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Erdogan und die EU
Die griechische Insel Chios zwischen Hoffen und Bangen

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht der Europäischen Union mit der Öffnung der Grenzen. Wenn er seine Drohung wahr macht und mehr Flüchtlinge die Fahrt über die Ägäis wagen, hätte das auf der griechischen Insel Chios massive Auswirkungen.

Von Christian Buttkereit | 29.11.2016
    Zelte des Flüchtlingslagers auf der griechischen Insel Chios.
    Das Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Chios (LOUISA GOULIAMAKI / AFP)
    Schon seit Beginn des türkisch-europäischen Flüchtlingsabkommens ist Chios mit den Flüchtlingen, die dort leben, überfordert. Der stellvertretende Bürgermeister von Chios-Stadt, Georgios Karamanis, schaut deshalb mit Sorge auf den großen Nachbarn.
    "Ja natürlich hören wir diese Drohung und wir machen uns im Hinterkopf Gedanken wie wir damit umgehen können, sollte Erdogan ernst machen. Die Insel hat 50.000 Einwohner. Da liegt es auf der Hand, dass wir nicht tausende von Flüchtlingen unterstützen können. Letztendlich kann Chios nur so eine Art Transit-Zone sein. Diese Aufgabe werden wir dann wohl oder übel übernehmen müssen."
    Dabei ist die Situation in den beiden Flüchtlingslagern schon heute kritisch. Theoretisch können auf Chios 1.500 Flüchtlinge beherbergt werden, zur Zeit sind es nach Informationen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR jedoch 2.200. Insbesondere im innerstädtischen Zeltlager Souda klagen die Flüchtlinge über miese Lebensbedingungen. Vor allem jetzt, wo es viel regnet und die Temperaturen nachts auf fünf Grad sinken.
    "Es kümmert sich niemand um uns. Es gibt zu wenige Decken. Fast kein Licht und in den Duschen nur kaltes Wasser. Außerdem dringt Regenwasser in das Zelt", sagt Anas aus Syrien, der in Souda kampiert.
    Schlechte Lebensbedingungen in den Lagern
    Und Djandellabar erzählt wie in das Zelt, in dem sie mit ihrer sechsjährigen Tochter lebt, eine Ratte gekommen sei. Flüchtlinge, die es sich leisten können, entgehen den miesen Lebensbedingungen im Lager, indem sie im Hotel wohnen, so wie 25-jährige Syrer Marsen.
    "Es gibt zu viele Probleme in den Camps. Die Ausstattung reicht nicht für so viele Leute. Das Essen ist schlecht und, wie soll ich es sagen, es ist dort einfach nicht menschenwürdig. So bringt man vielleicht Tiere unter."
    Der junge Syrer ist bei Theodorus Spordiles untergekommen. Der Gastronom hat sein Hotel am Hafen gerne für Flüchtlinge geöffnet. Angesprochen auf die Türkei und Erdogans Drohgebärden bleibt Spordiles gelassen.
    "Ich glaube nicht, dass er seine Drohung wahr machen wird. Ich denke, er wird verhandeln. Und wenn Erdogan seine Drohung doch wahr macht, dann muss die Europäische Union dafür sorgen, dass mehr Wasser und Nahrungsmittel auf die Insel kommen. Und sie müssen neue Camps bauen. Aber eigentlich wollen wir ja, dass es besser wird und nicht schlechter. Aber das ist natürlich nur ein Wunsch."