Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Ermittlungen gegen "netzpolitik.org"
"Journalisten sind nicht sakrosankt"

Der CSU-Politiker Stephan Mayer hält die Kritik an den Ermittlungen gegen das Blog "netzpolitik.org" für unangebracht. Es sei nicht Aufgabe der Politik, zu bewerten, ob ein hinreichender Anfangsverdacht für Ermittlungen gegeben sei, sagte er im DLF. Journalisten und Pressevertreter agierten zudem nicht im luftleeren Raum.

Stephan Mayer im Gespräch mit Gerd Breker | 31.07.2015
    Stephan Mayer, CSU
    Stephan Mayer wies Kritik an den Ermittlungen zurück. (imago/Heinrich)
    Meyer sagte weiter, als Mitglied der Legislative sollte man sich zurückhalten, wenn es um die Bewertung der Arbeit des Generalbundesanwalts gehe. "Und wenn Journalisten Geheimdokumente veröffentlichen oder weitergeben, dann machen sie sich genauso strafbar wie andere Personen oder wie zum Beispiel auch Mitglieder von parlamentarischen Kontrollgremien, die genauso sich strafbar machen, wenn sie geheimhaltungsbedürftige Dokumente in fremde Hände geben."
    Der Politiker ist innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium sowie stellvertretendes Mitglied im NSA-Untersuchungsausschuss.
    Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen die Blogger von "netzpolitik.org" wegen des Verdachts auf Landesverrat. Sie hatten über Verfassungsschutz-Pläne für den Ausbau der Internet-Überwachung berichtet.

