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Erst Print, dann Radio

Heutzutage halten vor allen deutsche Verlage große Anteile am polnischen Zeitschriften- und Zeitungsmarkt. Der Axel Springer Verlag und Bertelsmann bestimmen die thematischen Trends, die Art der Informationenübergabe sowie den Look der polnischen Presse. Der EU-Beitritt Polens hat nun den ausländischen Investoren ein neues Tor geöffnet: den polnischen Rundfunk.

Von Katarzyna Tuszyńska | 17.02.2007
    Es ist acht Uhr morgens. Am Zeitungsstand in der Unterführung einer der Danziger Hauptstraßen liegen viele bunte Zeitschriften. Auf den Titelseiten von "Newsweek", "Bravo" oder "Cosmopolitan" sind Fotos und große Aufschriften gedrückt. Die Grafik erinnert an ihre deutschen Entsprechungen. In der ersten Reihe stapeln sich frische Tageszeitungen.

    Die Passanten rasen in die Arbeit. Ab und zu halten sie doch bei dem Zeitungsstand an. Der Verkäufer kassiert gerade für die Tageszeitung "Fakt" ab. Das ist der polnische Bruder von der "Bild". Dieser Stapel mit "Fakt" verschwindet eigentlich am Schnellsten.

    Zehn Minuten später in der S - Bahn.

    Um diese Uhrzeit ist es in den Öffentlichen Verkehrsmittel in Danzig proppenvoll. Doch es wird hier kaum gelesen. Ähnlich ist es in Cafes und Restaurants. Diese Tendenz bestätigen auch offizielle Angaben, stellt Florian Fels, der Vorsitzender der Geschäftsführung beim Axel Springer Verlag in Warschau fest:

    "Generell lesen die Polen weniger Zeitungen als in Deutschland. Also in Polen lesen 60 bis 65 Prozent der Bevölkerung eine Tageszeitung. In Deutschland sind das über 80 Prozent. Das heißt aber auch, dass der Markt nicht gesättigt ist. Und gerade Axel Springer hat durch die Markteinführung von zwei neue Tageszeitungen "Fakt" und "Dziennik" in den letzten drei Jahren bewiesen, dass noch Potenzial da ist, dass man abschöpfen kann. Wir haben jetzt inzwischen in den letzten vier Jahren, Zweimillionen neue Tageszeitungsleser gewonnen im Grunde durch neue Titel."

    Der deutsche Geschäftsführer sitzt in seinem Büro in einem modernen Glasshaus im Warschauer Stadtteil Mokotow. Wie Pilze aus dem Boden schießen hier neue Investitionen. Das Gelände ist immer noch eine große Baustelle. Zwischen modernen Häusern aus Glas und Metall ist eine ganze Menge umgebauter Acker noch frei. Doch der Axel Springer Verlag hat sich auf dem polnischen Boden schon seit dem Jahre 1994 fest verankert.

    Vor knapp einem Jahr ist der deutsche Betrieb mit der Tageszeitung "Dziennik" in Polen gestartet. Heutzutage ist "Dziennik" die Nummer Drei unter nationalen Tageszeitungen in Polen. Mit ihrer Grafik erinnert sie an die Deutsche "Welt". Axel Springer besitzt außerdem die erfolgreiche "Fakt" und 14 andere Zeitschriften. Neuerdings hat er auch eine 25-prozentige Beteiligung am großen, kommerziellen TV-Sender Polsat, erzählt Florian Fels:

    "In Polen hat sich in den letzten drei Jahren sehr viel geändert. Im Bezug auf die EU ist insbesondere zu nennen: die elektronischen Medien. Wir hatten ja vorher in Polen eine Eigentumsbeschränkung für ausländische Medien im elektronischen Medien bei etwa 33 Prozent. Das ist mit dem EU-Beitritt gefallen. Dadurch konnten sich jetzt große Medienkonzerne auch an elektronischen Medien besser beteiligen. Jüngstes Beispiel: der Bauer Verlag, der einen Nationalradiosender gekauft hat. Herr Murdoch ist inzwischen in Polen, hat eine Fernsehstation gekauft. Und Axel Springer hat zuletzt Minderheitsanteile an einem großen TV-Sender gekauft."

    Das deutsche Eigentum auf dem polnischen Medienmarkt bleib aber nicht ohne Bedeutung, meint Bogusław Chrabota, der Chefredakteur vom kommerziellen TV Polsat. Zwar indirekt aber die polnischen Medien werden durch den deutschen Trend beeinflusst, meint Chrabota:

    "Die Feststellung, dass die deutschen Firmen, ein passiver Investor auf dem polnischen Markt sind, ist Blödsinn. Es gibt zwar keine Propagandabeeinflussung, die man vielleicht erwarten würde. Doch durch eine sensible Einwirkung der deutschen Investoren werden in der Gesellschaft Gedankegänge beeinflusst."

    Der EU-Beitritt Polens hat auf den polnischen Medienmarkt noch eine andere Veränderung gebracht. Florian Fels beobachtet ein wachsendes Interesse an Europathemen in der polnischen Gesellschaft:

    "Europa ist schon sehr interessant gerade für junge Leute, die sehr flexibel sind und Arbeit im Ausland suchen. Man schätzt in etwa, dass eine Million Junge Polen in den letzten drei Jahren ins Ausland gegangen sind, um dort zu arbeiten. Insofern ist es natürlich sehr interessant für diese Leute in welchen Ländern zum Beispiel Arbeitbeschränkungen herrschen, wie zum Beispiel in Deutschland und in welchen Ländern nicht. Mit dem EU-Beitritt sind natürlich europapolitische Themen in den Mittelpunkt gerückt, aber auch die Rolle, die Polen innerhalb der EU spielt, wird zur Zeit sehr stark diskutiert, weil Polen jetzt auch stärker hervorsticht durch seine Größe. Polen hat einen sehr großen Gewicht auch durch die Stimmenzahl und dadurch pocht es auf seinen Interessen, was auch gerechtfertig ist."
    Diese Themen werden alltäglich bei dem populären polnischen Nachrichtensender TVN 24 behandelt. Das Programm nach dem Vorbild CCN entstand im August 2001. Mit zwei Prozent Marktbeteiligung im letzten Jahr hat es stark die Prognosen überstiegen. Nach Meinung von Grzegorz Miecugow, den Stellvertretenden Programmleiter ist der größte Umbruch auf dem polnischen Medienmarkt noch vor uns:

    "Ich glaube, die Veränderungen in der Medienlandschaft werden erst kommen. Der Medienmarkt ist immer noch ziemlich stabil. Wir haben die gleichen Fernsehsender, gleiche Programme. Aber wir sind auf der Schwelle einer Revolution. Sein Verkünder ist das so genannte Neue Generation Fernsehen. Wenn das Fernsehen mit dem Internet verbunden wird, kommen wir in eine ganz neue Epoche. Der Murdoch kommt doch nach Polen. Und das ist die Ankündigung einer Veränderung."


    Und der Danziger Zeitungsverkäufer kassiert gerade den nächsten Exemplar von der "Fakt" ab. Wenn die Marktlücken so erfolgreich wie im Falle von der "Fakt" gefüllt werden, dann bedeutet es auch für ihn einen Gewinn.