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Erfolg für Privatsparer
Gericht erklärt Negativzinsen auf Altverträge für unzulässig

Geld sparen und dafür auch noch draufzahlen? Das hatte die Volksbank Reutlingen im Sommer 2017 angekündigt. Für Sparguthaben ab 10.000 Euro wollte sie einen Negativzins einführen. Der Preisaushang wurde nach heftigem Protest zwar zurückgenommen, Verbraucherschützer haben den Fall trotzdem vor Gericht gebracht.

Von Thomas Wagner | 26.01.2018
    Ein Gerichtshammer.
    Das Landgericht Tübingen hat entschieden: Negativzinsen für Altsparverträge sind unzulässig (picture alliance / dpa / Andrey Starostin)
    "Die Verbraucherzentrale hat heute in vollem Umfang obsiegt."
    So Sebastian Wiest, Sprecher des Landgerichts Tübingen. Und tatsächlich: Im Urteil des vierten Zivilsenates heißt es klipp und klar: Die Erhebung von sogenannten "Negativ-Zinsen", also eine Art Strafen, für Spareinlagen, die seit längerem bestehen, sei rechtswidrig. Aber genau das ist auch der springende Punkt an dem Urteil: Es geht eben beispielsweise um Sparbücher oder Einlagen, die Kunden längst abgeschlossen haben - und zwar bevor die beklagte Volksbank Reutlingen an die Einführung von Negativ-Zinsen dachte.
    "Das Landgericht hat ausdrücklich in seiner Urteilsbegründung ausgeführt, dass Negativzinsen seiner Auffassung nach grundsätzlich möglich seien, aber eben die Problematik besteht, dass bei Altverträgen mit Verbrauchern soetwas durch allgemeine Geschäftsbedingungen nicht nachträglich einseitig eingeführt werden kann."
    Urteil mit Signalwirkung
    Und auch dieser Punkt ist ganz wichtig: Negativzinsen grundsätzlich möglich, ja - aber eben nicht für sogenannte "Altverträge", bei deren Abschluss die Kunden nicht wissen konnten, das möglicherweise über kurz oder lang Negativzinsen erhoben werde können.
    "Na, die Signalwirkung, die von diesem Urteil ausgeht, ist ganz wichtig, weil hier gezeigt wird, dass Banken nicht beliebig über die Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Verträge einfach verändern oder in ihr Gegenteil verkehren können."
    Denn, so Niklaas Haskamp, Sprecher der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: Nicht nur die beklagte Volksbank Reutlingen, sondern auch andere Banken liebäugelten republikweit damit, Kunden mit Negativ-Zinsen, will heißen Strafen fürs Sparen, zu belegen. Das Urteil des Landgerichts Tübingen habe aber klargestellt, dass dies bei Alt-Verträglichen nicht möglich sei,
    "weil da wird ja der Vertrag ins Gegenteil verkehrt: Was also einmal eine Geldanlage war, wird zu einem entgeltpflichtigen Verwahrvetrag oder so etwas."
    Entscheidung mit Wermutstropfen
    Ein Sparvertrag sei aber eben ein Sparvertrag, der eigentlich Ertrag abwerfen müsse, und eben genau kein Verwahrvertrag, für den die Kunden auch noch bezahlen müsten. Der kleine Wermutstropfen des heutigen Urteils: Diese Logik gelte eben nur für Altverträge, aber nicht für Neuverträge, bei denen die Kunden unter Umständen noch vor Vertragsabschluss auf die Möglichkeit von Strafzinsen aufmerksam gemacht werden können. Ganz grundsätzlich sind aber auch Negativ-Zinsen für Neuverträge der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg ein Dorn im Auge, betont Niklaas Haskamp:
    "Das war jetzt nicht Gegenstand dieses Verfahrens und dieser Abmahnung und Klage. Auch das sehen wir aber kritisch, weil: Nach unserer Auffassung können Verträge, die zur Geldanlage gedacht sind, nicht einfach in ihr Gegenteil umgekehrt werden können. Und das würden sie, wenn Negativzinsen verlangt werden."
    Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig
    Die Vertreterin der Volksbank Reutlingen, die bei dem Urteilsspruch anwesend war, wollte sich dazu erst einmal nicht äußern. Ohnehin ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig. Die Volksbank hätte Gelegenheit, dagegen Rechtsmittel einzulegen. Ob sie das tun wird, bleibt abzuwarten. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat im Gegenzug ihre feste Entschlossenheit bekundet, sich weiterhin sehr kritisch mit Negativ-Zinsen auf Spareinlagen auseinanderzusetzen - wenn es sein muss auch vor Gericht.