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Erfahrungen eines Flüchtlings
Trotz Ablehnung - irakische Christen in Tschechien

Die Rückeroberung der Stadt Mossul wird auch in Prag mit Aufmerksamkeit verfolgt. Irakische Christen versuchen, dort Fuß zu fassen - in einer Gesellschaft, die sich mit der Aufnahme von Flüchtlingen schwer tut. Der 26-jährige Jakob ist einer von ihnen. Er erzählt von seinen Erfahrungen.

Von Peter Lange | 27.10.2016
    Eine Gruppe Christen aus dem Irak bei ihrer Ankunft in Prag.
    Irakische Christen - wie diese Familie aus dem Nordirak - versuchen, in Tschechien heimisch zu werden. (picture-alliance/ dpa/ CTK Photo/ Katerina Sulova)
    Auf der Straße fällt der junge Mann überhaupt nicht auf – allenfalls mittelgroß, mit kurz geschnittenem Vollbart und schwarz geränderter modischer Brille. Er könnte Italiener sein oder Spanier. Aber weit gefehlt:
    "Ich bin aus dem Irak, aus Ninive, einer kleinen christlichen Stadt in der Nähe von Mossul."
    Er möchte nicht, dass wir seinen richtigen Namen nennen, also nennen wir ihn Jakob. 26 Jahre ist er alt und fertig ausgebildeter Mediziner. Vor zweieinhalb Jahren wurde sein Heimatort vom IS überrannt.
    "Die kurdische Armee hatte sich gerade zurückgezogen. Dann schlugen die Kirchenglocken Alarm. Der Priester lief durch die Straßen und rief: Verlasst eure Häuser. In weniger als einer Stunde sind sie da. Wir haben alles stehen und liegen gelassen und sind nach Kurdistan gegangen."
    Als irakischer Christ in Tschechien
    Jakob hatte Glück. Nach zwei Jahren in Erbil, im kurdischen Teil des Irak, traf er einen Vertreter der tschechischen Hilfsorganisation Generation 21. Sein Auftrag: Irakischen Christen Asyl in Tschechien anzubieten und für eine sichere Einreise zu sorgen.
    "Generation 21 ist eine Stiftung, die gegründet worden ist für die Rettung irakischer Christen, die dann hier ein neues Leben aufbauen können, erklärt Petr Janousek, Hauptmann der Heilsarmee und verantwortlich für die Betreuung der Asylbewerber in Prag. Generation 21 wird fast ausschließlich durch Spenden von Gläubigen in der Tschechischen Republik unterstützt."
    Und zu Anfang auch vom tschechischen Staat. Ursprünglich sollten 153 Menschen aus dem Nordirak aufgenommen werden. Tatsächlich kamen 89. Von denen ist aber ein Teil zurückgekehrt. Andere sind nach Deutschland weitergezogen und so ins Räderwerk der deutschen und europäischen Asylgesetzgebung geraten.
    "Die Regierung hat deshalb das Programm gestoppt, obwohl es immer noch Menschen im Irak gibt, die gern nach Tschechien kommen würden. Wir setzen aber das Projekt fort mit den 41 irakischen Christen, die jetzt hier sind."
    Größte Hürde ist die Sprache
    Einer von ihnen ist Jakob. Er will hier so bald wie möglich als Arzt arbeiten. Die größte Hürde dabei ist – wen wundert's – die Sprache.
    "Wir müssen Arbeit finden. Es ist schwer für mich, zu studieren. Dafür muss ich eine schwere Prüfung bestehen, auf Tschechisch. Also entweder studieren oder arbeiten. Es macht mir Kopfschmerzen, aber wir werden eine Lösung finden."
    "Für uns hat Priorität, dass die Flüchtlinge so schnell wie möglich selbstständig werden, dass sie einen Job finden, sagt Petr Janousek, der Betreuer von der Heilsarmee. Von den 22, die seit einem halben Jahr hier in Prag leben, hat bereits einer eine Stelle. Einige andere haben gute Chancen, einen Arbeitsvertrag zu bekommen."
    Nur wenn die Integration gelingt, da ist er sicher, können die pauschalen Vorurteile der Tschechen gegenüber Flüchtlingen abgebaut werden. Vorurteile, die regelmäßig vom Präsidenten Zeman geschürt werden, denen Janousek aber widerspricht
    "Es geht uns nicht darum, dass wir überhaupt keine Flüchtlinge wollen. Es geht darum, es vernünftig zu machen, das heißt, dass wir Solidarität zum Ausdruck bringen und dabei unsere eigene Kultur erhalten."
    Selten Ablehnung erfahren
    Jakob, der aramäische Christ, weiß von der skeptischen bis ablehnenden Haltung der Tschechen gegenüber Migranten. In seinem Alltag macht er diese Erfahrung aber selten.
    "Mit etwa 90 Prozent läuft es sehr gut. Es sind nette Leute hier. Es gibt nur einen kleinen Anteil, der uns ablehnt und uns für Terroristen hält. Aber das nehme ich den Leuten nicht übel."
    Die meisten Terroranschläge seien von Muslimen begangen worden. Und die Integration von muslimischen Migranten sei ohnehin schwierig – darin sind sich Petr Janousek und Jakob einig. Die Erfahrung des aramäischen Christen mit der Unterdrückung durch die irakischen Muslime schwingt da mit. Aber auch wenn es ihm in Prag gut geht, gibt es einen sehnlichen Wunsch: nach Hause zurückgehen zu können.
    "Das würde ich sehr gern, denn es ist unser Land."