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Erfahrungsbericht
Getrieben von Smartphone, E-Mail und Co.

"Ich bin online, also bin ich" - über die Befindlichkeiten eines 'heavy users' bei sozialen Medien. Gefangen, befreit oder wie fühlt sich Dauerpräsenz am Ende des Tages eigentlich an?

Von Philip Banse | 27.04.2017
    Ein junger Mann mit Kopfhörern scrollt auf seinem Smartphone.
    Ständig online mit apps, mails, Terminkalender: Segen oder Fluch? Ein junger Mann mit Kopfhörern scrollt auf seinem Smartphone. (imago/Westend 61)
    Mein Smartphone ist als erster wach zuhause und verlangt als erster Aufmerksamkeit.
    Pünktlich um 6 Uhr 30 klingelt der Wecker, also der im Smartphone:
    Auf dem Weg ins Bad schnell die Eilmeldungen der Nacht durchscrollen. Ich öffne Twitter, schaue was so passiert ist, und passiert.
    Ah, noch eine Eilmeldung von Spiegel Online, die App öffnet sich, schnell gelesen, und dann, Moment, eine Fähre fährt in die Kaimauer eines Hafens auf Gran Canaria? Krass.

    Aber vor dem Video erstmal 30 Sekunden Werbung. Ne, keine Zeit, Frühstück zu machen.
    Banse in der Küche
    Und was ist der Soundtrack eines guten Frühstücks mit Espresso und Toast? Richtig, der Livestream aus meinem Smartphone.

    Kind in der Schule, Zeit für Nachrichten: Twitter und Facebook durchscrollen, Artikel öffnen und lesen, dann die Apps von Süddeutsche, FAZ und New York Times wollen auch einmal geöffnet werden und gegen acht dann die ersten Anrufe.
    Und immer wieder trudeln weitere Nachrichten ein - per Signal, WhatsApp und iMessage.
    Ach ja, und natürlich Emails, jede Menge Emails.
    Banse vor Rechner
    Der PC am Schreibtisch zeigt bei ankommenden neuen Mails rechts oben eine kleine Nachricht an: Newsletter, Rundmails der Nachbarschaftsgruppe, Spam und Kommentare zu einem Podcast, den ich betreibe. Kontakte beantworten, Recherche-Anfragen von mir und die Eltern wollen wissen, ob ich zum Geburtstag von Tante Ilse komme. Wenn ich arbeiten muss, ist die Mail daher zu. Zwischendrin aber immer wieder Nachrichten:
    WhatsApp: Die Fußballtruppe will spielen, wer ist Montag dabei?

    Signal: Kollege würde gern wissen, ob wir mal wieder ein Bier trinken sollen.
    Facebook und Twitter dürfen gar nicht zu sehen sein, zumindest nicht, wenn ich meine Arbeit erledigen will – schon gar nicht darf der Facebook-Chat im Hintergrund laufen.
    Ja, man kann die Chats stumm schalten, aber wer macht das schon?

    Ach ja. Und dann sind da ja noch die ständigen Anrufe auf dem Mobiltelefon
    Von Redakteuren, die auf Manuskripte warten; von Leuten, die ich wegen anderer Recherchen um Rückruf gebeten hatte. Wenn ich mich konzentrieren muss, läuft das Telefon neben mir auf dem Schreibtisch deshalb im "Nicht stören"-Modus. Dann klingelt es nur, wenn Bekannte anrufen.
    Banse vor Rechner mit Smartphone in der Hand
    Visuelle Hinweise auf Nachrichten und Ereignisse können sehr viel Sinn machen, etwa, wenn mich mein Kalender erinnert, dass gleich ein wichtiges Telefonat ansteht oder ich jetzt langsam mal losfahren sollte, wenn ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln noch rechtzeitig zu meinem Termin um 15 Uhr ankommen möchte.
    Es braucht aber eine Weile, alle visuellen Hinweise auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Völlig inakzeptabel sind hingegen Töne. Akustische Benachrichtigungen nerven. Alle. Ich habe auf meinem Smartphone daher alle Töne deaktiviert. Alle.