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Serie: Tolle Idee! Was wurde daraus?
Geothermische Nutzung von Abraumhalden ist schwierig

Könnten schwelende Halden als Energiequelle für die Geothermie dienen? Ob diese Idee trägt, hat das Bundesforschungsministerium in einem Förderprojekt untersuchen lassen - und zwar im Ruhrgebiet, wo Abraumhalden die Landschaft prägen. Denn einige von ihnen qualmen noch.

Von Volker Mrasek | 09.05.2017
    Geöffnete Testsonde auf der Althalde: Dampf zeugt von der Tiefenhitze
    Eine geöffnete Testsonde auf der Althalde: Der Dampf verrät die Tiefenhitze (aix-o-therm GeoEnergien)
    Das Ruhrgebiet, Zentrum des Steinkohle-Bergbaus in Deutschland. Jahrzehnte lang wurde hier unter Tage gefördert - und über Tage aufgeschüttet. Das Revier ist nicht nur Industrie-, sondern auch eine Hügellandschaft.
    "Wir sind jetzt auf der Halde Wehofen-West. Eine 42 Hektar große Althalde. Das ist ein modellierter Tafelberg mit verschiedenen Ebenen, die man Berme nennt. Und man kann von einer Berme zur anderen rauffahren und kann dann oben einen sehr schönen Ausblick genießen, 75 Meter über dem Meeresspiegel."
    Peter Schacky ist Maschinenbau- und Umweltingenieur. Er arbeitet für den Stahlkonzern ThyssenKrupp. Der beaufsichtigt die Halde an der Autobahn 59 bei Dinslaken. Bis 1984 wurde hier abgekippt: zuletzt Abfälle aus der Stahlindustrie, davor jahrzehntelang Gesteinsschutt aus dem Bergbau.
    "Wir stehen nicht auf schwarzer Kohle. Wir stehen auf Schlacke. Das ist die oberste Schicht."
    Mit auf der Halde an diesem Tag: der Brandschutzexperte Jörg Kayser von der früheren Deutschen Montantechnik. Heute heißt sie nur noch DMT.
    "Und die Schlacke kam da rein, weil hier Haldenbrände bekannt waren. Und da wollte man das Bergematerial mit den Schlacken ein bisschen vermischen, um so die Haldenbrandgefahr zu senken."
    Riesige Abraum-Berge, die still und leise vor sich hin kokeln, und das schon seit Jahrzehnten - in Deutschland gibt es fast 20 davon. Nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch im Saarland und im Raum Aachen. Die Althalden bestehen vorwiegend aus Gesteinsschutt. Sie enthalten aber auch Steinkohlereste.
    "Früher war die Aufbereitungstechnik sehr schlecht, so dass man sagt: Halden vor 1970 haben einen Kohleanteil, also einen brennbaren Bestandteil von über 30 Prozent teilweise. Das heißt, da haben wir auch die Gefahr, dass sich Halden selbst entzünden können."
    Verräterischer Regen: Der verborgene Hitzeherd in der Halde lässt eindringendes Niederschlagswasser verdampfen
    Verräterischer Regen: Der verborgene Hitzeherd in der Halde lässt eindringendes Niederschlagswasser verdampfen (aix-o-therm GeoEnergien)
    In Dinslaken wollte man aus der Not eine Tugend machen. Und testen, ob sich aus den Hitzeherden wenigstens Wärme gewinnen lässt. Ein Projekt, das über fünf Jahre lief, gefördert vom Bundesforschungsministerium. Auf der Halde wurden sogenannte Erdwärmesonden installiert, mit Doppelrohren aus Stahl. In ihnen strömt kaltes Wasser in die Tiefe und kommt dann aufgeheizt wieder nach oben.
    "Also, die Zahl, die da steht, bedeutet, dass das ein Messpunkt ist. Messpunkt 90213. Wir liegen hier zwischen 250 und 300 Grad Celsius, gute zehn Meter unter uns. Fünf Messpegel rundherum. Und in der Mitte ist dann der Wärmetauscher. Wir öffnen diese Pegel auch regelmäßig und machen dort Gas- und Temperaturmessungen. Auch jetzt noch."
    "Wenn wir so einen Pegel öffnen, müssen wir natürlich gucken, dass wir hier nicht auf einmal in einer CO-Wolke stehen. Also, Kohlenmonoxid ist ja nicht so gesund für den Menschen."
    Die Brandnester waren zwar viel heißer als erwartet. Die Forscher ermittelten Temperaturen bis zu 430 Grad Celsius im Haldeninneren. Und dennoch:
    "Die Wärmemenge, die herausgekommen ist, ist deutlich geringer, als wir das erhofft hatten."
    Der Geologe Roland Gaschnitz, Inhaber der Firma aix-o-therm Geoenergien. Auch er war bei dem Verbundprojekt mit dabei:
    "Wir haben festgestellt: Wenn die Kohle verbrannt ist, entstehen auch Hohlräume, die dann isolierend wirken und den Wärmezustrom zu diesen Erdwärmesonden reduzieren. Das ist quasi der Flaschenhals, der die Leistungsfähigkeit dieser Erdwärmesonden begrenzt."
    Energieausbeute reicht nicht aus
    Trotz der enormen Hitze an einer Stelle der Halde blieb der Ertrag deshalb am Ende enttäuschend:
    "Wir haben kontinuierlich über einen Zeitraum von gut einem Jahr Wärme herausgeholt in der Größenordnung von bis zu 8 Kilowatt. Ist vielleicht zu vergleichen mit der Wärmeleistung, die ein modernes Einfamilienhaus in der Größenordnung von 150, 160 Quadratmetern heutzutage braucht."
    Die Hoffnung war eigentlich, ein viel größeres Verwaltungsgebäude in der Nähe mit der Haldenwärme zu heizen, so Bergbauingenieur Jörg Kayser:
    "Das hat aber nicht funktioniert, weil wir einfach nicht genug Energie gewinnen konnten. Man müsste nachher zu viele Sonden bohren. Das kostet natürlich wieder Geld, das ist wirtschaftlich wieder nicht sinnvoll."
    Die Fördergelder gehen aus
    Die Forscher hätten gerne noch weiter gemacht. Um zu sehen, ob der Wärmeertrag auch über längere Zeiträume stabil bleibt. Doch weitere Fördermittel bewilligte das Bundesforschungsministerium nicht mehr. Von einem Scheitern des Projektes will Roland Gaschnitz aber nicht sprechen:
    "Für uns, ganz klar, liegen in den Halden Energie-Potenziale brach. Man muss sie differenzierter begutachten und untersuchen, als wir das sicherlich am Anfang des Projektes gedacht haben. Aber vom Grundsatz her ist dieses technische Konzept verfügbar und kann in einer etwas abgewandelten Weise, zum Beispiel unter der Verwendung von Wärmepumpen, selbstverständlich an anderen Standorten auch eingesetzt werden."
    Konkrete Planungen oder Projekte stehen aber bisher aus. Und so produzieren die Althalden in Deutschlands Steinkohle-Revieren zwar weiter klimaschädliches Kohlendioxid, wenn sie vor sich hin kokeln - aber keine nützliche geothermische Energie.