Mittwoch, 24. April 2024

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Ernteeinbußen durch Trockenheit
Gerig (CDU): "Verbraucher finden immer noch volle Regale zu günstigen Preisen"

Durch die extreme Trockenheit gebe es aktuell starke Ernteeinbußen, sagte der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im Bundestag, Alois Gerig, im Dlf. Er rechne aber nicht mit einem dramatischen Preisanstieg für die Verbraucher. Wirtschaftliche Ausfälle blieben meistens bei den Landwirten hängen.

Alois Gerig im Gespräch mit Mario Dobovisek | 16.07.2018
    Der Klimawandel schreitet voran. Nach regenreichen Frühjahren folgen immer häufiger heiße Sommermonate, die zu großer Trockenheit führen und insbesondere Weidetiere schaden (12.08.2015).
    Tierhalter machen sich wegen der Trockenheit Sorgen um ihre Futtergrundlage, so Gerig im Dlf. (dpa / Klaus Nowottnik)
    Mario Dobovisek: Das Wetter ist schön draußen im ganzen Land, herrlicher Sonnenschein, kaum Wolken am Himmel. Das ist heute so, war die letzten Wochen so, wird wohl auch noch so bleiben, von kurzen örtlichen Schauern und Gewittern abgesehen. Doch die helfen nicht. Der Boden ist ausgetrocknet, von den oberen Schichten bis metertief hinein ins Erdreich. Die Wissenschaftler sprechen nach extremer Dürre inzwischen von einer außergewöhnlichen Dürre.
    Rasenflächen sind braun, Parkbäume werfen ihre Blätter ab und Landwirte bangen um ihre Ernte. Selbst wenn jetzt noch großer Landregen käme, und der ist momentan gar nicht in Sicht, dann wäre es an vielen Orten längst zu spät für guten Ertrag. Der Bauernverband spricht schon jetzt von erheblichen Ernteausfällen. – Am Telefon begrüße ich Alois Gerig, für die CDU im Bundestag, dort Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses und selbst Landwirt in Höpfingen. Das liegt zwischen Mannheim und Würzburg. Guten Morgen, Herr Gerig.
    Alois Gerig: Einen schönen guten Morgen! Ich grüße Sie.
    Dobovisek: Wie stark trifft Sie persönlich als Landwirt die andauernde Trockenheit?
    Gerig: Jetzt sagen wir mal, in den südlichen Bundesteilen, da ist es ein bisschen besser. Aber wir haben auch extreme Trockenheit. Wir haben durchaus ordentliche Ernteeinbußen beim Getreide. Da steht die Ernte jetzt noch bevor. Aber wenn es nicht bald regnet, dann wird es auch bei Zuckerrüben und bei Mais sehr gravierende Ernteeinbußen geben.
    "Am härtesten trifft es die Futterbau-Betriebe"
    Dobovisek: Gravierend, sagen Sie. Wie dramatisch ist die Lage in ganz Deutschland?
    Gerig: Am schlimmsten und am härtesten trifft es die Futterbau-Betriebe, sprich Milchvieh und Rinder und Tierhalter, die um ihre Futtergrundlage Sorge haben. Im Norden und im Osten Deutschlands ist es auch ganz dramatisch, dass es bei Getreide sehr, sehr starke Ernteeinbrüche gibt. Insbesondere das Sommergetreide, das erst im Frühjahr ausgesät wird, sieht dort ganz dramatisch schlimm aus.
    Dobovisek: Wie wird sich diese Trockenheit, diese Dramatik, und die Ernteausfälle auch auf den Verbraucher auswirken?
    Gerig: Das kann ich nicht sagen. Seither war es ja immer so, dass natürlich global durch Import/Export sehr vieles ausgeglichen werden kann. Die Verbraucher finden bei uns immer noch volle Regale zu sehr günstigen Preisen. Ich muss sagen, dass die Lebensmittel in Deutschland günstiger sind als fast überall auf der Welt. Gerade mal zehn Prozent der Konsumausgaben gibt der deutsche Verbraucher für Nahrungsmittel aus. Deswegen befürchte ich jetzt nicht gleich einen dramatischen Anstieg für die Verbraucher.
    Dobovisek: Das bedeutet aber gleich, Herr Gerig, wenn ich da einhaken darf, dass dann die wirtschaftlichen Ausfälle bei den Landwirten hängen bleiben.
    Gerig: Das war in der Vergangenheit meistens so, dass die wirtschaftlichen Ausfälle bei den Landwirten hängen bleiben. Die Verbraucher werden es verkraften können. Es ist aber gut und wichtig, dass wir solche Debatten mal führen, auch über die Zukunft der Landwirtschaft. Wir erleben ohnehin einen sehr starken Strukturwandel und das wird den einen oder anderen potenziellen Jungbauern dann doch noch davon abhalten, den Hof der Eltern zu übernehmen. Das sind ganz dramatische Auswirkungen, die wir heute noch gar nicht absehen können.
    "Wichtig, dass der Bund auch was tut"
