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Eröffnungskonzert Elbphilharmonie
"Akustik verzeiht keine Mittelmäßigkeit bei der Interpretation"

Das dramaturgische Konzept des Eröffnungskonzertes an der Elbphilharmonie, bei dem sehr alte Musik auf zeitgenössische prallte, hat unseren Musikredakteur Jochen Hubmacher überzeugt. Der beste Konzertsaal der Welt - wie manche im Vorfeld behaupteten - sei es aber für ihn nicht. Dafür sei die Akustik etwas zu trocken gewesen.

Musikredakteur Jochen Hubmacher im Gespräch mit Jasper Barenberg | 12.01.2017
    Blick in den Großen Saal der Elbphilharmonie während des Eröffnungskonzertes
    DLF-Musikredakteur Jochen Hubmacher war einer von 2.000 Gästen beim Eröffnungskonzert der Elbphilharmonie in Hamburg. (AFP PHOTO / POOL / Christian Charisius)
    Jasper Barenberg: Wir sind in Hamburg verbunden mit Jochen Hubmacher, unserem Kollegen aus der Musikredaktion des Deutschlandfunks. Schönen guten Morgen!
    Jochen Hubmacher: Guten Morgen!
    Barenberg: Sie haben das Konzert gestern Abend erleben können. Was genau das NDR Elbphilharmonie Orchester unter Thomas Hengelbrock spielen würde, das war ja lange geheim gehalten worden, eigentlich bis zum Schluss. Jetzt ist es so etwas geworden wie ein Querschnitt aus vier Jahrhunderte Musikgeschichte. Ein gelungenes, ein überzeugendes Programm?
    Hubmacher: Das dramaturgische Konzept fand ich sehr, sehr gut. Das muss man wirklich sagen. Der Titel lautete "Zum Raum wird hier die Zeit". Wir haben gerade "Parsifal" von Richard Wagner gehört, das ist ein Zitat aus Richard Wagners "Parsifal", und na ja, im "Parsifal" von Wagner, da geht es ja auch um Leiden und Erlösung, also insofern auch ein ganz gutes Bild für die Elbphilharmonie. Thomas Hengelbrock, der Chefdirigent der NDR Elbphilharmonie, hat in diesem Programm sehr alte Musik – da waren eine Arie aus dem Frühbarock, Renaissancemadrigal – auf zeitgenössische Werke und Werke des 20. Jahrhunderts, ja, kann man fast sagen, prallen lassen: Henri Dutilleux, Olivier Messiaen, Rolf Liebermann und so weiter. Er hat die ganz übergangslos miteinander verschränkt. Also wir haben eben noch eine frühbarocke Arie – auch im Raum verteilt, Philippe Jaroussky sang dann aus dem dritten Rang –, haben wir gerade noch gehört, und es ging dann übergangslos in ein Werk von Bernd Alois Zimmermann, groß besetzte Orchestersinfonik des 20. Jahrhunderts.
    Der Saal ist im Klang "sehr transparent"
    Barenberg: Es wird ja viel über den Klang geredet, lange schon, und jetzt natürlich erst recht. Hamburgs Generalmusikdirektor, Kent Nagano, der hat schon gesagt, der hat sich schon vorgewagt mit der These, das ist der beste Saal der Welt. Ist das so?
    Hubmacher: Da würde ich sagen ein klares Nein. Dieser Saal hat viele gute Aspekte, er ist sehr transparent, er ist, ich würde fast sagen, fast schon gnadenlos ehrlich in seiner Akustik, also da lässt sich keine Unsauberkeit kaschieren. Das hat man auch gestern gemerkt: Da war nicht immer alles perfekt. Also diese Akustik verzeiht keine Mittelmäßigkeit bei der Interpretation. Für meinen Geschmack ist sie insgesamt etwas zu trocken. Ich würde mir da etwas mehr Nachhall bei der ganzen Geschichte wünschen, und die Architekturanlage, dass die Bühne quasi in der Mitte dieses Saales steht, der Saal sehr hoch ist, in den dritten, vierten Rang nach oben geht, die führt bei einem Sänger, der an der Bühnenkante steht – das hat man bei dem Werk von Wolfgang Rihm, eine Uraufführung, gehört, "Reminiszenz/Triptychon und Spruch in memoriam Hans Henny Jahnn" hieß das Stück –, da hat man gemerkt, wenn der Sänger an der Bühnenkante steht, dann hat sieht die Hälfte des Publikums den Sänger von hinten und hört ihn von hinten, und das führt zu einer für mich sehr, sehr schlechten Textverständlichkeit. Ich gehörte nämlich zu dem Teil des Publikums, der quasi am hinteren Teil der Bühne saß.
    Der Saal ist akustisch von der Außenwelt entkoppelt
    Barenberg: Das alles hat ja auch viel mit der Architektur zu tun und der Art und Weise, wie das Gebäude gebaut wurde. Erklären Sie uns noch mal kurz, wie wird dieser Klang dort zustande gebracht, welche Vorrichtungen wurden da benutzt, um diesen Klang zu ermöglichen?
    Hubmacher: Also zum einen ist dieser Saal vollkommen akustisch von der Außenwelt, sage ich jetzt mal, entkoppelt. Man hat ihn quasi freischwebend auf 360 Stahlfedern gelagert, also er ist vollkommen von den Außengeräuschen entkoppelt, und im Saal hat man mit einer sogenannten weißen Haut gearbeitet. Das sind 10.000 Gipsfaserplatten, jede ein Unikat, und die sind quasi wellenförmig ausgefräst worden. Man hat also ein bisschen die Struktur der Architektur von außen wieder aufgenommen, und diese wellenförmige Anordnung dieser unterschiedlichen Gipsfaserplatten soll den Klang so verteilen, dass man optimalerweise an jedem Platz einen gleich guten Klangeindruck hat, und da muss ich sagen, ich hoffe nicht, dass man an jedem Platz den gleichen Klangeindruck hatte, sonst wäre es schlecht, weil ich hatte … da, wo ich saß, war eben nicht immer alles optimal. Ich vermute aber, dass an anderen Plätzen im Saal es vielleicht anders aussieht.
    Barenberg: Jochen Hubmacher mit seinen Einschätzungen und Eindrücken von der Elbphilharmonie in Hamburg. Vielen Dank dafür!