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Ersatz-Zivi gesucht

Zum 1. Juli wird die Wehrpflicht ausgesetzt und damit auch der Zivildienst. Im vergangenen Dezember beschloss das Bundeskabinett ein entsprechendes Gesetz. Für die Umsetzung blieb nur ein knappes halbes Jahr Zeit – zum Leidwesen der Sozialverbände und karitativen Einrichtungen.

Von Friederike Schulz | 30.06.2011
    "Schönen Guten Tag, Hammes hier von den Maltesern aus Köln. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass mein Kollege ein paar technische Schwierigkeiten hat. Da wollte ich fragen, ob Sie vielleicht auch am Montag Zeit hätten ..."

    Beim Hausnotruf der Malteser in Köln ist heute nicht viel los – und so hat der Zivildienstleistende Michael Hammes Zeit, ein paar Termine für die kommende Woche abzusprechen. Dann soll bei einem neuen Kunden ein Notrufanschluss in der Wohnung gelegt werden – wird er gedrückt, kommt ein Kollege vorbei, leistet Erste Hilfe oder ruft den Krankenwagen. Ein spannender Job, sagt Michael Hammes – in den vergangenen sechs Monaten seiner Zeit als "Zivi" hat er schon einige dramatische Situationen erlebt:

    "Das geht von Leuten, die geblutet haben, die hingefallen sind, die man einfach nur aufheben musste, bis hin zu Leuten, die sich zugekotet haben. Da gibt es halt schon eine Reihe von Dingen, die man wirklich erlebt, für die man starke Nerven braucht."

    Michael Hammes hat im vergangenen Jahr Abitur gemacht, verweigerte den Wehrdienst und entschied sich für den sechsmonatigen Einsatz als Zivildienstleistender. Rund zehn Euro bekommt er pro Tag für den Vollzeitjob, nicht gerade viel, aber für ein paar Monate vor der Ausbildung reicht es, wenn man noch bei den Eltern wohnt. Außerdem habe er etwas gelernt, dass mit Geld nicht aufzuwiegen sei, sagt Michael Hammes: Lebenserfahrung.

    "Man kommt wirklich besser mit älteren Leuten klar, bei mir ist es in der Familie so, dass ich nicht so viel Kontakt mit älteren Menschen habe. Und hier lernt man wirklich den Umgang mit älteren Leuten und lernt, sie auch wirklich zu respektieren."

    Noch ein paar Wochen wird der junge Mann beim Hausnotruf arbeiten, dann endet seine Dienstzeit, und er wird eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker beginnen. Michael Hammes ist einer der Letzten seiner Art. Denn zum 1. Juli wird die Wehrpflicht ausgesetzt und damit auch der Zivildienst. Im vergangenen Dezember beschloss das Bundeskabinett auf Initiative des damaligen Verteidigungsministers zu Guttenberg ein entsprechendes Gesetz. Für die Umsetzung blieb nur ein knappes halbes Jahr Zeit – zum Leidwesen der Sozialverbände und karitativen Einrichtungen. Denn die müssen sehen, wo sie kurzfristig Ersatz für 90.000 Zivis pro Jahr herbekommen, kritisiert Wilfried Theißen vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Nordrhein-Westfalen:

    "Wir sind als Wohlfahrtsverbände letztendlich genauso überrumpelt worden wie die gesamte Gesellschaft. Ich bin auch der Meinung, dass das in einem viel zu schnellen Tempo gemacht wird. Man hätte sich deutlich mehr Zeit nehmen müssen, um das mit einem vernünftigen Übergang hinzubekommen."

