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"Erosion des Glaubens"
Papst ruft deutsche Bischöfe zu "missionarischem Aufbruch" auf

Leere Kirchen, Priestermangel und wenig sakramentales Leben - der Papst bescheinigt Deutschland nicht mehr und nicht weniger als eine "Erosion des Glaubens". Was dagegen zu tun ist, das gab Franziskus den deutschen Bischöfen heute mit auf den Weg.

20.11.2015
    Papst Franziskus auf dem Weg zur Familiensynode im Vatikan.
    Papst Franziskus hat klar gemacht, was er von der deutschen Kirche erwartet (picture-alliance / dpa/ EPA/ Maurizio Brambatti)
    Papst Franziskus hat die katholische Kirche in Deutschland zu einem "neuen missionarischen Aufbruch" aufgerufen. Bei der Abschlussaudienz für die deutschen Bischöfe im Vatikan bescheinigte er Deutschland eine "Erosion des katholischen Glaubens". Der Papst verwies auf einen starken Rückgang bei Gottesdienstbesuchen und sakramentalem Leben sowie auf den Priestermangel.
    Nicht resignieren, nicht der alten Zeit nachtrauern
    Franziskus warnte vor Resignation oder dem Versuch, "aus Strandgut der 'guten alten Zeit' etwas zu rekonstruieren. Ebenso wenig dürfe sich die Kirche auf ihre Organisation und Verwaltungsstrukturen zurückziehen, mahnte er in seiner den Bischöfen schriftlich überreichten Rede. Franziskus beklagte eine "fortschreitende Institutionalisierung" und "übertriebene Zentralisierung" der Kirche in Deutschland. Diese Entwicklung schade der missionarischen Dynamik.
    Seelsorge soll Priorität haben
    Gebot der Stunde sei eine Neuausrichtung der Seelsorge. Die Kirche müsse in allen Bereichen expansiver und offener auf die Menschen zugehen und stärker auf die Verkündigung ausgerichtet sein. Voraussetzung auch dafür sei die Präsenz von Priestern. Die Mithilfe von Laienchristen im Leben der Gemeinden sei wertvoll, aber kein Ersatz.
    Bekannte Positionen zu Abtreibung und Sterbehilfe
    Der Papst bekräftigte seine Positionen in Sachen Abtreibung und Sterbehilfe. Er verlangte, die Bischöfe müssten den Lebensschutz in Deutschland entschlossen vertreten. Die Kirche dürfe nie müde werden, Anwältin des Lebens zu sein, das von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod uneingeschränkt zu schützen sei.
    Papst würdigt deutsche Flüchtlingshilfe
    Franziskus sprach auch die Flüchtlingsfrage an. Er dankte den Christen in Deutschland für die großzügige Hilfe, die sie hunderttausenden Menschen gewährten. Dies sei ein enormer und wichtiger Einsatz. Der Papst forderte die Katholiken dazu auf, sich im Geiste Christi immer wieder den Herausforderungen durch die große Zahl der Hilfesuchenden zu stellen.
    Marx zufrieden - Hoffnung auf Papstbesuch
    Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx, zeigte sich mit den Gesprächen im Vatikan zufrieden. Nach seinen Worten hat er den Papst nach Deutschland eingeladen. Zu einem möglichen Termin wollte Marx sich allerdings nicht äußern. Seit Montag hatten die Bischöfe der 27 deutschen Diözesen sowie die Weihbischöfe dem Papst und der römischen Kurie bei dem "Ad-limina-Besuch" über die Situation in ihren Diözesen Bericht erstattet.
    Was ist ein "Ad-limina-Besuch"?
    Der Begriff geht zurück auf die seit der Spätantike belegten Pilgerfahrten zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus in Rom. "Visitatio ad limina apostolorum", Reise an die Schwellen der Apostelgräber, so die lateinische Bezeichnung. In ihrer heutigen Form gehen diese Besuche auf Papst Sixtus V. (1585-1590) zurück. 1585 Er legte fest, dass die deutschen Bischöfe sowie die Amtsbrüder aus vielen europäischen Länder in regelmäßigen Abständen persönlich in Rom zu berichten hatten. Damit sollte ein engerer Kontakt zwischen dem Papst und den Bischöfen hergestellt werden . Das Kirchenrecht sieht einen Fünf-Jahres-Rhythmus vor. Allerdings haben die deutschen Bischöfe neun Jahre auf diese gemeinsame Reise nach Rom warten müssen. Ihren letzten Ad-limina-Besuch absolvierten die mehr als 60 deutsche Bischöfe und Weihbischöfe 2006 bei Benedikt XVI.