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Eröffnung der Salzburger Festspiele vor 100 Jahren
Max Reinhardts Theatertraum wird wahr

Die Salzburger Festspiele wurden vom Theaterregisseur Max Reinhardt und dem Dichter Hugo von Hofmannsthal gegründet: Die erste Aufführung fand open air vor dem Salzburger Dom statt: das Mysterien-Spektakel "Jedermann". Es ist bis heute fester Bestandteil des weltweit größten Festivals klassischer Musik.

Von Wolfgang Schreiber | 22.08.2020
    Die Salzburger Festspiele wurden 1920 mit dem Stück "Jedermann" von Hugo von Hoffmansthal in der Regie von Max Reinhardt auf dem Domplatz erföffnet
    Die Salzburger Festspiele wurden 1920 mit dem Stück "Jedermann" von Hugo von Hoffmansthal in der Regie von Max Reinhardt auf dem Domplatz eröffnet (dpa / IMAGNO / Austrian Archives)
    Mozart-Gesang im Gründungsjahr der Salzburger Festspiele. Aber nicht der Sohn Salzburgs eröffnet diese Festspiele, sondern ein frommes Schauspiel. Land und Stadt haben mit Not den Weltkrieg überlebt. Am 22. August 1920 kann niemand ahnen, dass mit dem "Jedermann" das weltweit größte Fest der Klassikmusik und Theaterkunst beginnt. Die Knittelverse des mittelalterlichen Mysterienspiels stammen vom österreichischen Dichter Hugo von Hofmannsthal.
    Spektakuläre Inszenierung vor dem Salzburger Dom
    Der Theaterregisseur und Manager Max Reinhardt hat das "Spiel vom Sterben des reichen Mannes" schon 1911 im Berliner Zirkus Schumann herausgebracht, jetzt inszeniert er es spektakulär vor dem Salzburger Dom. Reinhardt und Hofmannsthal sind die Gründerväter der Festspiele, der Komponist Richard Strauss stößt wenig später zu ihnen. Das Salzburger Fanal aber heißt bis heute - "Jedermann".
    Porträt von Markus Hinterhäuser (2020) - Pianist und Intendant der Salzburger Festspiele
    Salzburger Festspiele 2020: "Es entsteht wieder eine Zusammenkunft, und die ist kostbar"
    Die Salzburger Festspiele 2020 finden statt - trotz Corona. "All die wunderbaren Sänger waren frei und einfach nur glücklich, dass sie das machen können", sagte Intendant Markus Hinterhäuser im Dlf.
    "Jedermann - ist so fröhlich dein Mut? Hast deinen Schöpfer ganz vergessen?"
    In der ersten Inszenierung und die Jahre danach verkörperte der legendäre Alexander Moissi den Protagonisten. Mit seinem expressionistischen Sprechen jagt er uns noch heute Schauer über den Rücken - wenn er den Mammon, das Weltübel, beschwört. Denn Geld hat "die ganze Welt / in ein höher‘ Ansehen gestellt. / Und jeder Mensch in seinem Bereich / sieht einer kleinen Gottheit gleich."
    Reinhardts großer Theatertraum
    Max Reinhardt betrachtete Salzburg als die Idealstadt für sein Theater. Davon hatte er so lange geträumt, bis ihm in der Felsenreitschule Salzburgs endlich Goethes kompletter "Faust" gelang. Max Reinhard:
    "Die Leidenschaft, Theater zu schauen, Theater zu spielen, ist ein Elementartrieb des Menschen. Und dieser Trieb wird Schauspieler und Zuschauer immer wieder zum Spiel zusammenführen und jenes höchste, allein seligmachende Theater schaffen."
    Hofmannsthals Utopie erfüllte sich 1922 in seinem "Salzburger Großen Welttheater für die barocke Kollegienkirche, verbündet mit dem Geist des alten Europa, wütend attackiert in der "Fackel" des Karl Kraus als der "Große Welttheaterschwindel": "Ehre sei Gott in der Höhe der Preise."
    Kultur und Starbetrieb für die Oberschicht
    Nun denn, Festspiele ließen sich an der Salzach, die ganze Stadt ist ja Bühne, fast immer erfolgreich bis triumphal realisieren - in all‘ den Festspielhäusern, Residenzhöfen und Kirchen, mit den berühmtesten Sängern, Schauspielern, Orchestern, Dirigenten der Klassikwelt - von Furtwängler bis Toscanini und Karajan, von Mozart und Beethoven bis Richard Strauss.
    Nach Österreichs großdeutscher Nazi-Zeit, auch in Salzburg, und dem Zweiten Weltkrieg gerieten die Ideale der Festspielgründer allmählich ins Abseits. Zumal unter der Ägide Herbert von Karajans, der 1960 sein neues Großes Festspielhaus öffnete, festigte sich ein erlesener Kultur- und Starbetrieb für die Oberschicht, Moderne und Jugend sind zugelassen.
    Neubeginn nach dem Tod Karajans
    Nach Karajans Tod 1989 sorgte der Kunstintellektuelle Gerard Mortier für den fälligen Neubeginn, er entrümpelte das Repertoire, bot zeitgenössische Musik und spannende, auch polarisierende Opern- und Theaterregiekonzepte. So blieb es gottlob bis heute: Intendant Markus Hinterhäuser hält es mit der kreativen Vielfalt, zeigen will er die Wahrheit der Kunst. Was einst mit dem "Jedermann" so genügsam begann, ist heute, mit Mozart und mit dem Pathos der Gründer gesprochen, das völkerverbindende Friedenswerk der Künste.