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Erfolgsgeschichte der bösen Buben

Wilhelm Busch bot dem Dresdner Verleger Heinrich Richter seine Bildergeschichte "Max und Moritz" als Wiedergutmachung an, denn im Jahr zuvor hatte Richter seine "Bilderpossen" herausgegeben, aber kaum Exemplare davon verkauft. Der Dresdner wollte jedoch kein erneutes Risiko eingehen und winkte ab. Busch wandte sich also an seinen alten Verleger Caspar Braun - und so begann die Erfolgsgeschichte der bösen Buben am 4. April 1865 in München.

Von Eva Pfister | 04.04.2005
    "Ach, was muss man oft von bösen
    Kindern hören oder lesen!
    Wie zum Beispiel hier von diesen,
    Welche Max und Moritz hießen. "

    Für seine "Bubengeschichte in sieben Streichen" erhielt Wilhelm Busch 1000 Gulden. So viel Geld hatte er noch nie auf einem Haufen gesehen. Aber der Münchner Verleger Caspar Braun hatte das wahre Potential der Bildergeschichte erkannt und sich daher im Vertrag alle Rechte gesichert. Am 4. April 1865 erschien "Max und Moritz", und von da an jedes Jahr mindesten eine neue Auflage. Mit dem Geld konnte Braun seinen Verlag sanieren; der Künstler hingegen war am finanziellen Erfolg nicht mehr beteiligt.

    "Ja, zur Übeltätigkeit,
    Ja, dazu ist man bereit! "

    Wilhelm Buschs Bescheidenheit hatte ihre Gründe. Der Erfinder des neben dem "Struwwelpeter" berühmtesten deutschen Kinderbuchs war mit 33 Jahren ein gescheiterter Maler. Der 1832 in Niedersachsen Geborene besuchte die Kunstakademien in Düsseldorf, Antwerpen und München, hatte aber mit seinen Bildern keinen Erfolg. Hingegen kam er im Künstlerverein Jung-München mit seinem Humor gut an und kritzelte zur Belustigung seiner Kollegen kleine Karikaturen auf Bierdeckel. Als Caspar Braun ihm 1859 die Mitarbeit an seiner satirischen Wochenschrift "Die Fliegenden Blätter" anbot, war dies Buschs erste - auch finanzielle - Anerkennung.

    Obwohl einige Pädagogen vor der Grausamkeit der beiden Buben zurückschreckten, wurde "Max und Moritz" von den Eltern akzeptiert, schließlich folgte die Strafe für die bösen Streiche auf dem Fuß.

    "Aber wehe, wehe, wehe!
    Wenn ich auf das Ende sehe!
    Ach, das war ein schlimmes Ding,
    Wie es Max und Moritz ging. "Max und Moritz" wurde schon zu Wilhelm Buschs Lebzeiten in zehn Sprachen übersetzt. Heute weiß man von 190 Übersetzungen in andere Sprachen und Dialekte und schätzt die Auflagenhöhe auf mehrere Millionen. Man hat mit "Max und Moritz" Werbung gemacht, sie dramatisiert und von beliebten Komikern lesen lassen, von Loriot ebenso wie - hier zu hören - von Heinz Rühmann.

    Manche glauben allerdings, dass der Erfolg auf einem Missverständnis beruht. Unbestritten ist die Qualität der Holzschnitte und der witzigen lakonischen Verse, die Streiche jedoch sind nicht harmlos:

    "Max und Moritz, gar nicht träge,
    Sägen heimlich mit der Säge,
    Ritzeratze! Voller Tücke,
    In die Brücke eine Lücke. "

    So lassen sie Schneider Böck ins Wasser fallen, sie stehlen die Hühner der Witwe Bolte und stopfen Lehrer Lämpel Flintenpulver in seine Pfeife. Und doch sympathisiert der betrachtende Leser - auch der Erwachsene - mit der anarchischen Lust, mit der Max und Moritz die braven Kleinbürger aus ihrer Ruhe aufschrecken. Die betont Busch ja nicht zufällig.

    "Ach spricht er: Die größte Freud
    Ist doch die Zufriedenheit "

    So groß ist das Behagen von Lehrer Lämpel, kurz bevor er mit der Pfeife in die Luft fliegt.

    Die Schadenfreude wird dadurch etwas legitimiert, dass all die braven Bürger durch Max und Moritz zwar Schaden erleiden, aber niemand ernsthaft verletzt wird. Anders ergeht es den bösen Buben selbst. Sie werden durch die Schrotmühle gedreht und von des Müllers Hühnern aufgepickt, und diese Todesstrafe erscheint allen gerecht.

    "Als man dies im Dorf erfuhr,
    War von Trauer keine Spur.
    Witwe Bolte, mild und weich,
    Sprach: "Sieh da, ich dacht’ es gleich!"
    "Jajaja!" rief Meister Böck.
    "Bosheit ist kein Lebenszweck!"

    Mit ätzender Ironie hielt Wilhelm Busch den Spießern seiner Zeit den Spiegel ihrer Doppelmoral vor, - ohne seine Beliebtheit einzubüßen.

    In seiner Verskunst brachte Busch die Ironie auf ein literarisches Niveau, wie es seit Heinrich Heine nicht mehr erreicht worden war. Ganz wie dieser verwendete auch er das Pathos, um die Fallhöhe zum Banalen zu verdeutlichen, wie in der Trauer der Witwe Bolte um ihre aufgeknöpften Hühner:

    "Fließet aus dem Aug’, ihr Tränen!
    All mein Hoffen, all mein Sehnen,
    Meines Lebens schönster Traum
    Hängt an diesem Apfelbaum!"

    Wilhelm Busch war kein politisch engagierter Mensch, er blieb sein Leben lang ein Außenseiter und Freigeist. Dies machte ihn zum genauen Beobachter, so dass Golo Mann in seiner "Deutschen Geschichte" feststellen konnte:
    "Wer etwas erfahren will vom Geist des deutschen Bürgertums in der Bismarckzeit, der kann es in den Busch-Alben besser als in manchen gesellschaftswissenschaftlichen Traktaten. "