Die Schwestern der ewigen Anbetung

Ein Gebet, das nie verstummt

Die Nonne Mechthild sitzt in Berlin im Kloster St. Gabriel im Besucherraum hinter einem Gitter, aufgenommen 2015.
Seit 2009 Oberin im Anbetungskloster St. Gabriel: Ordensschwester Maria Mechthildis © alliance / dpa / Daniel Bockwoldt
Von Bernd Sobolla · 02.09.2018
24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr, seit acht Jahrzehnten: Die Schwestern der ewigen Anbetung im Berliner Kloster St. Gabriel loben den Herrn ohne Unterlass, bitten und danken. Auch für die, die nicht beten können. Doch es fehlt an Nachwuchs.
5:30 Uhr im Kloster Gabriel, das Morgenlob beginnt. Zwölf Schwestern haben sich in der Kirche des Konvents versammelt. Außer ihnen sind drei Besucher im Gotteshaus. Ungefähr in der Mitte der Kirche befindet sich ein Gitter, das die Nonnen im vorderen Teil, wo der Altar steht, von den Besuchern im hinteren Bereich trennt. Hier verläuft die Grenze zwischen Kloster und weltlichem Leben.
Das Kloster gehört zum Steyler-Orden, der 1875 von dem deutschen Missionar Arnold Jansen im holländischen Steyl gegründet wurde. Neben dem Männerorden gibt es zwei Frauenorden: die Steyler-Missionsschwestern und die Steyler-Anbetungsschwestern.

Einer muss da sein, wachen und beten

Verantwortlich für die Anbetungsschwestern in Berlin ist die Oberin Maria Mechthildis. 1959 ordiniert, verbrachte sie die ersten Jahre in Steyl, dann war sie für jeweils mehrere Jahre in Klöstern in Argentinien, in Bad Driburg und wieder in Steyl. Seit 2009 ist sie Oberin im Kloster Gabriel.
Die Nonne Mechthild betet gemeinsam mit anderen Anbetungsschwestern in Berlin im Kloster St. Gabriel in der Kirche, aufgenommen 2015.
Oberin Maria Mechthildis betet gemeinsam mit anderen Schwestern – auch stellvertretend für Menschen, die sich mit ihren Sorgen an sie wenden.© picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt
Sie erläutert, warum die Anbetung rund um die Uhr so wichtig ist:
"Das Gebet ist, man möchte sagen, eine Weltmacht. Und weil viele Menschen sich nicht die Zeit nehmen – entweder weil sie nicht können oder auch nicht wollen – ist das auch im Geiste der Liebe und der Sühne gleichsam stellvertretend mit für andere. Mit liebendem Herzen. Ich muss oft in der Anbetung denken: ‚Einer muss da sein und wachen und beten.‘ Der Stifter wollte auch immer, dass wir Gottes Segen auf die Arbeit der Missionsschwestern und der Missionare herabrufen. Und überhaupt für die Anliegen der Menschen beten."

Die Schwestern lösen einander ab

Jeweils eine Schwester betet 30 oder 45 Minuten in der Kirche. Einige kniend vor dem Altar, einige alters- und gesundheitsbedingt sitzend auf der Bank. Außerdem gibt es das Chorgebet, zu dem alle siebenmal am Tag zusammenkommen, wie Schwester Maria Mechthild erläutert:
"Unsere Aufgabe ist die ewige Anbetung. Wie es auch in den Psalmen erwähnt wird: Laudes und dann Terz und Sext – Lesehore, Vesper und Komplet. Und das zieht sich durch den Tag."
Auch zum Angelus-Gebet um 11:45 Uhr kommen die Schwestern zusammen. Gab es früher zu Beginn jeder Anbetungsstunde vorgeschriebene Gebete, sei die Wahl heute jeder Nonne selbst überlassen, so die Oberin: "Man ist innerlich freier zu beten, was man möchte, ob man das meditativ macht oder auch Fürbitt-Gebete."

