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Eröffnung der Kunsthalle Mannheim
"Ort der Differenz"

Morgen wird die neue Kunsthalle Mannheim eröffnet. 70 Millionen Euro hat der Bau gekostet, 50 Millionen wurden vom SAP-Mitbegründer Hans-Werner Hector gespendet. Das neue Gebäude schließt an den alten Jugendstil-Bau an. Zur Eröffnung zeigt die Kunsthalle eine Sonderausstellung mit Bildern des Fotografen Jeff Wall.

Von Christian Gampert | 31.05.2018
    Blick auf das Jugendstilgebäude vom neueröffneten Museumskomplex in Mannheim, 30.05.2018
    Blick auf das Jugendstilgebäude vom neueröffneten Museumskomplex in Mannheim (imago stock&people)
    Es war bei den ausführenden Architekten viel die Rede von der "Stadt in der Stadt", die dieses neue Museum sein solle - offen nach außen, ein Forum der Begegnung nach innen - mit sich selbst, mit den anderen, mit der Kunst. Die vor Erneuerungswillen und Energie sprühende Kunsthallen-Direktorin Ulrike Lorenz griff das bei der Eröffnungs-Pressekonferenz natürlich freudig auf. Es gelte, das Museum als "Ort der Differenz" noch einmal neu zu erfinden und in die Stadtgesellschaft zu implementieren.
    "Die Kunsthalle Mannheim begreift sich als ein lebendiges Kunstmuseum, als ein Ort an dem das Publikum selbst zum Schöpfer wird. Damit beruht seine Qualität nicht mehr allein auf Sammlungen oder Ausstellungen, sondern in der Art wie es kritikfähige Öffentlichkeit herstellt."
    Der "fremde" Charakter der Kunst
    Lorenz hat mit dem neuen Bau dafür gute Möglichkeiten. Im kathedralenhohen Atrium prangt wie ein Kruzifix Anselm Kiefers Riesenplastik "Sefiroth", was zwar "Lebensbaum" heißt, mit seinen dunklen Bleiwülsten aber auch von Leiden und Verwüstung kündet. Hinten kreischt eine Installation von Rebecca Horn, über dem Atrium schwingt drohend, Signum vergehender Zeit, eine Bahnhofs-Uhr von Alicja Kwade. Die gesellschaftliche Funktion von Kunst soll in diesem Museum sehr ernst genommen - und der ganz eigene, der "fremde" Charakter der Kunst zugänglich gemacht werden.
    "Im Kunstmuseum erwachen die Werke zu neuem Leben und entfalten ihr volles Fremdheitspotential. Wir sind und bleiben immer noch eine Schutzzone für Kunst, die teilweise verstörend andersartig und inkommensurabel sein kann."
    Jeff Wall als Eröffnungskünstler
    Fremd wirken ja zunächst auch die Leuchtkästen von Jeff Wall - wie illuminierte Reklamewände, die dann aber meist das Triste und Alltägliche zeigen, allerdings in stark komponierter, inszenierter Art. Das ist sicher auch der Grund, warum man Jeff Wall als Eröffnungskünstler eingeladen hat: dieses ganze neue Museum ist stark inszeniert, man betont das Artifizielle. Das tut auch Wall, der zunächst nur nach einer Möglichkeit suchte, riesenformatige Farbfotos möglichst tiefenscharf abzuziehen - und dann die von hinten beleuchteten Kästen fand. Überraschend an der Mannheimer Schau sind einige frühe Bilder, etwa "Picture for Women" von 1979, in denen Wall etwas von sich selbst preisgibt - der Fotograf sieht sich selbst dabei zu, wie er eine Frau betrachtet.
    Das Künstliche dieser Inszenierungen wird später, mit der digitalen Bearbeitung, zu einer Pseudo-Authentizität zusammengesetzt; trotzdem wirken gerade die komplizierteren und späteren Bilder, trotz der Alltags-Tristesse, immer wie gemalt: eine Szene abgekämpfter, enttäuschter oder aufgespeedeter Menschen vor einem Night-Club (von 2006) erscheint wie ein Historienbild, und das wandfüllende "Band and Crowd" von 2011 ist aus vielen Aufnahmen zusammengesetzt: die Vitalität der Punkband auf der Bühne ist gänzlich verschieden von den im Dunkel verschwindenden Zuhörern und Tänzern. Immer kontrastiert Wall intime Bilder mit großen Panoramen, soziales Elend mit offenen Landschaften.
    Kunsthalle will wieder bei großen Museen mitspielen
    So wie die wenigen Schwarz-Weiß-Bilder bei Jeff Wall herausstechen (etwa eine Obdachlosen-Kochstelle im Wald), weil sie noch einmal anders erzählen, reportagehafter, so setzt sich der alte Jugendstilbau der Kunsthalle vom modernistischen Neubau ab. Der Übergang ist allerdings grandios abgefedert, man geht ins Licht, durch eine Leucht-Installation von James Turrell - und landet in einer anderen Welt, wo die Geschichte der Kunsthalle erzählt wird. Unter anderem kann man dort die Mannheimer Bilder sehen, die einst als entartet beschlagnahmt wurden, Heckel und Franz Marc und andere.
    Im Neubau dagegen gibt es in einem Raum einen Schnelldurchlauf durch die klassische Moderne und in einem anderen, eine Horror-Installation von William Kentridge. An einer digitalen "Collection Wall" im Atrium kann sich der Besucher durch alle Bilder der Ausstellungen klicken und Infos aufrufen - das Museum will sich vor allem jungen Besuchern öffnen. Dass das gelingen wird, daran bestehen wenig Zweifel. Schon ein Blick auf kommende Projekte, zum Beispiel "Kunst und Ökonomie" im Herbst, zeigt, dass die Mannheimer Kunsthalle wieder bei den großen Museen mitspielen will.