    Ein Vorwurf, den der Bundesbeauftragte für den Zivildienst, Jens Kreuter, nicht gelten lassen will. Schließlich sei der Zivildienst schon immer an den Wehrdienst gekoppelt gewesen. Und dass dieser ausgesetzt werden würde, sei schon im vergangenen Herbst bekannt gewesen. Genug Zeit für die Verbände, sich auf die neuen Rahmenbedingungen einzustellen. Außerdem hätte ein längerer Vorlauf nichts an der Problematik geändert, meint Jens Kreuter:

    "Wenn dieses Jahr ein Gesetz gekommen wäre, in dem dringestanden hätte: Nächstes Jahr werden die Wehrpflicht und der Zivildienst ausgesetzt. Was hätten denn die jungen Männer dann gemacht? Die wären doch nicht alle dieses Jahr noch zum Zivildienst angetreten, sondern die hätten alle versucht, sich um ein Jahr zurückstellen zu lassen. Da gibt es auch immer gute Gründe für, in der klaren Perspektive, dann eben gar nicht zum Dienst anzutreten. Das hätte den Einsatzstellen das Leben überhaupt nicht leichter gemacht. Jetzt wissen wir alle seit letztem Herbst, dass das auf uns zu kommt, es war auch lange Zeit, sich drauf einzustellen, und jetzt gucken wir mal, was passiert."

    Außerdem ist seit vergangenem Dezember klar: Es wird Ersatz geben für die Zivildienstleistenden, und zwar durch den neuen Bundesfreiwilligendienst, kurz BFD. Das ehrgeizige Ziel: 35.000 freiwillige "Bufdis" sollen gegen ein geringes Taschengeld künftig die Arbeit in Altenheimen, bei Fahrdiensten oder in Behindertenwerkstätten übernehmen. 350 Millionen Euro sollen dafür pro Jahr zur Verfügung stehen – und damit 50 Millionen mehr als noch beim Zivildienst. Der Zusatzbetrag soll für Seminare und Fortbildungen der Freiwilligen genutzt werden.

    "Ab heute geht es darum, junge Menschen zu begeistern für den Bundesfreiwilligendienst. Es darf keine Weihnachtsfeier mehr in einem Seniorenheim geben, ohne dass gefragt wird: Hat Ihr Enkel denn schon mal überlegt, ob er nach dem Abi ein Jahr Freiwilligendienst bei uns leisten möchte?"

    Doch ganz so einfach, wie Bundesfamilienministerin Kristina Schröder im Dezember meinte, war es dann doch nicht. Schließlich dauerte es noch bis April, bis das Gesetz für den neuen Freiwilligendienst in Kraft trat. Bis dahin wusste niemand, auf welcher rechtlichen Grundlage die neuen Mitarbeiter geworben werden sollten. Nun sind immerhin die Rahmenbedingungen klar.

    "Der Bundesfreiwilligendienst steht Männern und Frauen jeden Alters nach Erfüllung der Vollzeitschulpflicht offen. Der Einsatz dauert in der Regel zwölf, mindesten sechs und höchstens 24 Monate. Der Bundesfreiwilligendienst ist grundsätzlich vergleichbar einer Vollzeitbeschäftigung zu leisten. Sofern die Freiwilligen älter als 27 Jahre sind, ist auch Teilzeit von mehr als 20 Wochenstunden möglich. Wie der Zivildienst ist auch der Bundesfreiwilligendienst arbeitsmarktneutral. Er darf nicht zu einer Verdrängung oder einem Ersatz regulärer Arbeitskräfte führen, sondern allein unterstützende Tätigkeiten beinhalten."

    Doch der Teufel steckt im Detail. Fast jede Woche verschickt das Bundesfamilienministerium derzeit eine überarbeitete Version des Vertrags. Und noch immer gibt es offene Fragen. Zum Beispiel hieß es zunächst, der Zuschuss des Bundes für jede offene Stelle würde rund 550 Euro betragen – allerdings ohne Anspruch auf Kindergeld. Dann setzten die Verbände durch, dass dieses für Freiwillige bis 27 doch weiter gezahlt wird. Nun muss der Zuschuss wieder neu berechnet werden – bis wann das geschehen soll, ist nicht klar, kritisiert Wilfried Theißen vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.

