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Erste Chemie-Tarifrunde ohne Ergebnis

Sechs Prozent mehr Geld fordert die Chemie-Gewerkschaft IG BCE. Daneben stehen Erleichterungen für ältere Mitarbeiter auf ihrer Agenda. Die Arbeitgeber dagegen bringen längere Wochenarbeitszeiten ins Gespräch. Der bundesweite Verhandlungsauftakt brachte noch kein Ergebnis.

Von Susanne Schrammar | 07.05.2012
    Begleitet von einer Protestkundgebung ist die erste bundesweite Verhandlungsrunde in der Chemie-Industrie in Hannover heute ohne Ergebnis zu Ende gegangen, doch gab es erste Annäherungen. Hans-Carsten Hansen, Verhandlungsführer des Bundesarbeitgeberverbandes:

    "Konstruktives Weiterarbeiten, Skepsis bei der Lohnformel, Schnittmengen bei der Demografie – das ist in etwa das, was wir heute mitnehmen. Da wir gewohnt sind, partnerschaftlich Gräben zuzuschütten, machen wir uns an die Arbeit."

    Nach bereits neun regionalen Verhandlungsrunden ohne konkreten Vorschlag haben die Arbeitgeber auch heute kein Angebot für die insgesamt 550.000 Beschäftigen in der Chemiebranche vorgelegt. Die Gewerkschaften fordern sechs Prozent mehr Lohn für die nächsten zwölf Monate. Peter Hausmann von der Gewerkschaft IGBCE

    "Der chemischen Industrie geht es gut und von daher haben die Arbeitnehmer Anspruch darauf, eine kräftige Tariferhöhung zu bekommen und deswegen die sechs Prozent."

    Die Arbeitgeberseite wies diese Forderung heute erneut als "unrealistisch" zurück. Die Schuldenkrise, instabile Märkte und steigende Energie- und Rohstoffpreise bremsten das Wachstum, so Hansen.

    "2012 sehen wir eine Stagnation und es gibt kein zusätzliches Wachstum und es kann deshalb auch nichts Zusätzliches verteilt werden."

    Wie hoch die Tarifsteigerung in der Chemie-Industrie ausfällt, hängt vermutlich auch von einer Einigung beim Streitpunkt "Demografischer Wandel" ab. Beide Tarifparteien sehen in dem darin verursachten Fachkräftemangel eine große Herausforderung. Doch während die IG BCE als Reaktion darauf ältere Beschäftigte zunehmend entlasten will, tritt die Unternehmerseite für längeres Arbeiten ein. In der Chemieindustrie beträgt die Wochenarbeitszeit 37,5 Stunden, für Mitarbeiter ab 55 gelten zudem weitere Verkürzungen. Die Arbeitgeber wollen die Wochenarbeitszeit erhöhen und Freischichten für ältere Beschäftigte streichen. Da immer weniger junge Kräfte nachrückten, müssten die vorhandenen Mitarbeiter mehr arbeiten, forderten heute die Arbeitgeber. Die Gewerkschaft wies diese Haltung als nicht logisch zurück. Verhandlungsführer Peter Hausmann.

    "Der springende Punkt, wo wir gerne mitarbeiten wollen als IG BCE ist, konstruktiv darüber zu ringen, wie kriegen wir es wirklich dazu, dass die Menschen vom Alter her länger in den Betrieben verbleiben. Das ist unser Ansatzpunkt und dazu braucht aber sehr viele unterschiedliche Angebote, die dann auch passen und wenn man jetzt einfach sagt: Wir erhöhen jetzt die Arbeitszeit auf 40 Stunden, schränkt man andersherum automatisch die Flexibilität ein, die wir benötigen."

    Die Lösung für die Chemie-Industrie könnte im Ausbau eines bereits vorhandenen Demografie-Fonds in den Betrieben liegen. In diesen zahlen die Unternehmen bislang jährlich rund 300 Euro pro Beschäftigten ein. Dieses Geld, so der Vorschlag der Arbeitgeberverbände, könnte zum Beispiel in Langzeitarbeitskonten fließen. Eine Einigung in dieser Frage gab es heute in Hannover jedoch nicht. Die Tarifparteien haben sich vertagt. Die nächste Verhandlungsrunde in der Chemieindustrie findet am 23. Mai in Berlin statt. Mit Streiks ist bis dahin vermutlich jedoch nicht zu rechnen.