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Erotischer Geheimdienst-Thriller

Von einer Ausnahme abgesehen, haben es Eric Rochants Filme bisher nie auf deutsche Leinwände geschafft. Umso beeindruckender wirken die Ideen seines neuen Streifens "Die Möbius-Affäre", einem geistreichen Thriller abseits des Mainstreams.

Von Hartwig Tegeler | 31.07.2013
    "Je weniger sie weiß, desto besser ist es für sie."

    Verwirrung! Arbeitsgrundlage für die Spionin, die Maulwurf ist. Gleiches könnte aber auch für uns Kinogänger gelten: Am schönsten ist für uns der Genuss eines Geheimdienst-Thrillers, wenn wir sehr lange nicht wissen, was Schein ist, was Sein und wer auf welcher Seite steht? Wobei wir beim Möbius-Band wären: ein Streifen Papier, mit beiden Enden ringförmig verklebt, eine davon vorm Verkleben um 180 Grad gedreht. Das hat Konsequenzen, wie der Geheimdienstmann dem anderen Geheimdienstmann, den er hinters Licht geführt hat, erklärt, indem er dem Gelackmeierten in "Die Möbius-Affäre" ein Möbius-Band süffisant grinsend vor die Nase hält: Sie kennen so etwas nicht?

    "Es hat keine Vorder- oder Rückseite. Wenn ich jetzt mit meinem Finger einmal ganz herumfahre, lande ich auf der anderen Seite."

    Ein Geheimdienst-Coup als Möbius-Band - das ist zentral für den Thrill, die Ästhetik, nicht zu vergessen die Erotik in diesem Film.

    "Ich weiß nicht, ob man in unserer Branche das Wort Zufall über-haupt verwenden kann."

    Meint ein Geheimdienstler - CIA? FSB, ehemals KGB? Oder einer von den Franzosen? - zum Chef. Denn die Amerikanerin, Alice, im Exil in Monaco, weil sie mit den von ihr entworfenen Derivaten die Lehmann-Pleite mit verursacht haben soll, Alice also hat hier in Monaco einen neuen Job - in der Bank des russischen Oligarchen.

    "Sie, das arbeitslose Finanz-Genie ist die Antwort auf Rostovskis Gebete."

    Rostovski - gespielt von Tim Roth - will hier in Monaco Geld waschen. Alice, ohne Skrupel, ist perfekt für den Job. Aber Alice ist auch Maulwurf für, ja, für wen denn nun? Für den US-Geheimdienst? Oder ist Alice Maulwurf für die Russen, die den Oligarchen eliminieren wollen. Oder gar für beide gleichzeitig?

    "Stehlen liegt mir nicht. Aber im Verführen bin ich ganz gut. - Was ist ihr Plan? - Mich anzunähern. - Bis wohin? - Sie sind aber kein Franzose."

    Hier kommt der russische Agent Grégory ins Spiel. Denn weil es nicht so läuft, wie es laufen soll, nimmt Grégory Kontakt auf zum Maulwurf, zu Alice. Und da wird aus dem Geheimdienstthriller ein Liebesfilm. Wenn wir beim Möbiusband nicht wissen, wo vorne und hinten ist, wissen wir in Eric Rochants Film ebenso wenig genau, in welchem Genre wir gelandet sind. Rochant wickelt uns mit seinen beiden Hauptdarstellern dabei lustvoll um die Finger. Jean Dujardin und Cécile de France zaubern Sinnlichkeit und Erotik - vielleicht ja auch Liebe - in diesen Film. Alles natürlich in jedem Moment gefährdet durch die nagende Frage: Wer steht auf welcher Seite?

    John le Carrés Spion George Smiley hatte eine ihn betrügende Frau; bei James Bond sind die weiblichen Figuren zuständig für knappe Bikinis. Eric Rochant hingegen erschafft in "Die Möbius-Affäre" eine spannende, starke Frauenfigur, die den Männern in dieser Maskenwelt der Spione unbedingt das Wasser reichen kann. Und genau wie die Männer dann Probleme bekommt, wenn die Gefühle echt werden. Und wenn man das hanebüchene Ende des Film aus der Erinnerung streicht, ist "Die Möbius-Affäre" ein herrlich gespielter und fotografierter, mondäner wie erotischer Geheimdienst-, Entschuldigung, Liebesfilm. Oder wie herum nun?

    "Wenn ich jetzt mit meinem Finger einmal ganz herumfahre, lande ich auf der anderen Seite."