    "Bislang weiß noch niemand, ab wann das vorgesehen ist, wann der gesetzliche Rahmen dafür geschaffen wird, sodass wir im Augenblick davon ausgehen, wenn am 1.7. Startbeginn ist, dass einige junge Leute den Bundesfreiwilligendienst beginnen, ohne zu wissen, ab wann der Kindergeldanspruch greift. Der würde dann zwar rückwirkend wahrscheinlich gewährt werden, aber das sind, finde ich, gravierende Unklarheiten, die da noch bestehen."

    "- Hallo Klaus, hör mal, mich hat gerade ein Herr angerufen, ein Interessent für den Bundesfreiwilligendienst, ein etwas älterer Herr vom Baujahr 64, würde vielleicht für deinen Bereich passen.
    - Gern, schau ich mir an.
    - Das ist ja bei den älteren BFD-lern immer so eine Sache, die haben ja schon ein bisschen mehr Lebenserfahrung, ob man da was Passendes für die findet.
    - Gern.
    - Dank dir."

    Lutz Grundmann ist beim Arbeiter-Samariter-Bund für die Freiwilligen zuständig. Bei ihm gehen die Bewerbungen ein, und er verteilt sie an seine Kollegen bei den mobilen Diensten oder beim Hausnotruf. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich Akten und Briefe, weil er seit Wochen zu kaum etwas anderem mehr kommt, als sich um die Zivi-Nachfolger zu kümmern.

    "Vor einer Woche sind die Ersten zum Unterschreiben gekommen, und die derzeit dann neue Fassung war eine Stunde vorher fertig und ist mir dann zugemailt worden. Und ich denke, die wird auch noch mehrfach geändert worden."

    Gerade mal sechs Wochen vor der geplanten Einführung hingen die ersten Werbeplakate für den Freiwilligendienst. Für Besuche an Schulen oder auf Berufsinformationsmessen war es zu spät, schließlich haben zum Beispiel die diesjährigen Abiturienten gar keinen Unterricht mehr und warten nur noch auf ihre Zeugnisse. So blieb den Mitarbeitern des Bundesfamilienministeriums lediglich die klassische Werbekampagne. Seit Mitte Mai lächeln in ganz Deutschland Jugendliche und Rentner, Männer und Frauen von Plakatwänden. Auf ihre Kleidung sind Szenen aus dem Alltag freiwilliger Helfer projiziert: Vorlesen für Kinder, eine alte Dame im Rollstuhl schieben. Dazu der kurze Text:

    "Der neue Bundesfreiwilligendienst: Nichts erfüllt mehr, als gebraucht zu werden."

    Eine Internetseite informiert über die Konditionen und bietet eine deutschlandweite Stellenbörse, sortiert nach Tätigkeitsfeld und Bundesland. Einer der Ersten, der dem Aufruf gefolgt ist, ist Alexander Krudewig aus Siegburg. Der Abiturient wird ab August in einem Kinderheim mitarbeiten.

    "Ich wollte eigentlich Zivildienst machen, aber der ist ja weggefallen. Dafür gibt es den Bundesfreiwilligendienst. Da habe ich mir halt überlegt, das ist ja generell eine gute Chance für jemanden, der nicht weiß, was er studieren soll, dass er noch ein Jahr Zeit hat, um zu überlegen, was er studieren will, wo er studieren will. Aber ich persönlich sehe ihn als Chance, weil ich mache ja meinen Bundesfreiwilligendienst im Kinderheim, und da ich später als Lehrer arbeiten möchte, ist das für mich eine gute Erfahrung, mit Kindern Umgang zu haben. Deswegen ist das, denke ich, für mich eine gute Chance."

    Seit Beginn der Werbekampagne unterschreiben pro Woche rund 250 Interessenten einen Vertrag für den neuen Bundesfreiwilligendienst. Zahlen, die die Bundesfamilienministerin stolz verkündet. Sie ist sicher: Bis 2012 wird die Marke von 35.000 erreicht. Dabei verweist die Ministerin gern auf die langjährigen guten Erfahrungen mit anderen Freiwilligendiensten in Deutschland.

    "Hallo, ich soll für die Frau Furch Pfingstrosen und orangene Rosen abholen."

