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Erfahrung mit der AfD in Thüringen
Der Ton im Landtag ist rauer geworden

Seit 2014 ist die AfD im Thüringer Landtag vertreten. Seitdem hat sich der Ton in den Debatten verschärft. Und auch nach drei Jahren herrscht Uneinigkeit über den Umgang mit der neuen Fraktion. Ein Vorbild für den Umgang mit der AfD im Bundestag kann der Thüringer Landtag daher nur bedingt sein.

Von Henry Bernhard | 05.10.2017
    Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Thüringer Landtag, Björn Höcke
    Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Thüringer Landtag, Björn Höcke (Imago/ Steve Bauerschmidt)
    Björn Höcke:
    "Auch dem Gender-Totalitarismus, dieser Fehlgeburt des Behaviorismus, werden wir die Stirn bieten, sehr verehrte Damen und Herren!"
    Stephan Brandner:
    "Wir sind da gar nicht weit auseinander, dass Nordkorea und Thüringen, was das politische Gehabe in der Staatskanzlei …, der wird da auch so eine ähnlich Type wie Herrn Hoff da sitzen haben …"
    Margit Jung:
    "Herr Abgeordneter Brandner, jetzt erteile ich ihnen für diesen Begriff einen zweiten Ordnungsruf und ermahne Sie, beim dritten können Sie die heutige Veranstaltung verlassen!"
    Björn Höcke:
    "Liebe CDU-Fraktion: Sie machen sich zum trojanischen der Salonbolschewiki und deren pyromanischen Straßenkrieger in diesem Land!"
    Redebeiträge unter der Gürtellinie
    Die beiden Spitzenleute der Thüringer AfD-Fraktion, Björn Höcke und Stephan Brandner, sind nicht zimperlich in ihrer Wortwahl. Nicht ohne Stolz kassierte Brandner im Mai vergangenen Jahres auch noch den dritten Ordnungsruf und damit den Rauswurf aus dem Plenarsaal. Außerhalb des Landtags liegt die Meßlatte ihrer Redebeiträge auch gern mal deutlich unterhalb der Gürtellinie, etwa, wenn Höcke die gesamte angebliche "Altelite" Deutschlands "entsorgen" will oder Brandner sich bei der Ansprache der politischen Gegner in sexuellen Metaphern förmlich suhlt.
    "Man liest und hört ja, dass eure Eltern meistens Geschwister waren! Und wenn ich mir das eine oder andere Gesicht genauer anschaue, meine Damen und Herren, dann habe ich fast den Eindruck, als wären die Haustiere auch nicht weit gewesen!"
    Der Ton im Thüringer Landtag ist mit dem Einzug der AfD vor drei Jahren rauer geworden, die Anzahl der Ordnungsrufe – nicht nur für die AfD – hat sich in etwa vervierfacht. Stephan Brandner ist nun seit dem 24. September nicht mehr Landtags- sondern Bundestagsabgeordneter. Nicht ausgeschlossen also, dass es im Bundestag bald zu ähnlichen Auftritten wie in Erfurt kommt. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, Carsten Schneider, gibt sich dennoch betont ruhig.
    "Also, der Bundestag ist noch einmal eine ganz andere Bühne. Viele Menschen werden jetzt – auch Wähler! – AfD-Politiker stärker im täglichen Leben wahrnehmen. Ich hoffe, dass das den ein oder anderen auch demaskieren wird und sich vielleicht auch für die Form der Repräsentation, die mit ihrer Stimme auch geschehen ist, auch schämen. Aber mir geht es darum, die AfD nicht plump zu attackieren, indem man sagt, "Das sind alles Nazis!", und sich quasi gar nicht mit ihnen beschäftigen…"
    "Der politische Diskurs verschiebt sich"
    "Die AfD im Plenum stellen" – wie es Schneider vorschwebt, das haben sich schon viele Landesparlamentarier vorgenommen. Benjamin-Immanuel Hoff, linker Staatskanzleiminister der Rot-Rot-Grünen Landesregierung in Thüringen, ist allerdings skeptisch.
