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Ernte auch auf kargen Äckern

Umwelt. – Der großmaßstäbliche Anbau von Energiepflanzen macht logischerweise dem Anbau von Nahrungspflanzen Konkurrenz. Um dennoch den Anteil der Biomasse an der Energieversorgung zu steigern, versuchen deutsche Forscher, besonders karge Böden für den Anbau von Energiepflanzen zu ertüchtigen. Auf den Rekultivierungsflächen ehemaliger Braunkohletagebaue laufen diese Versuche.

Von Volker Mrasek | 17.08.2007
    "Jetzt mach’ ich hier meine Bodenfeuchtemessung. Heut’ Nacht hat es geregnet. Mal gucken, wie viel angekommen ist, hier in dem Boden speziell."

    Ein karges Stück Land im Braunkohlen-Tagebau Welzow-Süd bei Cottbus.

    "Wir haben 67 Löcher gebohrt, dort Glasfaserrohre eingebracht. Und können jetzt hier einfach einen etwa krückstockgroßen Sensor einführen."

    Die Fläche ist eingezäunt, der Boden staubtrocken, aber bewachsen: In rechteckigen Rabatten gedeihen Sonnenblumen, Buchweizen und Sommergerste. Vom Himmel brennt die Sonne.

    "Ich mach’ meinen Sensor an. So, jetzt ist er bereit."

    "Aha, also 8,3 Prozent Feuchte im Oberboden. Das ist ein ganz guter Wert dafür, dass es jetzt eigentlich seit drei Tagen 36 Grad hat."

    Christian Heck wird eine gute Stunde damit verbringen, die Messpunkte abzuklappern. Das macht der angehende Agrarwissenschaftler von der Universität Bonn alle paar Tage. Reichlich viel Aufwand für einen Standort, den Landwirte als "marginal" bezeichnen würden. Als minderwertig. Es ist aufgeschütteter Rekultivierungsboden, stark sandig und ohne Humusauflage.

    "Also für Sonnenblumen an sich, also im landwirtschaftlichen Sinne, nicht zu gebrauchen. Aber es ist ja auch eine Versuchsfläche."

    Auf dieser Testfläche im Lausitzer Braunkohlenrevier geht es nicht um Agrarforschung im klassischen Sinne. Sondern um Fragen der zukünftigen Energieversorgung. Was hier wächst, soll nicht zu Mehl oder Speiseöl verarbeitet werden, sondern zu Brennstoff für Biomasse-Kraftwerke und Autos. Wenn auf dem marginalen Boden schon kein Hochertrags-Getreide gedeiht, dann doch wenigstens Energiepflanzen. Das können nicht ganz so anspruchsvolle Kräuter und Gräser sein, aber auch schnellwüchsige Bäume wie Robinien oder Pappeln.

    "Das Ganze wäre natürlich eine Option, um diese Bergbau-Folgeflächen wieder zu nutzen."


    Werner Gerwin forscht an der Technischen Universität Cottbus. Zugleich leitet der Geograph den Feldversuch im Tagebau. Es ist eines der Projekte im aktuellen deutschen Klimaforschungsprogramm. So richtig sprießen aber auch Kräuter und Gräser nicht auf dem dürren Rekultivierungsboden. Die Wissenschaftler helfen deshalb ein bisschen nach: Sie applizieren Bodenhilfsstoffe, um die Scholle fruchtbarer zu machen. Hersteller solcher Präparate sind bei dem Projekt in der Lausitz mit dabei. So etwa die Firma Hoogen Bodensanierung mit einer Niederlassung in Senftenberg. Dort ist Nicole Merkl in Forschung und Entwicklung tätig. Über die Hilfsstoffe verrät die Biologin so viel: Sie enthalten Huminsäuren.

    "Huminsäuren sind großmolekulare Strukturen, die Nährstoffe speichern können. Das ist ein Punkt, also eine bessere Nährstoffversorgung durch Nährstoffspeicherung. Und außerdem sind Huminsäuren sehr wichtig für die Bildung von sogenannten Ton-Humus-Komplexen. Ton-Humus-Komplexe sind sehr wichtig, um Boden zu bilden."

    Ein anderes Produkt enthält zusätzlich pflanzliche Gär-Rückstände aus einer Biogas-Anlage. Gleichfalls willkommenes organisches Material für die kargen Tagebau-Böden. Merkl:

    "Damit habe ich letztes Jahr Versuche gemacht im Gewächshaus. Und da konnte ich zeigen, dass die Pflanzen unter Trockenstress deutlich besser wachsen können."

    Auf der Versuchsfläche im Tagebau Welzow-Süd werden nun drei Jahre lang verschiedene Bodenhilfsstoffe getestet. Um zu sehen, wie stark sie Humusgehalt und Wasserkapazität des bis dato kargen Bodens erhöhen. Die Ecke im Tagebau sei als Standort für das Experiment ideal, meint Wolfgang Schaaf, Geoökologe und Projektmitarbeiter von der TU Cottbus:

    "Sozusagen unter dem Schlagwort: Wenn das Ganze hier funktioniert, dann haben wir es wirklich unter extremsten Bedingungen getestet. Und dann macht ein Schritt in die Anwendung oder eben auch die Übertragung auf andere Standorte Sinn."

    Im Erfolgsfall winkt zusätzliches Ackerland für die Aufzucht von Energiepflanzen. In Zukunft wird das sicher nötig sein. Denn Biomasse soll ihren Beitrag als Ersatz für fossile Brenn- und Kraftstoffe weiter steigern. Es läuft also auf eine Flächenkonkurrenz mit dem Anbau von Nahrungspflanzen hinaus. Auch in Deutschland.