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Eröffnungsausstellung im Neubau
Brückenschlag zwischen der Kohle- und der Künstlerstadt Penzberg

In Penzberg ist das Stadtmuseum um einen Neubau erweitert worden - ganz ohne Fenster und mit schwarzer Klinker-Fassade. Ein moderner Bau, der einen Brückenschlag zwischen der Kohlestadt und der Künstlerstadt Penzberg schafft. Darin sollen vor allem die vielen Werke des Museums vom Expressionisten Heinrich Campendonk gezeigt werden. Zur Eröffnung gibt es einen Querschnitt seiner Arbeit.

Von Julian Ignatowitsch | 03.06.2016
    Da steht man nun also zwischen den Häusern, im neueröffneten Museum Penzberg, im Foyer an der Kasse. Auf der einen Seite das historische Bergarbeiterhaus mit weißem Putz und hellblauen Fensterläden, das ehemalige Stadtmuseum. Auf der anderen Seite der gerade fertiggestellte Neubau, ein zeitgenössisches Spiegelbild des Arbeiterhauses, ganz ohne Fenster und mit schwarzer Klinker-Fassade. Architekt Thomas Grubert:
    "Dieses Haus ist ja sehr stark geprägt von Bergarbeitern, die in diesem Haus gelebt haben, die jeden Tag eingefahren sind und Kohle gewonnen haben. Da war die Idee, die Kohle sichtbar zu machen, das heißt zu transformieren. Mit Kohle zu arbeiten geht nicht, das hätte ich mich technisch nicht getraut. Und letztlich bin ich auf das Material Klinker gekommen: ein matter Klinker, in dem Kohle als Pigment enthalten ist, und ein glänzender Klinker, der den Glanz bekommt, in dem Kohle während des Brennens eingeblasen wird."
    Das Gebäude sticht von außen sofort ins Auge. Schwarz-weiß, kühle Eleganz, manchmal irdisch schwer, dann luftig leicht, je nach Lichteinfall, als hätte man Pfeffer über ein Silberpapier gestreut. Ein Brückenschlag zwischen der Kohlestadt und der Künstlerstadt Penzberg, zwischen Proletariat und Expressionismus.
    Umfangreiche Sammlung zu Heinrich Campendonk
    Der neue Bau und die neuen Räume geben dem Museum Penzberg nun endlich die Möglichkeit, seine umfangreiche Sammlung zu Heinrich Campendonk in angemessenem Rahmen zu präsentieren. Das Museum besitzt den weltweit größten Campendonk-Bestand, hat gerade 200 neue Werke hinzubekommen und zeigt jetzt zur Eröffnung einen Querschnitt durch das Werk des deutsch-niederländischen Malers, der immer wieder auch Motive aus der Arbeiter-Kleinstadt nahe München abgebildet hat.
    Campendonk gehört heute zu den fast vergessenen Expressionisten. Der Name tauchte in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg nur noch selten auf, zuletzt insbesondere im unrühmlichen Zusammenhang der Kunstfälschung.
    Dabei war Campendonk zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits in jungen Jahren ein festes Mitglied des Blauen Reiters, lebte in Sindelsdorf, in unmittelbarer Nähe zu Franz Marc und Wassily Kandinsky, mit denen er im regelmäßigen Austausch stand. Bilder wie die "Kleinen Pferde" oder der "Grüne Kruzifixus in bayerischer Landschaft" erinnern in Themenwahl und Farbgebung stark an die Vorbilder. Museumsdirektorin Gisela Geiger:
    "Da war er 21 Jahre alt, Kandinsky war Mitte 40, das war also kein Freundschaftsverhältnis, sondern ein Lehrer-Schüler-Verhältnis. Dann haben sie ihn aber eingeladen im Herbst zur großen Ausstellung in München und im Almanach war er auch vertreten, also sie haben ihn sehr geschätzt."
    Campendonk entwickelte eine eigene Bildsprache
    Nach dem Ersten Weltkrieg findet Campendonk mehr und mehr zu seiner eigenen Bildsprache. Die Motive werden fantastischer bis hin ins Surreale, die Farbgebung subtiler, die Formen reduziert, wie beim "Weiblichen Akt mit Kuh", den Campendonk mehrfach variiert.
    1937 gewinnt er mit seinem "Passionsfenster" im niederländischen Pavillon den Grand Prix der Weltausstellung in Paris. Zur gleichen Zeit wird seine Kunst im NS-Regime als "entartet" verunglimpft, Campendonk ist da schon im Exil und depressiv.
    "Und er wollte nach dem Krieg nicht mehr ausgestellt werden. Er hat alle Kontakte abgebrochen. Nur noch seine Frau hat die Werke gesehen. Wir wissen das aus einem Briefwechsel mit einem Freund, Paul Wember, der ihn in Krefeld so aufbauen wollte, wie es das Lenbachhaus mit Franz Marc gemacht hat – und er wollte nicht. Das ist eine Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg, wo er seine Rezeption selbst behindert hat."
    Es lohnt, Campendonk in einer Einzelschau zu entdecken. Wie der Künstler vom expressionistischen Zögling zum melancholisch-surrealen Meister heranreift. Dafür kann man ihm durchaus ein eigenes Haus bauen.
    Viertes Museums-Highlight
    Die MuSeenLandschaft Expressionismus am Alpenrand zwischen Starnberger See und Kochelsee hat nun ein neues, viertes Museums-Highlight. Allein das schillernde Glasfenster an der Südseite des Neubaus - natürlich ein Campendonk! - ist einen Ausflug ins Münchner Umland wert.