Dienstag, 19. März 2024

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Erdbeben in Nepal
"Dieses Ausmaß hat man nicht erwartet"

Nach dem Erdbeben sei Nepal mehr oder weniger kollabiert, sagte die Trekking-Führerin Buddhi Maya Sherpa im Deutschlandfunk. Die Lebensmittel gingen aus, die Krankenhäuser seien überfüllt. Von allen Seiten werde Hilfe benötigt.

Buddhi Maya Sherpa im Gespräch mit Sandra Schulz | 27.04.2015
    Rettungsarbeiten am eingestürzten Darahara-Turm in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu.
    Rettungsarbeiten am eingestürzten Darahara-Turm in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu. (AFP - Prakash Mathema)
    Buddhi Maya Sherpa arbeitet als Trekking-Führerin in Nepal und Österreich. Am Morgen hat sie mit ihrer Schwester telefoniert. Im Bergort Namche und in umliegenden Dörfern seien 80 bis 90 Prozent der Häuser zerstört. Auch das Haus der Familie liege in Trümmern. Ihre Mutter und Schwestern lebten nun in einem Zelt auf dem Hof. "Es kommen noch immer wieder Nachbeben."

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Es gab aus Nepal gestern auch gute Nachrichten, ganz vereinzelt. Immer wieder konnten die Hilfskräfte Menschen lebend aus den Trümmern retten. Einzelne Hoffnungsschimmer, vor allem für die Retter, aber leider die Ausnahme unter natürlich ganz überwiegend bedrückenden Nachrichten. Mehr als 2.800 Leichen wurden bisher geborgen und diese Zahl, die wird wohl noch steigen. Mit deutlich mehr als 3.000 Toten müssen wir jetzt schon rechnen.
    Am Telefon begrüße ich Buddhi Maya Sherpa, Trekking-Führerin in Nepal und im Moment in Österreich. Guten Morgen!
    Buddhi Maya Sherpa: Guten Morgen, Frau Schulz.
    Schulz: Welche Informationen haben Sie aus der Region?
    Sherpa: Ich habe gerade vor fünf Minuten mit meiner Schwester telefoniert, die oberhalb von Namche Bazar im Dorf Zaruk, wo mein Elternhaus ist und unsere Sunshine Lodge ist auf 3500 Meter, lebt, und sie hat gesagt, 80 oder 90 Prozent der Häuser in Namche und die umgelegenen Dörfer Khumjung, Khunden Thame sind alle zerstört und auch unser Haus ist zerstört, ist unbewohnbar. Meine Mutter und meine Schwestern, die haben schon seit Samstag im Hof auf den Feldern Zelte aufgebaut und da leben sie jetzt. Und es kommen noch immer wieder kleine Nachbeben und sie sind so beängstigt und sie trauen sich nicht mehr in das zerbrechliche Haus hinein.
    Schulz: Aber Ihre Familie ist soweit gesund und, soweit man das sagen kann, in Sicherheit?
    Sherpa: Die Familie ist gesund und in Sicherheit in dem Tal. Ich habe gehört, es gab nur wenige Tote, zwei, drei, und die Leute sind alle am Leben, weil das Erdbeben so lang war und die Leute hatten Zeit zum Hinausrennen, weil die Häuser dort sind ja nicht sehr hoch, höchstens ein, zwei Stock, in Namche höchstens drei, vier Stock. Die Leute sind verängstigt und sie leben draußen im Zelt. Im Everest-Basislager ist eine riesengroße Lawine abgegangen. Mein Schwager ist im Base Camp und auch zwei, drei Cousins. Mein Schwager ist gleichzeitig dort Bergrettungsmann und Suchretter und er ist dort dauernd im Einsatz, die anderen Leichen zu bergen.
    "Man weiß nicht, wie es weitergehen soll"
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Blick auf Namche Bazar, den Hauptort der Sherpas am Mount Everest Massiv (Deutschlandradio/Jürgen Webermann )
    Schulz: Was sind dort jetzt die größten Probleme bei den Hilfs- und Rettungs- und auch Bergungsarbeiten?
    Sherpa: In Kathmandu ist auch die Katastrophe: Viele Tote, das haben Sie schon gehört, keine Elektrizität, kein Wasser, Lebensmittel gehen aus, Medikamente, die Spitäler sind gefüllt, da brauchen Sie von allen Seiten Hilfe. Oben in den Dörfern sind die Leute am Leben und irgendwie von sich selbst evakuiert. Jeder ist in die Tälern, wo noch ein Erdrutsch kommen könnte, auf höhere Hügel geflüchtet und sie unterstützen sich und helfen sich gegenseitig. Die Häuser sind alle kaputt und jetzt weiß man im Moment gar nicht, wie es weitergehen soll.
    Schulz: Kann man das heute schon sagen? Was heißt dieses Erdbeben für das Land?
    Sherpa: Das ist eine Katastrophe. Das haben sie ja nicht so erwartet in diesem Ausmaß. Und es ist mehr oder weniger alles kollabiert.
    Schulz: Wenn wir jetzt noch mal schauen auf die Lage am Mount Everest. Das haben Sie gerade schon gesagt: Das Basislager dort ist verschüttet worden mit auch vielen Bergsteigern. Was heißt das für den Mount Everest?
    Sherpa: Für den Mount Everest? Der Everest wird nicht viel tun. Der wird immer da stehen. Voriges Jahr um die gleiche Zeit war auch eine Lawine und dort waren 16 Sherpas tot. Und heuer dann wieder eine Lawine, ausgelöst durch das Erdbeben, sehr viele Tote, sehr viele Verletzte. Sie wissen noch nicht genau, wie viele es sein werden, und die Rettungsarbeiten erschweren sich durch das schlechte Wetter, dass der Hubschrauber nicht immer kommen kann. Sie werden alle, die sie lebend und tot bergen können, bergen und dann in tiefer gelegene Täler bringen, und dann müssen sie schauen. Die Expedition wird halt nicht weitergehen, aber das ist jetzt nicht das Thema.
    Schulz: Buddhi Maya Sherpa, Trekking-Führerin in Österreich und in Nepal, hier heute in den „Informationen am Morgen“. Vielen herzlichen Dank für Ihre Eindrücke.
    Sherpa: Bitte! Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.