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Erneuerbare Energien
Altmaier stellt sich gegen EU-Vorhaben

35 Prozent des EU-weiten Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen - und das bis zum Jahr 2030? Die EU-Institutionen beraten derzeit über einen entsprechenden Richtlinienentwurf. Warum der deutsche Wirtschaftsminister das Vorhaben kritisch sieht, erklärt Brüssel-Korrespondentin Nele Rößler.

Nele Rößler im Gespräch mit Jule Reimer | 13.06.2018
    Mehrere Windräder wurden mit einer Drohne von oben aufgenommen und sind im Abendlicht zu sehen.
    Bis 2030 sollen 35 Prozent des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen kommen, so ein Vorschlag des EU-Parlaments. (Imago/Chromorange)
    Jule Reimer: Deutschland war lange Vorreiter beim Ausbau der erneuerbaren Energien und setzte sich auch auf EU-Ebene für ehrgeizige Klimaziele ein. Allerdings: Am vergangenen Montag stand Bundeswirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier, der übrigens auch schon einmal Umweltminister war, beim Treffen mit seinen Amtskollegen in Luxemburg auf der Bremse als es darum ging, bis 2030 anspruchsvolle Ausbauziele für die erneuerbaren Energien zu formulieren. Heute beginnen die Trilogverhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, der EU-Kommission und dem Rat, also den Nationalregierungen
    Frage an die Kollegin Nele Rößler in unserem Brüsseler Studio, wogegen genau hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sich gestellt?
    Nele Rößler: Peter Altmaier hat sich am Montag gegen eine Richtlinie gestellt, die vorsieht, dass bis 2030 35 Prozent unseres gesamten Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen kommen. Das war ein vom Europäischen Parlament gebilligter Richtlinienentwurf für Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Altmaier hat sich aber nicht gegen erneuerbare Energien generell gestellt, sondern gesagt, dass die Finanzierbarkeit und Realisierbarkeit im Vordergrund stehen müsse. Deshalb müsse es weniger sein.
    Uneinigkeit in Klimafragen
    Altmaier sagte dazu, dass wir in Deutschland momentan einen Anteil von erneuerbarer Energie von 15 Prozent haben. Deutschland habe aber relativ viel Geld in diesen Sektor investiert, 25 Milliarden Euro pro Jahr würde das den Steuerzahler laut Altmaier kosten. Bis 2030 sei es nicht machbar, diesen Anteil um mehr als das Doppelte zu erhöhen. Begründet hat er das so:
    "Die Bürgerinnen und Bürger in Europa verlieren auch das Vertrauen in die Politik, wenn sie feststellen, dass wir sehr ambitionierte Ziele haben und einige Jahre später sich herausstellt, dass wir weit von ihrer Erfüllung entfernt sind."
    Das war Altmeier am Montag bei der Ratssitzung der EU-Energieminister.
    Reimer: Es gibt ja auch ganz andere Stimmen. Die Niederlande zum Beispiel forderten heute in Brüssel eine drastische Erhöhung der europäischen Klimaziele. Statt wie geplant um 40 Prozent sollten die Treibhausgase bis 2030 um 55 Prozent gesenkt werden. Wer streitet da mit wem, was sind die einzelnen Streitpunkte?
    Rößler: Ja, genau. Die Niederlande wollen wie viele EU-Mitgliedsstaaten, unter anderem auch Schweden, Italien und Frankreich ebenfalls die Richtlinie unterstützen. Zwischen Altmaier und dem französischen Vertreter in den Ratsverhandlungen am Montag gab es danach angeblich auch richtig Krach, weil man natürlich gerade im Moment eine gemeinsame EU-Politik haben möchte.
    Verbesserte Energieeffizienz
    Altmaier hat sich dadurch, dass er sich gegen diese, wie er es nennt, sehr ambitionierten Ziele gestellt hat, nicht nur gegen das Europäische Parlament gestellt, sondern auch gegen die deutsche Regierung. Das sagen jetzt zumindest einige. Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth hat dazu gesagt, dass Altmeiers Äußerung ein "klarer Verstoß gegen ressortabgestimmte Positionierung" gewesen sei.
    Das Europäische Parlament will neben der Richtlinie, die vorsieht, dass 35 Prozent unserer Energie aus erneuerbaren Quellen kommen, eine Richtlinie, die die Verbesserung der Energieeffizienz von 35 Prozent festlegt. Also das Haushaltsgeräte energieeffizienter werden, aber auch Gebäude besser wärmeisoliert. Außerdem sollen im Verkehrssektor 12 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen kommen. Das alles bis 2030.
    Reimer: Was bedeutet Trilog im Gesetzgebungsverfahren der EU, können wir da heute bereits mit einem fertigen Gesetz rechnen, was erwarten Sie von den Verhandlungen heute?
    Rößler: Trilogverhandlungen sind die Verhandlungen, bei denen das Europäische Parlament und der Europäische Rat miteinander verhandeln. Dabei sind auch Vertreter der EU-Kommission, die moderieren die Verhandlungen. Wenn man sich heute in den Trilogverhandlungen einigt, heißt das, dass die europäischen Institutionen den Beschluss nochmal bestätigen müssen. Bis die Richtlinien in das nationale Gesetz übertragen werden, dauert es wahrscheinlich noch zirka anderthalb Jahre.