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Ernährungsgewohnheiten auf See
Dicke Matrosen

Matrosen ernähren sich auf See viel zu üppig, ungesund und nehmen massiv zu - das ist das Ergebnis einer noch unveröffentlichten Studie Hamburger Mediziner und Ernährungswissenschaftler. Besonders betroffen sind den Forschern zufolge Seeleute aus dem Pazifikraum, die oft auch bei deutschen Reedereien anheuern.

Von Volker Mrasek | 21.06.2016
    Ein Containerschiff passiert den Panamakanal bei den Pedro Miguel-Schleusen
    Die Wissenschaftler registrierten eine Gewichtszunahme in einem Zeitraum von zwölf Monaten von durchschnittlich 5,9 Kilogramm - in Extremfällen sogar bis zu 20 Kilogramm. (picture alliance / dpa / Alejandro Bolivar)
    Viermal ging Robert von Katzler für die Studie auf große Fahrt, überquerte den Atlantik an Bord von Containerschiffen. In den knapp fünf Monaten war der Mediziner viel schwerer beladen als nur mit dem üblichen Seesack ...
    "Also, wenn man mit 400 Kilo Gepäck unterwegs ist, führt das zu gewissen Problematiken."
    Eine komplette Zentrifuge, etliche Messgeräte, Kühlboxen und andere Dinge - damit musste der Forscher jedes Mal einchecken. Zum Glück griff ihm jemand unter die Arme:
    "Das macht der Kran in dem Sinne. Die Bordwand ist da ungefähr 20 Meter hoch."
    Wirklich gewichtige Probleme hatten dann auch eher andere an Bord der Containerriesen. Auf den langen Schiffsreisen nahmen Besatzungsmitglieder zum Teil unglaublich stark zu. Das ist eines der Ergebnisse der neuen Studie über Ernährungsgewohnheiten auf hoher See. Marcus Oldenburg vom Hamburger Zentralinstitut für Arbeits- und Maritime Medizin:
    "Wir haben eine Gewichtszunahme in einem Zeitraum von zwölf Monaten von durchschnittlich 5,9 Kilogramm registriert. Mit Extremfällen bis zu 20 Kilogramm in diesem Zeitraum."
    Typisch sind solche massiven Gewichtssteigerungen für Seeleute aus Kiribati. Nach den Philippinen stellt der pazifische Inselstaat die meisten ausländischen Matrosen in Diensten deutscher Reedereien. An Bord der Schiffe wartet auf die Kiribati nicht nur harte körperliche Arbeit, sondern auch ein üppiges Essensangebot. Diese Kost sind sie aus ihrer Heimat nicht gewohnt. Auch deshalb fällt es ihnen vielleicht schwer, sich maßvoll zu ernähren.
    "Man bekommt an Bord drei warme Mahlzeiten. Zum Frühstück wird man gleich schon von einem Thüringer Würstchen begrüßt."
    "Gegessen wird sehr gerne Fleisch und in großen Mengen."
    "Man hat die großzügig dargebotene Portion verzehrt und sogar noch Nachschlag geholt."
    "Dieses Fleisch wird jetzt nicht unbedingt schonend gegart, sondern eher frittiert oder nochmal paniert."
    Wer sich so ernährt und so stark zunimmt, lebt nicht unbedingt gesund. Und das war auch der Auslöser für die Studie der Hamburger Mediziner. Eine große deutsche Reederei gab sie in Auftrag. Auf ihren Schiffen war es zu gesundheitlichen Problemen bei Seeleuten aus Kiribati gekommen. Laut Marcus Oldenburg gab es sogar zwei Todesfälle, bei denen der Verdacht bestand, sie könnten mit einer rapiden Gewichtszunahme an Bord zusammenhängen. Im Nachhinein habe das nicht mehr geklärt werden können ...
    "Aber wir wissen natürlich, dass eine Fehl- und eine Überernährung schon einen Risikofaktor darstellt insbesondere für Herz-Kreislauf-Erkrankungen respektive hier den Herzinfarkt, den Schlaganfall, oder aber auch Erkrankungen wie Diabetes mellitus."
    In diesem Sinne ist die Tätigkeit auf hoher See also ein Risikoberuf, wie die Studie zeigt. Nicht für europäische Matrosen, die kein auffälliges Ernährungsverhalten an den Tag legten. Aber für Seeleute aus Kiribati, Die nähmen auf den Schiffen viel mehr zu sich als von zu Hause gewohnt, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Birgit-Christiane Zyriax. Sie arbeitet im Herzzentrum der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf.
    "Und wenn ich das weiß, dann ist auch naheliegend, dass für diese Bevölkerungsgruppe explizit etwas gemacht werden muss."
    Das geschieht jetzt bei der Hamburger Reederei, die die Forscher beauftragt hat.
    "Also, es sind verschiedene Maßnahmen geplant. Es geht darum, einerseits zu überprüfen: Wie kann ich Essen anders einkaufen? Mehr Frischware, mehr Obst, Gemüse zum Beispiel. Das Nächste ist die Schulung von Köchen. Wie kann ich die verbessern? Und die anderen Dinge sind natürlich, die Seeleute auch direkt anzusprechen Und ihnen klar zu machen, wie wichtig dieses Ernährungsverhalten auch für ihre eigene Gesundheit ist. Also, es gibt quasi drei Schritte, die man korrigieren könnte."
    Die Arbeitsgruppe von Schifffahrtsmediziner Marcus Oldenburg bleibt dabei weiter am Ball. Sie wird wissenschaftlich überprüfen, ob es mit dem Drei-Punkte-Katalog tatsächlich gelingt, dass sich Seeleute aus Kiribati an Bord künftig nicht mehr so ungesund ernähren.
    "Wir hoffen, dass weitere Reedereien sich diesem Impuls anschließen werden. Wir stehen auf jeden Fall mit unserem wissenschaftlichen Know-how zur Seite."