    Dobovisek: Bevor wir über das Langfristige sprechen, würde ich gerne noch mal kurz im Hier und Jetzt bleiben. Der Bauernverband und Teile der Opposition fordern Liquiditätshilfen für die Landwirte, Sofortmaßnahmen zur Überbrückung. Ist das ein Weg, den Sie in der Unions-Fraktion mitgehen könnten?
    Gerig: Ja, das auf jeden Fall. Da gibt es ja klare Spielregeln. Wenn es ein Schadereignis von lokalem oder regionalem Ausmaß ist, sind die Bundesländer gefordert. Beispielsweise hat im vergangenen Jahr, als in Süddeutschland durch Spätfroste weite Teile von Obst und auch Rebernte geschädigt oder ausgefallen sind, Baden-Württemberg 50 Millionen als Soforthilfe gegeben. Jetzt sage ich, bei dieser Trockenheit und dem Ausmaß ist es durchaus von nationalem Umfang, und deswegen ist es wichtig, dass der Bund auch was tut, Liquiditätshilfe, natürlich Steuerstundung.
    Das sind Dinge, die man kurzfristig machen kann. Ich kann mir auch vorstellen, dass es vielleicht Transporthilfe für Futtermittel gibt oder dergleichen mehr, was wir als Agrarpolitiker auch von der Union schon in der letzten Legislaturperiode massiv gefordert haben, eine Risiko-Ausgleichsrücklage steuerlicher Art, wo die Landwirte selbst eine Rücklage bilden können, um solche dramatischen Ernteverluste nachher ausgleichen zu können.
    Dobovisek: Warum sehen das Ihre Parteifreunde, die Verantwortung tragen, ganz offensichtlich anders? Denn solche Hilfen sind nicht auf dem Weg.
    Gerig: Es ist so, dass wir eine Steuerglättung eingeführt haben, die aber jetzt noch zu wenig greift, und wir müssen da weiter dran arbeiten. Es ist in der Demokratie so, dass man immer um Mehrheiten ringen muss. Man muss auch die Finanzpolitiker der unterschiedlichen mitregierenden Parteien überzeugen können. Deswegen war das, was wir in der letzten Legislaturperiode mit dieser Steuerglättung erreicht haben, für mich noch zu wenig.
    Dobovisek: Das was wir gerade erleben – und damit kommen wir wieder zurück zu den langfristigen Folgen – ist das, was uns Klimaforscher schon lange voraussagen: Die Sommer werden wärmer und trockener. Extrem-Wetterereignisse wie Starkregen nehmen zu. Wie sollten sich Landwirte, aber auch Verbraucher darauf langfristig einstellen?
    Gerig: Wir müssen auf jeden Fall gucken, dass wir uns in der Landwirtschaft auch bei dem Anbau der Kulturen noch ein bisschen breiter aufstellen, dass wir in der Lage sind, resistente Sorten zu haben. Und wir müssen auch darüber nachdenken, wie man über eine derzeit schon fast übliche klassische Hagelversicherung hinaus weitere Schadensereignisse versichern kann, weil gerade diese Unwetter-Ereignisse lokal häufig sehr extrem sind und absolut die Existenz eines landwirtschaftlichen Betriebes bedrohen, wenn diese Schadereignisse nicht versichert werden können.
    Auch das ist etwas, wo ich sage, darüber müssen wir nachdenken, und wir müssen wirklich dafür Sorge tragen, dass auch die Verbraucher durchaus noch ein bisschen bewusster einkaufen, dass sie regionale Landwirtschaft stützen. Das ist gut für die Kulturlandschaft, das ist für die Vielfalt der Kulturen gut, und in Deutschland werden auch die besten Lebensmittel weltweit produziert. Das kann man nachweisen. Wenn die Verbraucher und die Handelsketten da ein Stück weit mitmachen, wenn vielleicht durchaus die Lebensmittel noch ein paar Prozent teurer werden, werden das die Verbraucher verschmerzen.
    "Wir müssen noch ein bisschen bewusster werden"
    Dobovisek: Das klingt ziemlich grün, was Sie da sagen. Klingt nach einer schwarz-grünen Koalition fürs nächste Mal.
    Gerig: Ich sage immer, ich bin der Grüne unter den Schwarzen. – Damit habe ich überhaupt kein Problem. Ich bin insbesondere einer, dem das Herz ein Stück weit an der Landwirtschaft hängt und für die ländlichen Räume schlägt. Deswegen sage ich, wir müssen noch ein bisschen bewusster werden, damit auch kleine familiengeführte bäuerliche Betriebe die Wertschätzung und auch die Wertschöpfung kriegen, die sie verdienen. Es werden einfach noch zu viele Höfe aufgegeben.
    Dobovisek: Alois Gerig von der CDU, Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses im Bundestag. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
    Gerig: Bitte schön! Einen schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.