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Erst denken, dann handeln

Roboterforschung. Amerikanische Forscher haben einen Roboter entwickelt, der eine Simulation von sich selbst entwickelt, also so etwas wie ein Selbstbewusstsein. Dafür braucht die Maschine kein kompliziertes Gehirn, aber so etwas wie Neugier.

Von Björn Schwentker | 20.11.2006
    Der Roboter auf dem Tisch im Labor von John Bongard macht merkwürdige Bewegungen. Die kleine Maschine sieht aus wie ein Seestern, nur mit vier statt fünf Beinen. Immer wieder hebt sie eins davon an oder drückt es gegen den Tisch und bäumt sich dabei auf. Plötzlich fängt der Roboter an zu laufen.

    Besonders elegant sieht das zwar noch nicht aus auf dem Video, das der Computerspezialist John Bongard an der Universität von Vermont im US-amerikanischen Burlington aufgezeichnet hat. Trotzdem sei die Leistung des Roboters beachtlich, sagt der Forscher.

    "Das Video zeigt das Leben des Roboters im Schnelldurchgang. Wie ein Kind weiß er am Anfang sehr wenig über seinen Körper. Indem er spielt und neugierig ist, lernt der Roboter jedoch etwas über seinen Körper und entwickelt eine innere Simulation davon. So entdeckt er, dass er vier Beine hat."

    Das Computerprogramm des Roboters - also sein Gehirn - weiß anfangs nur, dass er aus neun Teilen besteht. Doch die Maschine lernt schnell, wie sie zusammengebaut sind. Denn die Forscher haben ihr etwas sehr Menschliches einprogrammiert: Neugier. Während der Roboter spielerisch mit seinen Beinen herumwackelt, melden zwei Gleichgewichtssensoren ihm ständig zurück, wie sich dabei seine Lage verändert. Daraus berechnet das Steuerprogramm verschiedene Selbstbilder des eigenen Körpers. Zunächst sind das nur Hypothesen. Erst nach weiteren Testbewegungen wählt der Roboter eins der Modelle aus. Nämlich das, das am besten zu den Sensordaten passt. Mit dieser Simulation seines Körpers berechnet der Roboter nun, wie er damit laufen könnte. Erst dann probiert er es aus.

    "Manche Neurowissenschaftler glauben, dass das in unserem Gehirn genauso funktioniert. Wir spielen verschiedene Ideen zuerst im Kopf durch, bevor wir eine auswählen und ausprobieren."

    Sein inneres Selbstbild entwickelt der Roboter ständig weiter. Immer wieder gleicht er es ab mit seinen Erfahrungen, also seinen Sensordaten. Das macht ihn flexibler als jede andere Maschine. Als die Forscher dem Roboter ein Bein abbrachen, merkte er, dass sein Körper nicht mehr zu seinem Modell passte. Durch Ausprobieren fand er schnell heraus, dass er jetzt nur noch drei Beine hatte, und entwickelte auch eine Idee, wie er damit weiterlaufen konnte: indem er hinkte.

    "Unser Roboter sollte auch mit unvorhersehbaren Situationen fertig werden. Ein Roboter, dem ein unveränderliches Modell von sich und der Welt einprogrammiert wurde, wird nie mit etwas umgehen können, was sein Erbauer nicht vorhergesehen hat. Also dachten wir uns: Vielleicht sollten wir den Roboter so programmieren, dass er sich sein Weltbild selbst schafft."

    Für John Bongard besteht kein Zweifel: Die Fähigkeit, über sich selbst nachzudenken und sich dadurch an unerwartete Situationen anzupassen, macht seinen Roboter intelligent - auch wenn er kein großes Gehirn hat.

    "Denken entsteht ja dadurch, dass unser Körper mit der Welt interagiert. Dafür ist dieser Roboter ein gutes Beispiel. Neugierig erkundet er seine Umwelt. Er führt Körperbewegungen aus, um etwas über sich selbst zu lernen. Es gibt keinen Beweis, das Bewusstsein oder Träumen komplizierte Prozesse sind. Sie könnten das Resultat sehr einfacher Prozesse sein."

    Intelligenz, sagt der Forscher, trage bei Mensch wie Maschine vermutlich sehr ähnliche Eigenschaften: Wesen mit Bewusstsein müssten ständig über sich und die Welt nachdenken und dabei lernen – und darum auch Fehler machen.