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Erster Besuch Adenauers in Frankreich

Zu Frankreich pflegte Bundeskanzler Konrad Adenauer ganz besondere Kontakte, auch nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft Mitte der 50er-Jahre setzte er weiterhin auf gute Beziehungen zum Nachbarland. Er besuchte Staatspräsident Charles de Gaulles zwölf Mal, auch in dessen Privathaus. Zum offiziellen Staatsbesuch aber kam es erst am 2. Juli 1962.

Von Jochen Stöckmann | 02.07.2012
    Reporter:
    "Und hier kommt der Kanzler und wird nun von de Gaulle mit Handschlag begrüßt ..."

    Charles de Gaulle:
    "Jeder hier sieht in Ihnen die historische Persönlichkeit, die sich mitten im Unglück erhoben hat und mitten in den Ruinen, die Ihnen ein Verbrecher eines tyrannischen Regimes übermacht hat."

    Es war ein ganz besonderer Empfang, der Konrad Adenauer am 2. Juli 1962 in Frankreich bereitet wurde. Zwar war der deutsche Bundeskanzler bereits in den 50er-Jahren mehrmals in Paris zu Gast gewesen, aber zum ersten offiziellen Staatsbesuch kam es erst jetzt. Um nämlich dem strengen Protokoll Genüge zu tun, hatte zuvor der deutsche Bundespräsident dem Nachbarland seine Aufwartung machen müssen. Als Heinrich Lübke im Sommer 1961 nach Frankreich kam, nutzte Staatspräsident Charles de Gaulle diese Gelegenheit sozusagen als "Probelauf": Der General ― auch als Politiker ein umsichtiger Stratege ― bereitete die Bevölkerung mit dem hohen Besuch aus Deutschland auf seine gemeinsam mit Adenauer betriebene Annäherung vor, auf die Versöhnung mit den "Boches", den einstigen Feinden des Zweiten Weltkriegs. Erfolgreich, wie Konrad Adenauer nach seiner Rückkehr am 8. Juli feststellen konnte:

    Konrad Adenauer:
    "Ich habe überall gesehen, auch in den Gesichtern der Menschen, der Männer und der Frauen, dass sie über meinen Besuch und über die ganze Veranstaltung erfreut waren. Ich habe sehr selten, sehr selten, ein böses Gesicht gesehen."

    Auch für einen unabhängigen Beobachter wie Hubert Beuve-Méry, Herausgeber von "Le Monde", galt die fast schon begeisterte Zustimmung der Bevölkerung als wichtigstes ― und über Jahrzehnte fortwirkendes ― Ergebnis des mehrtägigen Staatsbesuchs. Das betonte ― eingekleidet in staatsmännische Dankesformeln ― auch Konrad Adenauer:

    Konrad Adenauer:
    "Indem Sie, Herr Präsident, mir diesen festlichen Empfang bereiten, unterstreichen Sie - und Ihre Regierung - Herr Präsident, welch hohe Bedeutung Sie den zutiefst gewandelten Beziehungen unserer Völker zulegen."

    Allerdings ging es nicht nur um reine Freundschaft, um die friedliche Versöhnung unter Nachbarn. Schließlich herrschte Krieg in Europa, Kalter Krieg. Und deshalb schärfte Adenauer bei seiner Rückkehr, noch auf dem Flugfeld, den Deutschen ein:

    Konrad Adenauer:
    "Ohne den festen Zusammenschluss von Deutschland und Frankreich ist es nicht möglich, Europa stark zu halten und im Frieden zu halten. Und ohne diesen festen Zusammenschluss ist es auch nicht möglich, dem Druck vom Osten her zu widerstehen."

    Frankreich als wichtigster Bündnispartner, noch vor Großbritannien oder den USA - diese Außenpolitik hatten Politiker und Journalisten mit Rückgriff auf eine Propagandaparole des Dritten Reichs bereits als neue "Achse Bonn - Paris" kritisiert. Darauf erwiderte Adenauer mit Blick auf den britischen Außenminister Harold MacMillan:

    Konrad Adenauer:
    "Man könnte genauso gut von einer Achse Washington - London sprechen innerhalb des gesamten NATO-Bündnisses: Als MacMillan nach der Rückkehr aus Washington sagte, dass diese angelsächsischen Länder nun die Hüter der Freiheit geworden seien."

    Deutschland unter seinem Kanzler Adenauer setzte auf Frankreich, der Staatsbesuch im Sommer 1962 gilt als Geburtsstunde der Anfang 1963 im Elysée-Vertrag besiegelten Freundschaft der beiden Nachbarländer. Und Adenauer sah darin mit Blick auf vier weitere Partner ― die drei Beneluxländer und Italien ― die Keimzelle für ein weitaus umfassenderes gemeinsames Europa:

    Konrad Adenauer:
    "Die Sechs, die ja nun die Montanunion gründeten, die EURATOM gründeten, die die EWG gründeten - ich glaube die Sechs sind verpflichtet, sind auch vor der Geschichte verpflichtet, auch ihr höchstes Ziel, diese politische Union zu schaffen, herzustellen. Und ich zweifele nicht, dass es gelingen wird."