    Das Interview in voller Länge:
    Gerd Breker: "netzpolitik.org" hatte Pläne des Verfassungsschutzes zum Ausbau der Internetüberwachung geschrieben und dazu auch Auszüge von Dokumenten des Inlandsgeheimdienstes veröffentlicht. Der Verfassungsschutz selbst hat dann Anzeige erstattet. "netzpolitik.org" ist einer der bekanntesten deutschsprachigen Blogs und wurde 2014, also im letzten Jahr mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Die Blogger setzen sich für digitale Bürgerrechte ein. Nun ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen Geheimnisverrat. Gegen den Chefredakteur und Gründer der Plattform wie auch gegen den Autor des Beitrags - und gegen Unbekannt. Denn unbekannt ist immer noch derjenige, der die Dokumente des Verfassungsschutzes weitergegeben hat.
    Und am Telefon sind wir nun verbunden mit Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Tag, Herr Mayer!
    Stephan Mayer: Guten Tag, grüß Gott!
    Breker: Der Verfassungsschutz war es, der Anzeige erstattet hat. Und kann da der Bundesanwalt eigentlich anderes tun als zu ermitteln?
    Mayer: Wenn der Generalbundesanwalt einen Anfangsverdacht für gegeben sieht, dann ist es seine Aufgabe, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Und ich glaube nicht, dass es die Aufgabe der Politik ist und Vertreter der Legislative, zu bewerten, ob dies statthaft ist. Wir haben Gewaltenteilung in Deutschland und ob der Anfangsverdacht nun statthaft und gegeben ist oder nicht, das entzieht sich meiner Kenntnis, das kann ich nicht bewerten. Aber ich glaube, auch andere Kolleginnen und Kollegen, die sich jetzt sehr schnell geäußert haben und Kritik an diesem Ermittlungsverfahren geübt haben, sollten sich da auch eher zurückhalten.
    "Es ist auch eine Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit"
    Breker: Die Anzeige des Verfassungsschutzes, ist das nicht auch irgendwo ein Eingeständnis des eigenen Versagens?
    Mayer: Nein, das würde ich so nicht sehen. Es ist leider wirklich eine Unart im politischen Berlin, die in den letzten Monaten und Jahren deutlich zugenommen hat - und ich würde sogar sagen, es ist nicht nur eine Unart, sondern es ist auch eine Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit -, dass sukzessive mehr Dokumente in die Öffentlichkeit geraten, die dort nichts verloren haben, die entweder Geheimdokumente sind oder zumindest als vertraulich eingestuft sind und nicht dafür gedacht sind, dass sie ans Licht der Öffentlichkeit gelangen.
    Breker: Nur, die müssen ja aus der Behörde kommen!
    Mayer: Ich würde nicht sagen, die müssen aus der Behörde kommen, die können aus auch politischen, aus parlamentarischen Gremien kommen, die können von Mitarbeitern weitergegeben werden. Ich möchte mich da wirklich nicht in die Situation begeben zu bewerten, wer diese Dokumente weitergegeben hat. Nur, dass dies eine Unart ist, die wirklich durchaus Deutschland mal in schwerer Weise zum Nachteil gereichen kann, das ist, glaube ich, unbestritten. Und deswegen ist es aus meiner Sicht auch das gute Recht des Bundesamtes für Verfassungsschutz, entsprechende Strafanzeigen zu erstatten, wenn sie der Auffassung sind, dass hier der Straftatbestand des Landesverrats vorliegt.
    Breker: Wer immer auch diese Dokumente weitergegeben hat, den wird man suchen, möglicherweise auch gar nicht finden. In der Regel findet man diese Whistleblower ja nicht. Aber die Journalisten, die kann man finden, denn die unterschreiben ihre Beiträge ja auch mit Namen. Das hat irgendwie einen seltsamen Beigeschmack, dass nun gegen die ermittelt wird!
    Mayer: Natürlich ist die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland ein sehr, sehr wichtiges und unverzichtbares Grundrecht, Journalisten genießen hier einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz, vollkommen zu Recht und das wird auch von keinem bestritten. Aber natürlich sind auch Journalisten nicht sakrosankt. Und wenn Journalisten Geheimdokumente veröffentlichen oder weitergeben, dann machen sie sich genauso strafbar wie andere Personen oder wie zum Beispiel auch Mitglieder von parlamentarischen Kontrollgremien, die genauso sich strafbar machen, wenn sie geheimhaltungsbedürftige Dokumente in fremde Hände geben.
    "Man kann schon davon ausgehen, dass hier zumindest der Anfangsverdacht des Landesverrats gegeben ist"
    Breker: Die Assoziation in dieser Situation zur "Spiegel"-Affäre damals, die drängt sich auf. Der Verfassungsschutz ist offenbar nur bedingt abwehrbereit?
    Mayer: Das ist immer so eine Pauschalkritik am Verfassungsschutz. Der Verfassungsschutz in Deutschland ist sehr wichtig, genauso wie der Bundesnachrichtendienst. Und das sind sehr große Behörden, in denen werden auch mal Fehler gemacht. Aber auch hier möchte ich betonen, nicht jeder Fehler ist ein Skandal. Und wenn der Verfassungsschutz jetzt auch die Spionageabwehr intensiviert, auch den 360-Grad-Blick vornimmt und die Spionageabwehr insgesamt in Deutschland weitet, dann ist das meines Erachtens ein sehr wichtiger und zielgerichteter Ansatz. Wenn dann aber diesbezüglich Dokumente veröffentlicht werden und in die Öffentlichkeit geraten, dann besteht einfach nun mal die unmittelbare Gefahr, dass andere Länder, andere Nachrichtendienste die Zusammenarbeit mit Deutschland, mit den deutschen Nachrichtendiensten infrage stellen, möglicherweise aufkündigen. Sodass man schon davon ausgehen kann, dass hier zumindest der Anfangsverdacht des Landesverrats gegeben ist.
    Breker: Gegen zwei Journalisten wird ermittelt vom Bundesanwalt, aber gegen die NSA wird nicht ermittelt. Ist schon seltsam, Herr Mayer!
    Mayer: Ich bin ja auch der Meinung, dass man durchaus auch ... Ich möchte jetzt dem Generalbundesanwalt keine Vorgaben machen, aber man könnte ja auch gegen die NSA oder gegen andere amerikanische Nachrichtendienste ermitteln, was insbesondere auch die Veröffentlichung der letzten Wochen anbelangt. Also, der Generalbundesanwalt ist hier gehalten, nicht nur auf einem Auge intensiv zu blicken, sondern beide Augen offenzuhalten. Aber ich möchte mich wirklich zurückhalten, dem Generalbundesanwalt Ratschläge oder Vorgaben zu machen, wie es andere Kolleginnen und Kollegen tun. Wir haben die Gewaltenteilung in Deutschland, ich glaube, das ist ein sehr wichtiges demokratisches und rechtsstaatliches Prinzip und deswegen sollte man sich auch als Mitglied der Legislative etwas zurückhalten, wenn es um die Beurteilung und Bewertung der Arbeit des Generalbundesanwaltes geht.
    "Vergleiche zur sogenannten "Spiegel"-Affäre nicht eins zu eins so ziehen"
    Breker: Wenn wir noch mal bei dieser Assoziation mit der "Spiegel"-Affäre bleiben, Herr Mayer: Damals hat der Bundesgerichtshof ein Verfahren schlichtweg abgelehnt.
    Mayer: Ja, man muss jetzt mal sehen, wie dieses Ermittlungsverfahren weiter verläuft. Es ist ja jetzt noch kein Hauptsacheverfahren eingeleitet, es sind gerade mal Ermittlungen begonnen worden, die können auch wieder eingestellt werden. Ich würde jetzt auch diese Vergleiche zur sogenannten "Spiegel"-Affäre nicht eins zu eins so ziehen. Es ist das gute Recht des Generalbundesanwalts, ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen, wenn er der Auffassung ist, dass ein Anfangsverdacht gegeben ist. Der kann sich erhärten, der kann sich auch wieder auflösen. Ich glaube, man sollte auch dies jetzt etwas unaufgeregter und weniger echauffiert betrachten und bewerten.
    Breker: Nur, Faktum bleibt doch, Herr Mayer, dass eigentlich jedes Ermittlungsverfahren einschüchtert!
    Mayer: Das sehe ich so nicht. Wie gesagt, die Presse- und Meinungsfreiheit ist eines der wichtigsten Grundrechte in unserer Verfassung und gerade auch aufgrund unserer Historie, glaube ich, ein Grundrecht, das nie zur Disposition gestellt werden sollte. Aber - und das ist mir eben auch wichtig zu sagen – Journalisten und Pressevertreter agieren natürlich nicht im luftleeren Raum. Also, wenn sie sich strafbares Verhalten zuschulden kommen lassen, dann müssen sie auch entsprechende Konsequenzen mit ins Kalkül ziehen. Und ich habe nicht den Eindruck, dass jetzt durch ein Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts eine große und flächendeckende Einschüchterung des gesamten Journalismus und der Journaille in Deutschland erfolgt.
    Breker: Im Deutschlandfunk war das die Einschätzung von Stephan Mayer, er ist der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Herr Mayer, ich danke Ihnen für das Gespräch!
    Mayer: Bitte schön, alles Gute!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.