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Erderwärmung begünstigt Extremwetter

Monatliche Temperaturextreme wie die derzeitige Hitzewelle in Australien haben sich durch die Erderwärmung verfünffacht. Das ist das Ergebnis einer Studie, an der Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung mitgearbeitet hat. 80 Prozent der monatlichen Hitzerekorde wären ohne die globale Erwärmung nicht zustande gekommen.

Stefan Rahmstorf im Gespräch mit Georg Ehring | 15.01.2013
    Georg Ehring: Australiens nationaler Wetterdienst hat unterdessen die Farbpalette für seine Wetterkarte erweitert. Lila steht jetzt für Temperaturen bis 54 Grad Celsius, so eine Hitze war bisher nicht vorgekommen und auch offenbar nicht vorgesehen. Aber inzwischen werden wärmere Temperaturen für möglich gehalten als bisher.
    Klimaforscher haben sich bisher sehr zurückgehalten, wenn es um die Verbindung einzelner Wetterextreme mit dem Klimawandel geht, doch das ändert sich, nicht nur in Bezug auf Australien, wie gerade gehört. Das legt auch eine neue Studie über Temperaturextreme nahe, an der das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung beteiligt war. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut ist einer der Autoren, und ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Rahmstorf!

    Stefan Rahmstorf: Guten Tag, Herr Ehring.

    Ehring: Herr Rahmstorf, wo ist der Zusammenhang zwischen der Hitzewelle auf dem fünften Kontinent und dem Klimawandel?

    Rahmstorf: Na ja, zunächst einmal messen wir ja die Tatsache, dass die weltweiten Temperaturen immer wärmer werden. Alle bisherigen zwölf Jahre des 21. Jahrhunderts waren unter den 14 wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen, und da wird natürlich schon der Laie vermuten, wenn es allgemein wärmer wird, dass die Häufigkeit von Hitzeextremen und auch neuen Hitzerekorden zunimmt, und das bestätigen auch die Daten. Und unsere neue Untersuchung hat weltweit 150.000 Datenreihen analysiert, um zu schauen, wie stark ist diese Zunahme von neuen monatlichen Hitzerekorden, und das Ergebnis ist, dass die in den letzten zehn Jahren etwa fünfmal so häufig aufgetreten sind, als es bei einem unveränderlichen Klima zu erwarten gewesen wäre.

    Ehring: Was waren denn die heftigsten Rekorde der letzten Jahre?

    Rahmstorf: Wir haben ja jetzt außer dem Rekord in Australien in diesem Jahr schon 2009 in Australien neue Rekordtemperaturen erlebt. Die USA haben gerade den wärmsten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen hinter sich. Aber auch schon der März des vergangenen Jahres war ein ganz erstaunlicher Wärmerekord in den USA. Und wenn wir mal nach Europa blicken: Wir hatten den Jahrhundertsommer 2003 im westlichen Teil Europas und eher in der Osthälfte um Russland hatten wir diesen absoluten Rekord im Juli 2010.

    Ehring: Wenn es jetzt fünfmal so viele Rekorde gibt, was heißt das konkret beispielsweise für Deutschland?

    Rahmstorf: Das heißt zunächst mal, diese Frage, die schon angesprochen war, kann man einen einzelnen Rekord jetzt in Verbindung mit der Klimaerwärmung bringen, die beantwortet sich einfach dadurch, dass jetzt die Wahrscheinlichkeiten so hoch werden, denn von fünf Rekorden, die wir erleben, wären vier praktisch ohne Klimawandel nicht vorgekommen, sodass man mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit bei einem solchen Wärmerekord sagen kann, das ist aufgrund der globalen Erwärmung passiert. Wir zeigen auch in unserer Studie übrigens, wie das weitergehen wird, denn wir haben ein einfaches statistisches Modell, was die vergangene Zunahme der Rekorde gut erklärt, und wenn man das in die Zukunft rechnet, dann sehen wir, dass um 2040 wir bereits zwölfmal so viele Rekorde erleben werden als in einem unveränderlichen Klima. Das heißt übrigens wirklich dann wieder neue Rekorde, die nicht nur wärmer sind als alles, was wir bis heute erlebt haben, sondern die auch die noch kommenden Rekorde der 2020er und 2030er dann noch mal wieder überbieten müssen, um wieder als neuer Rekord gezählt zu werden.

    Ehring: Sind die Weltregionen denn unterschiedlich betroffen? Ist beispielsweise Australien besonders vom Klimawandel betroffen?

    Rahmstorf: Ja, da gibt es durchaus regionale Unterschiede. Insbesondere erwärmen sich die Kontinentalgebiete stärker und auch auf diesen Kontinentalgebieten, Teile Europas, des inneren Australiens, beobachtet man deswegen auch besonders viele, eine besonders starke Zunahme der Rekorde.

    Ehring: Derzeit ist es bei uns kalt wie in den vergangenen Wintern auch öfters. Spricht das nicht ein bisschen gegen Ihre These?

    Rahmstorf: Nein, überhaupt nicht, denn die vergangenen Winter, wenn Sie sich die Daten einmal anschauen, sind ja tatsächlich immer wärmer geworden. In den letzten zehn Jahren war der kälteste Winter nicht so kalt wie die kältesten Winter jeweils früherer Jahrzehnte. Was wir allerdings beobachten, ist vorübergehende Kaltlufteinbrüche im Winter, die zum Teil auch in Europa, vor allem im östlichen Teil, neue Kälterekorde gesetzt haben in den letzten Jahren. Die werden damit in Verbindung gebracht, dass die Eisdecke auf dem arktischen Ozean immer stärker zurückgeht, was zu größeren Mäandern des Strahlstroms führt. Die Situation wird instabiler, dadurch, dass es in der Arktis deutlich wärmer geworden ist, und dadurch kommt öfter mal arktische Kaltluft zu uns hinein.

    Ehring: Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung war das zum Zusammenhang von Hitzewellen und Klimawandel. Herzlichen Dank dafür.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.