    Wie jeden Tag ist Cemile Exner in Düsseldorf auf Einkaufstour. Die 18-Jährige erledigt Besorgungen für ältere Leute, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Im Auftrag des Arbeiter-Samariter-Bundes versorgt sie für ein Taschengeld von 150 Euro bis zu vier Kunden täglich. Cemile Exner hat im vergangenen Jahr ihren Realschulabschluss gemacht, im August will sie eine Ausbildung als Erzieherin beginnen. Die Zeit dazwischen überbrückt sie mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr, kurz FSJ.

    "Ich wollte halt gern mal gucken, wie das so ist, mit älteren Leuten, mit Hilfebedürftigen, weil das halt auch was Soziales ist. Macht schon Spaß auf jeden Fall."

    Das FSJ gibt es schon seit den 60er-Jahren – es wird auf Länderebene organisiert und ist zu einer festen Institution geworden. Außerdem gibt es das Freiwillige Ökologische Jahr und den Freiwilligendienst im Ausland. Die Altersgrenze liegt bei 27. Susanne Rindt vom Institut für Sozialarbeit hat eine Studie über die verschiedenen Angebote für Jugendliche verfasst.

    "Was die Platzzahlen angeht, haben wir es in den letzten Jahren mit einem stetigen Zuwachs zu tun. In den 60er-Jahren hat es noch so gut 1000 Plätze gegeben, meistens junge Frauen, die ein freiwilliges soziales Jahr gemacht haben. Wir sprechen jetzt in dem Bereich Freiwilliges Soziales / Freiwilliges Ökologisches Jahr von über 40.000 Plätzen im Jahr."

    Angesichts dieser Zahlen ist sich der Bundesbeauftragte Jens Kreuter, der künftig nicht mehr für Zivis, sondern für Bufdis zuständig ist, sicher: Ab Juli wird es keine gravierende Lücke beim Bundesfreiwilligendienst geben – schließlich hätten schon 14.000 Zivis freiwillig über den 1. Juli hinaus ihr Engagement verlängert. Zudem sei die Zahl von 35.000 zusätzlichen Freiwilligen nicht aus der Luft gegriffen.

    "Die Zahl kommt nicht von uns, sondern als das Ganze losging, haben wir diejenigen gefragt, die sich damit auskennen, nämlich diejenigen, die bisher Freiwilligendienste durchgeführt haben, die Träger des Freiwilligen Sozialen Jahres. Das sind genau die Verbände, die jetzt schreien. Die haben erklärt, dass es seit Jahren kontinuierlich 70.000 Bewerbungen für die Freiwilligendienste gibt. Das haben wir als Grundlage genommen und gesagt: Gut, es gab bisher 35.000 FSJ-Plätze. 35.000 mussten nach Auskunft der Wohlfahrtsverbände weggeschickt werden. Wir wollen nichts anderes, als allen künftig einen Platz zur Verfügung stellen und das zu fördern."

    Hinzu kommt ein weiteres Argument: Dadurch, dass der Zivildienst in den vergangenen Jahren immer weiter verkürzt wurde, klagten die Träger zunehmend darüber, dass sechs Monate kaum ausreichten, um jemanden ordentlich einzuarbeiten. Kaum konnten die jungen Männer selbstständig arbeiten, waren sie auch schon wieder weg. Und das wird beim Bundesfreiwilligendienst vermutlich nicht oft anders sein. Inzwischen sehen zwar auch die Sozialverbände und Hilfsorganisationen nicht mehr komplett schwarz, wenn sie auf die Zeit nach dem 1. Juli angesprochen werden. Dennoch: Merken werden es die Kunden schon, wenn es keine Zivis mehr gibt, sagt Lutz Grundmann vom Arbeiter-Samariter-Bund.