Briefe führen zu langjährigen Freundschaften

Vor allem wird zur Allerheiligsten, der konsekrierten Hostie, gebetet, dann zur Mutter Gottes.*) Besonders wichtig sind auch Anliegen, die von außen an die Schwestern herangetragen werden: Fast täglich bekommen die Nonnen Briefe mit der Bitte, dass die Schwestern für die Angehörigen der Schreibenden beten mögen. Diese Schreiben werden von den Nonnen persönlich beantwortet, und manchmal entwickeln sich daraus langfristige Beziehungen.
Oberin Maria Mechthildis: "Wir haben Familien, die Jahrzehnte mit uns in Verbindung stehen. Eine Frau hat jetzt wieder angerufen, die sagt immer: ‚Unser Sohn ist 45 Jahre, wir haben so viele Sorgen um den Sohn. Aber vorher haben wir schon immer ihnen zehn Jahre geschrieben und angerufen, ums Gebet gebeten, ehe er geboren wurde. Und da waren wir glücklich, dass er geboren wurde.‘ Also die stehen praktisch 55 Jahre mit uns in Verbindung."

Gebetsbitten werden erfüllt

Oft geht es bei den Fürbitten um Krankheit und Not. Manchmal sind es aber auch freudige Ereignisse: Die Tochter heiratet, ein Kind wird geboren, oder eine Urlaubsreise steht an.
Oberin Maria Mechthildis: "Und oft schreiben sie dann nachher: ‚Ja, die Krankheit ist besser geworden. Wir sind so dankbar!‘ Aber nicht immer ist das. Man kann nicht sagen, wir beten jetzt und auf einmal ist die Krankheit verschwunden. Das kann man nicht sagen. Aber oft wohl."
Eine Nonne im Rollstuhl sitzt in Berlin im Kloster St. Gabriel während eines Gebets in der Kirche, aufgenommen 2015. 
Seit Jahren ist die Zahl der Novizinnen im Kloster rückläufig.© picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt
Dankbar sind die Schwestern, wenn sie Spenden bekommen. Denn das Kloster braucht jeden Euro. Es gibt aber auch eine andere Not: Seit Jahren ist die Zahl der Novizinnen rückläufig. Lebten früher fast 40 Schwestern im Kloster Gabriel, sind es heute nur noch 18. Den 24-Stunden-Gebetsrhythmus aufrechtzuerhalten, fällt den Nonnen zunehmend schwer. Schon vor Jahren mussten sie um Hilfe von außen bitten. Und sie haben Unterstützung bekommen.

Wenig Geld und kaum Nachwuchs

Verschiedene Laien haben mehrere Gebetsstunden übernommen, vor allem abends zwischen 20 und 22 Uhr. Unter ihnen sind eine Peruanerin, ein junger Kroate, ein Afrikaner aus Benin und eine Polin. Außerdem gibt es gleich drei Gruppen der Philippinischen Gemeinde, die in der benachbarten Heilig-Geist-Kirche beheimatet sind und die drei Abende beten. Dienstags kommen sie sogar mit Gitarre.
Nachbarin: "Unsere Oberin hat uns gefragt, weil hier alle nicht mehr so jung, sind schon so alt. Die hat gefragt bei unserem Priester, ob man ein bisschen helfen kann mit dem Gebet. Weil Philippinos macht Gebet für ganze Welt. Und wir haben gesagt: ‚Ja.‘"
Doch die Philippina erlebt die Gebetszeit nicht als anstrengendes Opfer: "Ich bin von der Arbeit, ich bin zu k.o., weil ich putze. Aber ich dachte: Nein, ich bin k.o., aber ich muss gehen. Aber wenn ich gehe nach Hause: Ich bin glücklich. Mein Körper ist leicht."

Ein Taxifahrer übernimmt die Nachtschicht

Freitags betet die 83-jährige Waltraud Kahlau. Sie ist vor 40 Jahren zum Katholizismus konvertiert, weil sie sich von den Sakramenten angezogen fühlte:
"Nach meiner Konversion habe ich mich auch mit der Theologie eines Arnold Jansen beschäftigt, der also sagte: ‚Alle Missionsversuche, die wir haben, sollen betend unterstützt werden. Und dafür sind die Rosa-Schwestern da.‘ Es ist zusätzlich zu einer Messe eben eine Gebetsform gefunden worden von den Schwestern, die wirklich mystisch sind."
Und schließlich gibt es noch einen deutschen Taxifahrer, der dreimal wöchentlich zwischen vier und fünf Uhr morgens betet. Auf diese Weise bleibt der 24-Stunden-Gebetskreis intakt. Dennoch hat die Oberin, Schwester Maria Mechthildis, einen Wunsch für das Kloster: "Dass junge Schwestern dazukommen."
*) Anmerkung der Redaktion: Diesen Satz haben wir richtiggestellt.
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