    "Also, es gibt gegen diese Art von Provokation und öffentlichem Erregungszyklus keinen wirklich guten Rat bisher, sondern der politische Diskurs verschiebt sich. Und insofern kann man nur feststellen, dass sowohl in Thüringen als auch in anderen Ländern Parteien wie die AfD unabhängig von ihren Wahlerfolgen in der politischen Debatte doch erfolgreich sind."
    In Thüringen haben sich zu Beginn der Legislaturperiode vor drei Jahren die drei Regierungsparteien Linke, SPD und Grüne verabredet, dass auf Anträge der AfD immer nur ein Redner der Koalition antwortet – um Einheit gegen die AfD zu signalisieren. Ein Plan, der zum Leidwesen von SPD-Fraktionschef Matthias Hey nur bedingt aufging.
    "Das wurde immer frecher, immer unverschämter, und dann kam natürlich auch die Debatte in meiner Fraktion auf: Wenn die schärfste Waffe, die wir haben, das Wort ist, dann müssen bei bestimmten Angriffen auf unsere demokratische Verfasstheit – und nur darum geht es –, dann müssen auch alle drei Fachpolitiker vor, dann müssen alle drei Mal so draufhauen, dass man wirklich auch merkt: Hier steht ein gesamtes Parlament auf und will sich das nicht bieten lassen."
    Uneinigkeit über den Umgang mit der AfD
    Die Thüringer CDU hat gegenüber der AfD einen anderen Kurs verfolgt. Nach anfänglichen Avancen zu einer wie auch immer gearteten Zusammenarbeit hat auch sie im Landtag inzwischen zu einer harten Gangart gegenüber der AfD gefunden. Raymond Walk, Abgeordneter und Generalsekretär der Thüringer CDU:
    "Ich finde es besser und auch demokratischer, sich dort auseinanderzusetzen, wo die Auseinandersetzung hingehört. Und das ist genau das Parlament. Und es wird auch spannend sein, was sich in Berlin tut. Und wenn dann die Debatten von der Straße ins Plenum gehoben werden, dann ist das für die Demokratie gut."
    Ob Geschäftsordnungen geändert und jahrzehntelange Usancen gebrochen werden sollten, um AfD-Politiker in bestimmten Positionen zu verhindern oder deren Auswahl zu beeinflussen, wie es zur Zeit gerade in Berlin heftig diskutiert wird, darüber herrscht in den Parteien große Uneinigkeit. Etwa, wenn es um die Bestimmung des Alterspräsidenten oder eines AfD-Vizepräsidenten für den Bundestag geht. Astrid Rothe-Beinlich von den Thüringer Grünen ist da zerrissen, weil es ihr auch immer um die Rechte der kleinen Parteien im Parlament geht.
    "Regeln dürfen nicht aus Angst außer Kraft gesetzt werden"
    "Man darf aber die Regeln der Demokratie nicht aus Angst sozusagen vor den Nazis oder vor Rechtsextremen schon im vorauseilenden Gehorsam außer Kraft setzen. Und so sehe ich das auch schon mit der AfD: Man muss sie tatsächlich, glaube ich, inhaltlich stellen, und man muss aber trotzdem drauf achten, dass sie nicht in bestimmte Positionen gelangt. Und da kann man nicht sagen: Die AfD darf es nicht haben und wir verbieten das, sondern da muss man selber Verantwortung übernehmen."
    Aktuelles Beispiel in Berlin: 25.000 Kulturschaffende und Bürger aller Couleur fordern, dass die AfD keinesfalls den Vorsitz des Kulturausschusses im Bundestag erhalten dürfe. Für den linken Politstrategen Benjamin-Immanuel Hoff ein Unding:
    "Dass eine große Zahl Kulturschaffender meint, dass die Kultur- und Medienpolitik in Deutschland nicht die Kraft hat, einen AfD-Kulturausschußvorsitzenden im Deutschen Bundestag zu ertragen, ist ein Armutszeugnis der Kultur- und Medienszene. Ich schäme mich als Kultur- und Medienpolitiker für diese Feigheit vor dem kulturpolitischen Feind."