    "Es wird sicher überall ein bisschen reduziert werden. Ich hab' eben in letzter Zeit keine neuen Kunden mehr aufnehmen können, sodass wir für die Kunden, die wir jetzt haben, weiter da sein können, zum Beispiel für unsere Pflegekunden oder unsere Hausnotrufkunden, die das als ergänzende Leistung kriegen. Aber ich habe halt ganz viele Anfragen gehabt von anderen Organisationen, die keine Zivis mehr haben und von denen Leute wechseln wollten. Die musste ich dann leider ablehnen. In anderen Bereichen, beim Rettungsdienst und Krankentransport haben wir genug Leute, die das machen wollen, die später zum Beispiel Medizin studieren wollen, zur Feuerwehr wollen. Es gibt aber auch sicher Bereiche, in denen es dann schwieriger wird und Einschnitte geben wird."

    Seit die Vertragsbedingungen halbwegs klar sind, werben auch die Verbände mit Broschüren und Infoveranstaltungen für den Freiwilligendienst. Sie hoffen nun vor allem auf die Kurzentschlossenen, die keinen Ausbildungs- oder Studienplatz finden oder wegen des Numerus clausus Wartesemester sammeln wollen. Für Prognosen ist es allerdings noch zu früh, meint Sabine Ulonska, die bei den Maltesern für die Arbeit mit Freiwilligen zuständig ist:

    "Man muss einfach mal schauen, es gibt so viele Unbekannte in diesem ganzen Geschäft. Wie sich die doppelten Schulabgangsjahrgänge auswirken. Werden da viele Leute auf der Straße stehen und sagen: Ich habe keinen Studienplatz, ich habe keinen Ausbildungsplatz gefunden? Ich will einfach mal ein Jahr sinnvoll überbrücken. Aber wie wird das in den Bundesländern sein, wo das erst nächstes Jahr ansteht? Da werden ganz viele junge Leute sagen: Auf keinen Fall werde ich ein Jahr dazwischenschieben, damit ich nicht in diesen doppelten Jahrgang reinkomme. Das sind ganz viele Unbekannte, die wir im Augenblick nicht einschätzen können."

    Um die Verwirrung komplett zu machen: Freiwilliges Soziales und Freiwilliges Ökologisches Jahr bleiben weiterhin parallel zum neuen Bundesfreiwilligendienst bestehen – der Bundesbeauftragte Jens Kreuter erklärt den Grund:

    "Das FSJ und das FÖJ werden von den Ländern verwaltet, während beim Bund Geld frei wird, das durch die Aussetzung des Zivildienstes jetzt zur Verfügung steht. Die Länder haben gesagt, was ich sehr nachvollziehbar finde, das FSJ komplett an den Bund abgeben. Umgekehrt ist es nicht möglich, dass der Bund ein Länderprogramm in so hohem Maße fördert. Da es nun sicher noch länger gedauert hätte, wenn man nun dran gegangen wäre, das Grundgesetz zu ändern oder die Finanzverfassung in Deutschland neu zu sortieren, war klar, wir müssen da ein aufeinander bezogenes und ganz eng miteinander abgestimmtes Angebot machen."

    Der schwache Trost für verwirrte Interessenten: Die Bedingungen beider Programme sind nahezu identisch, die meisten Einrichtungen bieten auch beide Varianten an. Die einzige wirkliche Neuerung: Beim Bundesfreiwilligendienst können auch Menschen mitmachen, die älter als 27 sind.

    "Hallo Volker, wie geht es dir heute?"

    Liebevoll streichelt Frank Schulte Volker über den Rücken. Es ist Mittwochmorgen, kurz nach neun. Wie jeden Morgen beginnt Frank Schulte seinen Dienst im "Café Cultura", einem Treffpunkt für geistig Behinderte der Sozial Betriebe Köln. Seit vier Monaten arbeitet der 48-Jährige jeden Tag dort mit. Auch für ältere Interessenten wie ihn gibt es bereits seit 2009 die Möglichkeit, gegen eine geringe Aufwandsentschädigung einen "Freiwilligendienst aller Generationen" zu absolvieren – Dauer: mindestens sechs Monate, Umfang: mindestens acht Stunden pro Woche. Die Stelle fand Frank Schulte über die Kölner Freiwilligen-Agentur, die Interessenten und Träger zusammenbringt.

