf einen Rutsch bezahlen. Man kann ja die Steuerbelastung stunden, oder auch über die Zeit abzahlen lassen, dass man sagt, ihr müsst das jetzt nicht direkt zahlen, sondern ihr könnt es über die nächsten 10 oder 15 Jahre sukzessive abbezahlen. Und man kann die Forderung vielleicht auch noch nachrangig machen, dass dann die Finanzierungsmöglichkeiten nicht eingeschränkt sind, wenn dann die Bank sagt, na ja, aber ein Teil von Deinem Kapital gehört ja dem Finanzamt. Wenn man das macht, dann können die Firmen ja auch das sukzessive aus ihrem Betrieb abzahlen. Das wäre doch ein vernünftiger Kompromiss.
    Hammer: Schauen wir uns noch mal die Erbschaftssteuer insgesamt für alle an. Da gibt es die einen, die sagen, das ist eine Steuer auf Vermögen, was in der Regel bereits versteuert wurde, das ist ungerecht, lasst uns die Steuer gleich abschaffen. Und dann gibt es die anderen, die verweisen auf Zahlen, die sagen, wenn wir uns den Anteil der vermögensbezogenen Steuern in Deutschland anschauen – der liegt bei etwa zwei Prozent -, dann ist der äußerst gering im Vergleich zu anderen Ländern, warum besteuern wir die Vermögenden nicht noch mehr. Wo sehen Sie dort die Linie? Wie entscheiden Sie sich?
    Bach: Die Erbschaftssteuer ist ja die letzte vermögensbezogene Steuer, die jetzt nicht so breit wirkt wie zum Beispiel die Grundsteuer oder die Grunderwerbssteuer - die haben wir ja noch -, sondern eine Steuer, die wirklich dann die sehr wohlhabenden Leute belastet, weil da ja hohe Freibeträge sind. Der Normalbürger ist davon meistens nicht betroffen. Der muss dann schon, gerade wenn es um Angehörige geht, hohe Vermögen haben, die er da vererbt, und da kann man ja schon sagen, wenn das jetzt dann doch diese hohen Erbschaften sind, über eine Million, da geht es um die reichsten ein Prozent der Bevölkerung, deren Vermögen ja auch in der Vergangenheit eher gewachsen sind, weil wir doch ja da so eine zunehmende Vermögenskonzentration haben. Und dass man dann sagt, na ja, da soll man dann zumindest bei der Erbschaft besteuern, Vermögenssteuer haben wir ja nicht mehr und auch die Kapitaleinkommen, die werden zwar noch mal besteuert, aber ja nicht mehr so hoch, die werden nur noch mit 25 Prozent plus Soli besteuert, da kann man schon argumentieren, dass da dann zumindest einmal im Leben, wenn das dann an die weitere Generation gegeben wird, und für die Erben ist das ja dann auch praktisch eine Bereicherung, ist ja eigentlich wie Einkommen. Und wenn das dann so hohe Erbschaften sind, wir Normalbürger natürlich nicht, aber wenn das so hohe Erbschaften sind, dann soll man die schon auch noch mal besteuern.
    Hammer: Stefan Bach, Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Besten Dank!
    Bach: Auf Wiederhören!