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Erschossener palästinensischer Attentäter
Israelischer Soldat wegen Totschlags verurteilt

Ein israelischer Soldat hatte einen palästinensischen Attentäter im März mit einem Kopfschuss getötet. Der Palästinenser lag zu dem Zeitpunkt bereits bewegungsunfähig am Boden. Nun ist er wegen Totschlags verurteilt worden - doch viele Israelis sind empört.

Von Torsten Teichmann | 04.01.2017
    Der israelische Soldat Elor Azaria (Mitte), der einen verwundeten palästinensischen Attentäter erschoss, wartet mit seiner Familie auf sein Urteil am Militärgericht in Tel Aviv.
    Der israelische Soldat Elor Azaria (Mitte), der einen verwundeten palästinensischen Attentäter erschoss, wartet mit seiner Familie auf sein Urteil am Militärgericht in Tel Aviv. (AFP - Heidi Levine)
    Die Schüsse auf den palästinensischen Attentäter seien unnötig gewesen, urteilt Richtern Maya Heller. Der verurteilte Soldat Elor Azaria habe aus Zorn und einem Verlangen nach Vergeltung geschossen.
    Der Sanitäter Azaria ist vor einem Militärgericht wegen Totschlags verurteilt worden. Das Strafmaß wird später bekannt gegeben. Azaria hatte Ende März 2016 einen palästinensischen Attentäter mit einem Kopfschuss getötet. Der Palästinenser Abdel Fatah Al Sharif lag zu dem Zeitpunkt bereits bewegungslos am Boden.
    "Unmögliche Umstände" für Soldaten
    Die Tat war von einem Aktivisten der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem gefilmt worden. Das Militärgericht entschied in seinem Urteil, dass die Videoaufnahmen als Beweismittel zulässig sind. Oppositionspolitikerin Zehava Galon kommentiert die Entscheidung im Fernsehen:
    "Ohne diesen Film des B'tselem-Aktivisten hätten wahrscheinlich nie von den Tat erfahren. Und das beleuchtete die Realität im Westjordanland. Es zeigt, was den Soldaten dort geschieht. Elor Azaria war in gewisser Weise das Opfer der rechtsradikalen Bewegung, er ist ein Soldat, der unmöglichen Umständen ausgeliefert ist."
    Hass von Rechtsradikalen gegen Journalisten, Justiz, Politik
    Für unmöglich hält ein Teil der israelischen Bevölkerung dagegen das Urteil und den Prozess an sich. Vor dem Verteidigungsministerium in Tel Aviv skandieren Rechtsradikale und Fußball-Hooligans, komm nach Hause, komm nach Hause. Sie feiern den verurteilten Azaria als Held. Ihr Hass richtet sich gegen Journalisten, Richter und selbst Mitglieder der Regierungspartei von Ministerpräsident Netanjahu:
    "Du gehörst nicht zu unserem Volk. Du gehörst dem Volk der Hisbollah. Du und die Likud Partei, Ihr müsst gehen Gründet eine Likud Partei in Gaza."
    Kulturministerin nimmt Soldaten in Schutz
    Diese Stimmung greifen israelische Politiker wie Kulturministerin Regev(*) auf. Ohne das Urteil zu kennen, verspricht Regev, sich für den Soldaten Azaria einzusetzen:
    "Ich werde mit Sicherheit eine Begnadigung fordern. Hier wurde ein Soldat zurückgelassen. Diese ganze Situation übermittelt an unsere Soldaten die falsche Botschaft, nämlich sich nicht für eine Kampfeinheit zu verpflichten. Denn in komplizierten Situationen – und Soldaten befinden sich in komplizierten Situationen – können sie keinen Schritt machen. Denn wenn sie sie sich bewegen, werden sie gleich in ein Kriminalverfahren gezogen."
    Den Emotionen hat das Militärgericht eine über zweieinhalbstündige Urteilsverlesung entgegen gesetzt. Richterin Heller kritisierte die Verteidiger des Soldaten. Der Angeklagte hatte sich im Prozess in Widersprüche und verschiedene Versionen des Tathergangs verstrickt.
    Das Militärgericht kritisiert scharf das Verhalten und irreführende Aussagen israelischer Siedler und des medizinischen Personals, die nach den Schüssen von Hebron zuerst am Tatort waren. Expertenaussagen von ehemaligen Armee-Generälen zu Gunsten von Azaria stuften die Richter als bedauerlich und schlecht informiert ein.

    (*) Anm. d. Red.: In der ursprünglichen Version des Beitrags wurde Miri Regev irrtümlich als Bildungsministerin bezeichnet, tatsächlich ist sie aber Ministerin für Kultur und Sport.