    "Der ist noch ganz müde, oder? Heute hat er keine Lust, oder?"

    Frank Schulte ist gelernter Holztechniker. Mitte der 90er-Jahre ging er als Entwicklungshelfer nach Afrika. 2006 kam er zurück – und sucht seither eine feste Anstellung. Sorgenfalten überziehen sein Gesicht. Man sieht ihm an, dass er schwere Zeiten hinter sich hat.

    "Es ist einfach so, dass ich seit Längerem arbeitslos gewesen bin und dann irgendwo das Gefühl hatte, dass mir die Decke auf den Kopf fällt. Daraus ist der Gedanke gewachsen, mit meiner Freizeit etwas anzufangen. Ich habe dann im Internet nach gemeinnützigen Tätigkeiten recherchiert und bin dann eher zufällig auf die Kölner Freiwilligenagentur gestoßen."

    Die Bereitschaft, sich freiwillig zu engagieren, ist groß: Etwa jeder Dritte arbeitet langfristig in zivilgesellschaftlichen Einrichtungen mit. Besonders beliebt sind Sportvereine, aber auch Schulen, Kindergärten und die Feuerwehr. Das Bundesfamilienministerium veröffentlicht regelmäßig eine Studie darüber, die "Freiwilligen-Survey".

    "Nach wie vor ist das freiwillige Engagement bei Männern, Erwerbstätigen, jungen Leuten in der Ausbildungsphase, bei höher Gebildeten und bei Menschen mit einem gehobenen Berufsprofil erhöht. Gestiegen ist das Engagement bei Menschen mit Kindern und Jugendlichen im Haushalt, vor allem aber bei älteren Menschen. Arbeitslose, Menschen mit einfachem Sozial- und Bildungsstatus und solche mit einem Migrationshintergrund üben deutlich weniger als im Durchschnitt der
    Bevölkerung freiwillige Tätigkeiten aus."

    Die große Herausforderung für die Politik und die Sozialverbände ist daher, genau diese Bevölkerungsgruppen für ein freiwilliges Engagement zu gewinnen. Susanne Rindt vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik hat sich unter anderem mit der Frage beschäftigt, wie man bei Hauptschülern das Interesse wecken kann.

    "Es reicht nicht, Flyer auszulegen oder einen Radiospot zu schalten. Man muss auf ganz unterschiedlichen Wegen dorthin gehen, wo die Jugendlichen sind. Das können Schulen sein, Ausbildungsmessen sein. Aber auch Organisationen oder Träger sein, die mit den Jugendlichen schon arbeiten, wie zum Beispiel Migranten-Organisationen oder Jugendzentren. Es braucht Multiplikatoren, die sich für dieses Thema Freiwilligendienste gewinnen lassen, die Informationen weitergeben und für dieses Bildungs- und Orientierungsangebot, was ja wirklich einen ganz hohen Wert hat, werben."

    "Gut, alles klar, dann bedanke ich mich und wünsche noch einen schönen Tag!"

    Der Zivi Michael Hammes hat seinen Dienst beim Hausnotruf für heute beendet. Noch ein paar Wochen wird er bei den Maltesern in Köln arbeiten, dann beginnt seine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. Der junge Mann freut sich auf die Lehre. Für ihn war der Zivildienst auch eine Orientierungshilfe, schließlich hatte er nach dem Abitur durchaus mit dem Gedanken gespielt, später im Rettungsdienst zu arbeiten. Doch als Zivi merkte er, wie hart die Arbeitszeiten in diesem Beruf sind. Die Zeit beim Hausnotruf möchte er nicht missen. Freiwillig hätte er den Job nach dem Abitur allerdings nicht gemacht.

    "'Ne gute Erfahrung, weil ich's musste. Ich habe wirklich darauf spekuliert, dass ich nicht einberufen werde, dass das alles an mir vorbeigeht. Ich musste diese Erfahrung machen, ich bin auch froh drüber. Aber wenn ich's nicht hätte machen müssen, dann hätte ich es auch nicht gemacht."