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Erntehelfer in Brandenburg
Bau statt Spargelernte

In Brandenburg bauen knapp 100 Betriebe Spargel auf mehr als 4.000 Hektar an. Das sind 17 Prozent der gesamten Spargelanbaufläche Deutschlands. Doch in diesem Jahr müssen fast alle Produzenten einen Teil der Ernte auf den Feldern lassen: Die osteuropäische Erntehelfer arbeiten lieber auf dem Bau.

Von Vanja Budde | 15.05.2018
    Ein Arbeiter sticht auf einem Feld nahe Klaistow (Brandenburg) Spargel.
    Ein Arbeiter sticht auf einem Feld nahe Klaistow (Brandenburg) Spargel. (Ralf Hirschberger, dpa picture-alliance)
    "Sie können aber auch gerne fünf Kilo Bruch kriegen, ein Tagesangebot, wie wär’s denn damit?"
    Der Verkaufsladen auf dem Spargelhof der Familie Jakobs bei Beelitz lockt mit Angeboten. Denn der Markt ist voll mit dem Edelgemüse: Wegen des warmen Wetters sprießen die weißen Stangen auch hier, in Brandenburgs größtem Anbaugebiet, quasi über Nacht aus der Erde. Doch nicht alles kann geerntet werden. Auf einem seiner großen Felder am Ortsrand rechnet Spargelbauer Jürgen Jakobs vor - für ihre 250 Hektar bräuchten sie eigentlich 350 Erntehelfer, doch nur 265 sind gekommen, 85 fehlen:
    "Und das hat sich auch in der Ernte bemerkbar gemacht. Wir haben zirka 20 Hektar vorzeitig stillgelegt. In der Ernte sind das fast 100.000 Kilo. Also bei einem Wert von drei bis vier Euro, drei- bis vierhunderttausend Euro."
    Und das angesichts sinkender Preise: Heimischer Spargel in der Handelsklasse I ist im Großmarkt bundesweit derzeit schon für vier bis fünf Euro zu haben. Auf den Spargelfeldern in Beelitz arbeiten seit einigen Jahren immer weniger Polen, denn sie finden auch zu Hause oder in anderen EU-Ländern lukrativere Arbeit. Die Lücken wurden mit Personal aus Rumänien gefüllt, doch auch diese Hilfskräfte finden mittlerweile anderswo bessere Bedingungen, sagt Jürgen Jakobs:
    "Die Baubranche saugt halt sehr viel Personal auf, auch die Paketzusteller. Die Leute kriegen dort halt vielleicht auch noch mal zwei, drei Euro die Stunde mehr, und die Arbeit auf unseren Feldern ist ja ohnehin ganz schön beschwerlich. Insofern ziehen wir als Landwirtschaft den Kürzeren."
    Spargelstechen bleibt Handarbeit
    Hier zieht ein Arbeiter die weiße Plastikfolie noch von Hand von den Spargelreihen, die jeden Tag kontrolliert werden müssen. Viele Produzenten haben bereits so genannte Spargel-Spinnen angeschafft, die die schweren Folien maschinell bewegen. Doch Spargelstechen bleibt harte Handarbeit, bei der man sich dauernd bücken muss, den zarten Spargelkopf vorsichtig frei kratzen, mit dem Stecher tief ins Beet bohren. Das geht aufs Kreuz.
    Jakobs zahlt den vorgeschriebenen Mindestlohn von 8,84 Euro. Höher kann er nicht gehen, versichert der Spargelbauer mit dem von Wind und Sonne gegerbten Gesicht. Zumal hier in Brandenburg polnische Produzenten zusätzliche Konkurrenz bedeuten:
    "Dort ist der Mindestlohn vielleicht 2,70 Euro oder drei Euro, dann habe ich natürlich andere Produktionskosten. Und die Polen dürfen zum Beispiel auch Ukrainer beschäftigen, die haben diese Drittstaatenregelung, die tritt bei uns nicht ein, weil wir nur EU-Bürger beschäftigen dürfen. Da gibt es bisher keine Ausnahmen. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit, in Zukunft neue Saisonarbeitskräfte zu sichern."
    Sonst werde der Spargelanbau wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit schrumpfen. Viele seiner Kollegen müssten dieses Jahr einen Teil der Ernte im Boden lassen, seufzt Jürgen Jakobs. Er ist auch Vorsitzender des Spargelvereins Beelitz:
    "Also im Brandenburger Anbaugebiet ist nahezu überall die gleiche Situation. Wir haben auch Kontakte in den Westen, nach Nordrhein-Westfalen. Dort werden auch händeringend Arbeiter gesucht. Das ist schon bundesweit ein einheitliches Phänomen. Die reine Landwirtschaft, wo hohe Technisierung ist und mit teuren Maschinen gearbeitet wird, da ist es eine andere Sache, aber Gemüsebau, sehr arbeitsintensiv, das wird jährlich schwieriger."

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